Erklärung des amtierenden Ratsvorsitzenden - Tätigkeitsprogramm des italienischen Ratsvorsitzes
Erklärung des Rates: Der Vertreter der italienischen Ratspräsidentschaft, Ministerpräsident
Silvio BERLUSCONI, erklärte, Italien werde in der verfassungsgebenden Phase Europas seine Verantwortung
tragen. Das heutige Europa sei ein großes Europa, es habe einen langen Weg hinter sich und vieles sei in
der Vergangenheit erreicht worden. Man brauche nun neue Ziele. Die bürokratische Lähmung Europas müsse
überwunden werden. Man müsse die bestehenden Unterschiede ausnutzen, einen großen Sprung nach vorne
machen und die Politiken integrieren. "Ein großes Europa braucht große Institutionen." Europa
müsse ein aktiver Protagonist auf der Weltbühne werden.
Italien werde bei den anstehenden konstitutionellen Reformen eine Vermittlerrolle spielen. Man müsse versuchen,
einen mutigen Konsens zu finden, beispielsweise was die Mehrheitsentscheidungen und die GASP angehe. Italien werde
sich bemühen, die entgegengesetzten Meinungen zu vereinen, es werde jedoch keine neue Diskussion des Verfassungsentwurfs
geben. Die Regierungskonferenz solle sich nur noch auf kontroverse Punkte konzentrieren. Man werde versuchen, bis
Dezember eine Übereinkunft zu erzielen. Das EP werde in die Arbeiten der Regierungskonferenz einbezogen werden.
Er werde darum ersuchen, Präsident Cox ständig an den Arbeiten der Regierungschefs zu beteiligen. Er
werde selbst dem Parlament berichten. Man wolle sich an die Zeitvorgaben halten und vor dem Beitritt und vor den
Wahlen den neuen Verfassungsvertrag in Rom unterzeichnen.
Neben der konstitutionellen Reform müsse jedoch auch die Wirtschaftskraft Europas gestärkt werden. Die
italienische Ratspräsidentschaft werde das Jahresprogramm der Griechen fortführen, welches u. a. folgende
Punkte beinhaltet: Modernisierung der Landwirtschaft, Umweltschutz, Verbraucherschutz und Nahrungsmittelsicherheit.
Zu einer effizienteren Unterstützung der Wirtschaft bedürfe es einer Steigerung der Investitionen, beispielsweise
im Bereich der transeuropäischen Netze und der Forschung. Weitere Herausforderung sei die Nachhaltigkeit der
Renten- und Pensionssysteme, ein Problem angesichts der Überalterung der Gesellschaft. Man wolle auch das
Unternehmertum fördern und Arbeitsplätze insbesondere in KMU schaffen. Hierbei werde man den Dialog mit
den Sozialpartnern fördern. Im Europäischen Jahr der Behinderten wolle man die Grundlage für eine
Gesetzgebung gegen die Diskriminierung von Behinderten schaffen.
Die EU sei auch ein Faktor der internationalen Stabilität. Man werde die Tätigkeiten der vorangegangenen
Ratspräsidentschaften fortführen. Die Beitrittsländer würden vollständig an der Regierungskonferenz
beteiligt, für Bulgarien und Rumänien solle es bis Dezember eine "Road Map" geben und man werde
die Vorbeitrittsstrategie der Türkei gegenüber festlegen. Für die Balkan-Länder müsse
es eine europäische Perspektive geben, engere Beziehungen mit der Ukraine, Weißrussland und Moldawien
sowie ein stärkerer Dialog mit der Russischen Föderation würden angestrebt. Der Dialog zwischen
Europa und den Mittelmeerstaaten werde angekurbelt, man wolle die Finanzfazilitäten ausbauen und eine Mittelmeerbank
schaffen. Man strebe solide und ausgewogene Beziehungen mit den USA an. Ein starker transatlantischer Dialog stehe
nicht im Widerspruch zu einem starken europäischen Engagement. Das Engagement Europas im Verteidigungsbereich
müsse im Einklang mit der NATO stehen. Weitere Ziele seien die Schaffung einer demokratischen Ordnung im Irak
und die Umsetzung der "Road Map" für den Nahen Osten. Veränderungen werde es auch in den Beziehungen
der EU zu Lateinamerika geben. Die Beziehungen zu Afrika und Asien müssten verbessert werden. Man strebe eine
integrierte Verwaltung der Außengrenzen an. Das Thema der illegalen Einwanderung müsse behandelt werden.
