Die freiwillige Weiterbildung kommt in staatlichen Verwaltungen und Unternehmen zu kurz
Genf (alphagalileo) - Mit der Einführung von leistungsorientierten Managementinstrumenten hat
die obligatori-sche Weiterbildung in den Verwaltungen an Bedeutung gewonnen. Hingegen bleibt wenig Raum für
freiwillige Initiativen. „Die Aufwertung der Weiterbildung durch das New Public Management fällt insgesamt
schwach aus“, lautet das Fazit einer Nationalfondsstudie zum Weiterbildungsverhalten bei Kadern in staatlichen
Verwaltungen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen.
In den 90er-Jahren haben zahlreiche öffentliche Betriebe neue leistungsorientierte Ma-nagementstrategien eingeführt,
um eine effiziente und kundenorientierte Arbeit zu gewährleisten. Zugleich ist die berufliche Weiterbildung
als personalpolitisches Ziel immer wichtiger geworden.
Tatsächlich bleibt dem Personal im öffentlichen Dienst aber wenig Spielraum für Weiterbildung. Und
die Angestellten kennen meist weder die Firmenpolitik in Sachen Weiterbildung noch die Zulassungsbedingungen oder
das Budget dafür. Dies zeigt eine Untersu-chung des Nationalen Forschungsprogramms „Bildung und Beschäftigung“
(NFP43), die das Weiterbildungsverhalten von Kaderangestellten im öffentlichen Dienst analysiert hat.
Speziell in Betrieben mit New Public Management (also mit Leistungsvereinbarungen so-wohl für Mitarbeitende
als auch für ganze Abteilungen und Betriebe) ist die obligatorische Weiterbildung heute vergleichsweise hoch:
Sie umfasst in solchen Betrieben 51 Stunden pro Person und Jahr, während sie in Betrieben mit Leistungsvereinbarungen
nur für Mitarbeitende 25 Stunden und in solchen ohne Leistungsvereinbarungen 7 Stunden beträgt. Weniger
positiv fallen die Studienergebnisse für die freiwillige Weiterbildung aus, die inklusive die Lektüre
von Sachbüchern rund zwei Drittel des gesamten Weiterbildungskuchens ausmacht. Ihr Umfang wird durch ein Mehr
an obligatorischer Weiterbildung zwar nicht geschmälert, ist in den NPM-Betrieben aber auch nicht höher
als in den weniger leistungsorientierten Verwaltungen. Rund ein Drittel aller befragten Kaderleute gab an, noch
nie freiwillig eine Weiterbildung absolviert zu haben.
„Gerade die freiwillige Weiterbildung ist in der heutigen Gesellschaft von grosser Bedeutung“, sagt Projektleiter
Yves Emery vom „Institut de hautes études en administration publique“ (Idheap) bei Lausanne, „sie entspricht
dem Grundsatz des eigenverantwortlichen Handelns, der in vielen Personalpolitiken verankert ist.“ Ein zunehmend
Top-down-orientiertes Weiterbildungssystem birgt laut Emery die Gefahr, dass die Motivation zur freiwilligen Weiterbildung
ebenso wie zur informellen Wissensvermittlung abnimmt.. Dies gelte umso mehr, als die Weiterbildungs-Pflichtangebote
einseitig technikorientiert und oft „autogeneriert“, d.h. auf die Beherrschung der neuen Managementinstrumente
ausgerichtet, seien.
Zur Entwicklung einer eigentlichen Weiterbildungsstrategie bleibt in den Verwaltungen gemäss den Forschungsresultaten
kaum Zeit. Generell wird zwar für mehr Weiterbildung plädiert, doch Unterstützung in Form von Zeitgutschriften,
Finanzierungshilfen oder Mo-tivation erhalten allein jene, deren Weiterbildung unmittelbar einen Nutzen bringt,
haben die Wissenschaftler festgestellt. Ihr Fazit: „Die Aufwertung der Weiterbildung durch das New Public Management
fällt deshalb schwach aus“.
Für die Zukunft empfiehlt die Forschungsgruppe unter anderem folgende Massnahmen:
- Erarbeitung einer klaren Weiterbildungspolitik durch die Personalabteilungen. Die Ziele und inhaltlichen Schwerpunkte
sollen dabei ebenso genau definiert sein wie die Verantwortlichkeiten der einzelnen Vorgesetzten bei der Förderung
von Weiter-bildung.
- Sicherung der Umsetzung des neuen Wissens. Dies setzt ein Wissensmanagement und Controlling der Weiterbildung
voraus; zu den nötigen Instrumenten gehören nebst Feedback und Evaluation des Gelernten auch die systematische
Weitergabe von Erfahrungswissen, etwa in Form von speziellen Datenbanken oder des traditio-nellen „Gesellenlernens“
über Patenschaften.
- Verstärkte Förderung langfristig ausgerichteter Weiterbildungsmassnahmen, die auch grundsätzliche
Änderungen der Arbeitskultur, -methodik und –prozesse ermöglichen.
- Die vermittelten Kompetenzen sollen über die technischen Aspekte der Arbeit hin-aus gehen. Zentral ist
die Entwicklung von kollektiven Kompetenzen, also zum Bei-spiel die Fähigkeit, ein Projekt im Team zu entwickeln
und dabei fachübergreifend zu denken.
„Letzten Endes sollte es gelingen, zu produzieren und zu qualifizieren und nicht nur zu qualifizieren, um zu
produzieren“, sagt Yves Emery, „heute ist man noch weit von diesem Ziel entfernt“.
Die Untersuchung wurde im Jahr 2000 in sechs Bundes- und Kantonsverwaltungen sowie öffentlich-rechtlichen
Unternehmen durchgeführt, die zu je einem Drittel über ein volles Leistungsmanagement (NPM), ein individuelles
Leistungsmanagement bzw. kein Leistungsmanagement verfügten. Sie stützt sich auf quantitative Analysen
sowie persönliche Interviews mit 52 Angestellten des unteren und mittleren Kaders dieser Betriebe, namentlich
HTL-Ingenieure und Kaderleute mit kaufmännischem oder gewerblichem Lehrabschluss.
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