Hier sei eine intensive Zusammenarbeit mit den Nachbarländern nötig. Auch sollten die legalen Einwanderer
stärker integriert werden. Europol müsse gestärkt werden.
Die Herausforderungen seien heikel und komplex. Italien werde versuchen, einen Beitrag zu den Lösungen zu
leisten. Der europäische Integrationsprozess sei wichtig für Sicherheit und Wohlstand. Die italienische
Ratspräsidentschaft werde versuchen, dem großen Riesen Europa etwas von seiner ursprünglichen Dynamik
zurückzugeben.
Erklärung der Kommission:
Kommissionspräsident Romano PRODI unterstrich, dass die italienische Präsidentschaft zu einem
wichtigen Zeitpunkt beginne. Die Revision der Verfassung sowie die Regierungskonferenz seien wichtige Meilensteine
der Reform Europas. Vieles habe man bereits erreicht: Integration der Charta der Grundrechte, Schaffung der Rechtspersönlichkeit
der Union, Neudefinition der EU-Befugnisse und transparente Politiken. Im September werde die Kommission Stellung
zur Regierungskonferenz beziehen und auf die Probleme hinweisen: Ausbau der qualifizierten Mehrheit, Begrenzung
der Einstimmigkeit, Zusammensetzung der Kommission, Effizienz der Euro-Politiken, Revisionsklausel und entscheidende
Schritte in der Außenpolitik seien nur einige Punkte auf der Kommissionsliste.
Weiterhin setze sich die Kommission dafür ein, Nachbarschaftsstrategien zu entwickeln, um die Erweiterung
vorzubereiten. Dazu gehöre auch die Entwicklung von Partnerschaften mit den Balkanstaaten. Er hoffe, dass
unter der italienischen Präsidentschaft der Ausbau eines "Rings von Freunden" die entsprechende
Aufmerksamkeit finden werde. Für den Mittelmeerraum erhoffe er die baldige Schaffung einer Europa-Mittelmeer-Bank
sowie einer Stiftung für den Kulturbereich.
Die transatlantischen Beziehungen gelte es neu und positiv zu definieren. Häufig seien die Ziele gleich aber
die Methoden unterschiedlich. So wolle zum Beispiel die Union die ärmsten Länder im Bereich der Welthandelspolitik
begünstigen. Hier könne die Union mit einer Stimme sprechen und entscheidende Fortschritte machen.
Das Wirtschaftswachstum gelte es zu fördern und die Sozialsysteme zu überprüfen. Die Instrumente
der Wirtschafts- und Sozialpolitik müssten an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. So setze sich die
Kommission dafür ein, den Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibel zu gestalten und an den Belangen einzelner
Staaten auszurichten; jedoch solle das 3%-Limit unverändert bleiben. Es werde weniger in die Forschung investiert,
und Wissenschaftler wanderten dauerhaft in andere Staaten ab. Die Kommission wolle dem mit dem Ausbau der transeuropäischen
Netze und der Nutzung der Finanzquellen zur Forschungsförderung entgegenwirken.
Weiterhin solle in den nächsten sechs Monaten eine Verbesserung in folgenden Bereichen erreicht werden: Zeitarbeit,
öffentliche Ausschreibungen, Versorgungssicherheit, Liberalisierung des Schienenverkehrs, Umweltverantwortung,
Vergabeverfahren, einheitlicher Luftraum, europäisches Patent, Flüchtlingsstatut und europäische
Raumfahrtpolitik. Die Entwicklung dürfe nicht nur in Reformen bestehen, sondern auch in ihrer effizienten
Umsetzung. Die Finanzielle Vorausschau für den Zeitraum nach 2006 solle deutlich machen, welche Projekte durchgeführt
werden können. "Wir brauchen Einheit und den Willen zur Zusammenarbeit, ebenso wie Visionen und den Glauben
an die Zukunft Europas." Europa sei der einzig mögliche Weg, um unsere Ziele zu verwirklichen. Italien
habe mit herausragenden Abgeordneten wie Altiero Spinelli seinen Beitrag dazu geleistet. Er hoffe darauf, dass
Italien diesen Weg weiter beschreiten werde.
Vertreter der Fraktionen:
Hans-Gert POETTERING (EVP-ED, D) sagte, nationale Debatten sollen nicht auf europäische Ebene
gehoben werden. Wir müssten unsere eigenen, europäischen Ziele verfolgen und erreichen. Poettering erinnerte
an die vielfältigen italienischen Beiträge und engagierten Persönlichkeiten in Vergangenheit und
Gegenwart. Er hoffe auf eine europäische Verfassung, die in Rom auf dem Kapitol zu unterzeichnen sei.
Er begrüße es, dass Berlusconi die Vertreter des EP auf allen Ebenen bis hin zum Europäischen Rat
und zur Regierungskonferenz einladen will. "Wir, die EVP-ED-Fraktion, vertreten das gemeinschaftliche Europa",
denn die Wiedereinführung der zwischenstaatlichen Methode wäre ein Rückschritt.
Enrique BARÓN CRESPO (SPE, E) sagte in Bezug auf Berlusconi: "Wir wünschen, dass Italien
unter seinem Vorsitz eine 'bella figura' macht." Er mache sich Sorgen über Aussagen wie der, dass die
Kommission abgeschafft werden sollte. Man habe die Pflicht, Gesetze für die Allgemeinheit und nicht wegen
der Probleme einiger weniger zu erlassen.
Der Konventsvorschlag solle nur technisch überarbeitet werden. Das EP sei ja schon seit Maastricht an den
Sitzungen des Europäischen Rates beteiligt. Die Charta der Grundrechte solle auf die Frage der Medienkonzentration
erweitert werden. Dies habe nichts mit der Frage der Aufhebung der Immunität für ein gegen Berlusconi
gerichtetes Gerichtsverfahren in Mailand zu tun. Man werde den italienischen Vorsitz nach seinen Taten beurteilen.
Für Graham WATSON (LIBE, UK) ist die vorrangige Aufgabe der italienischen Ratspräsidentschaft
die Einberufung der Regierungskonferenz. In dieser müssten die nationalen Parlamente und das EP vertreten
sein. Er hoffe, dass das Ergebnis ein Vertrag für den Frieden sei. Er begrüßte die Initiativen
für die Ankurbelung der Wirtschaft. Allerdings müssten die Ausgaben mit dem Stabilitätspakt vereinbar
sein. Er unterstütze die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, es dürfe jedoch nicht die falsche
Hoffnung auf eine zukünftige Mitgliedschaft der EU geweckt werden. Auch die Vorschläge für die transatlantischen
Beziehungen und die Beziehungen zu Lateinamerika seien gut. Wenn jedoch unterschiedliche Interessen bestünden,
wie beim Internationalen Strafgerichtshof, müsse die EU diese verteidigen. Im Rahmen der Reform der Agrarpolitik
müsse die EU ihre Märkte für die Entwicklungsländer öffnen. Er hoffe, dass die italienische
Ratspräsidentschaft den Erfolg der Griechen, die Kompromiss und Einigung gesucht hätten, fortführen
werde.
Francis WURTZ (KVEL/NGL, F) erklärte, viele der Anwesenden liebten Italien. Hierbei handele es sich
um das schöne und rebellische Italien, welches sich beispielsweise in Genua und beim Sozialforum in Florenz
gezeigt habe. Ein Europa, das von Ethik und Gleichheit vor dem Recht ausgehe und bei dem der Mensch vor dem Markt
stehe. Ein Europa, das sich von der amerikanischen Weltherrschaft abgewandt habe. Dieses Europa finde er jedoch
heute nicht wieder. Berlusconis habe ein Pharaonenprojekt für die Infrastruktur vorgestellt. Die Sozialschutzerrungenschaften
sollten abgebaut werden. Im Bereich der Einwanderung und des Asyls sei es erschreckend, wie die sensible Debatte
durch barbarische Äußerungen vergiftet würde. Man müsse in den nächsten sechs Monaten
wachsam sein. Der Verfassungsprozess habe nur Sinn, wenn hierbei die Werte der EU wie die Menschenwürde, Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte beachtet würden.
Laut Monica FRASSONI (GRÜNE/EFA, B) reicht ständige Entrüstung gegen die "italienischen
Anomalien", wie Medienkonzentration, nicht aus. Die Kommission dürfe nicht zögerlich sein, müsse
ihrer Rolle als Hüterin der Verträge gerecht werden und den Medienpluralismus durchsetzen. Sie begrüßte
die Kreativität italienischer Minister in Fragen des Verkehrsausbaus und der Investitionsbank. Leider stehe
die Umweltverträglichkeit der Baumaßnahmen häufig im Widerspruch zum Umweltschutz. Sie fragte nach
dem Sinn eines fünfzehnjährigen Tunnelbaus, wenn dieser asbestverseucht sei. Hier wäre es besser,
die alten Straßen kostengünstig und umweltbewusst auszubauen. Die Gemeinschaft dürfe keine "Pharaonenprojekte"
fördern, sondern müsste reale Projekte mit Bürgerbeteiligung unterstützen.
Sie wies auf italienische Defizite in Umweltbelangen hin. Italien habe nach Spanien die meisten Verstöße
gegen Umweltrecht zu verzeichnen. Elf Millionen Tonnen Abfälle verschwänden jährlich in Italien
auf ungeklärte Weise und die Öko-Mafia mache einen Umsatz von 2,6 Mrd. € jährlich. Italien beabsichtige,
dass Umweltverstöße in Italien nicht mehr geahndet werden. Die Gemeinschaft müsse berücksichtigen,
dass schwerfällige Verstoßverfahren hier nicht mehr greifen. Abschließend forderte sie Berlusconi
auf, seine Freundschaft zum amerikanischen Präsidenten zu nutzen, um beim Internationalen Strafgerichtshof
zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Auch solle er seine Beziehungen zum russischen Präsidenten
nutzen, um für Tschetschenien und das Kioto-Protokoll zu einem guten Ergebnis zu gelangen.
Cristiana MUSCARDINI (UEN, I) wünschte, dass die EU ein stärkeres Gewicht in der Welt bekommt.
Sie brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Regierungskonferenz die "europäischen Wurzeln"
berücksichtigen werde, die Institutionen kohärent gestalte sowie Sprachen und Tradition hinreichend beachte.
Ferner erwartete sie, dass bei der Mittelmeerpolitik, der Bekämpfung illegaler Zuwanderung, dem Kampf gegen
Terror und der Bewahrung von Kultur und Traditionen Fortschritte erreicht würden. Energiepolitik, Umweltschutz,
Finanzierung der Forschung durch die Gemeinschaft und Verteidigung der Produktqualität gelte es ebenfalls
voranzubringen. Die EU solle ihre Werte in den Bereichen von Frieden und Lebensqualität sowie einem würdevollen
Leben auch auf andere Staaten übertragen. Abschließend verlangte sie einen verstärkten Kampf gegen
Pädophilie sowie Waffen- und Menschenhandel. Sie brachte zum Ausdruck, dass sie es dem italienischen Ratsvorsitz
zutraue, diese Ziele zu verwirklichen.
Jens-Peter BONDE (EDU, DK) nahm Bezug auf die Regierungskonferenz und verlangte Transparenz und Bürgernähe.
Die Unionsbürger müssten wissen, was unterschrieben werde, um keine Widersprüche zu den Verträgen
entstehen zu lassen. So fragte er sich, ob das dänische Ferienhausprotokoll nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht
stehe. Kann ein Protokoll den Vertrag aushebeln und ist somit das dänische Grundgesetz womöglich illegal?
Dies seien Fragen, die man vor der Regierungskonferenz klären müsse und nicht hinterher.
Weitere deutschsprachige Abgeordnete:
Hannes SWOBODA (SPE, A) sagte: "Wir können und wollen nicht die inneritalienische Opposition
ersetzen." Ein Problem sei das Widersprüchliche in einigen Äußerungen, insbesondere in der
Außenpolitik. Berlusconi bekunde den Wunsch nach einem starken Europa, zeige jedoch Unterwürfigkeit
gegenüber den USA. Es sei eine Einwirkung auf beide Seiten des Nahost-Konflikts nötig. Leider sei in
den letzten Monaten der Eindruck entstanden, dass persönliche Interessen Berlusconis sich mit nationalen Interessen
mischen. Dies sei problematisch.
Martin SCHULZ (SPE, D) sagte zu Poettering, dieser habe ausführlich die Kompetenz der italienischen
Ratsbank gelobt. Einen habe er dabei freilich vergessen, nämlich Umberto Bossi, der als Chef der Lega Nord
mit am Kabinettstisch sitze. "Die kleinste Äußerung, die dieser Mann macht, ist schlimmer als das,
was die österreichische FPÖ von sich gibt." Berlusconi müsse einschreiten, denn "die Äußerungen
von Bossi sind in keinster Weise mit der Grundrechtecharta der EU vereinbar."
Es herrsche im EP teilweise die Haltung vor, man dürfe Berlusconi nur nicht wegen Italien kritisieren. "Ist
Italien nicht Teil der EU?", fragte Schulz und wies auf den Zusammenhang von italienischer Innenpolitik und
den Vorhaben des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hin: europäische Staatsanwaltschaft, europäischer
Haftbefehl, gegenseitige Anerkennung von Dokumenten in Strafverfahren. Hier sei die italienische Rechtslage ein
Hindernis.
Wenn die ehemalige Präsidentin Nicole Fontaine es nicht geschafft hätte, das Immunitätsverfahren
so lange zu verzögern, dann hätte Berlusconi jetzt keine Immunität mehr.
Robert GOEBBELS (SPE, L) bezeichnete die wirtschaftlichen Vorstellungen der italienischen Ratspräsidentschaft
als verwirrend. Die Strategie bestünde aus Vorschlägen, die gleichzeitig wieder verworfen würden.
So fordere man beim Stabilitätspakt einerseits seine Stärkung und andererseits Flexibilität bei
der Anwendung. Auch in der Rentenpolitik fehle es an Kohärenz. "Der Bürger weiß, wie viel
er zahlen muss, aber er weiß nicht, wie viel ihm zusteht." Die SPE-Fraktion werde keine schwache Rentenpolitik
zulassen, auch nicht im Bereich der Privatrenten. Abschließend stellte er fest er, dass es keine Stabilität
ohne Wachstum gebe, aber auch kein Wachstum ohne Stabilität.
Dagmar ROTH-BEHRENDT (SPE, D) bracht ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, dass das Programm der italienischen
Präsidentschaft nur im Internet vorhanden war und auch nur in englischer und italienischer Sprache. Umweltpolitik
käme darin praktisch nicht vor, und die wenigen Zeilen hätten man auch aus einer "Tageszeitung abschreiben"
können. Sie mahnte den Ratspräsidenten, dass entsprechend Lissabon Umweltpolitik in alle Bereiche einzubeziehen
sei. Sie wollte wissen, ob es in Italien einen Entwurf gebe zu dem Thema "Umwelt als Chance" und weiterhin
verlangte sie Auskunft über Italiens Absicht, die gemeinsame Umweltpolitik zurückzufahren. Ebenfalls
erhoffe sie sich Auskunft über den Stand strafrechtlicher Verfolgung von Umweltsündern in Italien.
Georg JARZEMBOWSKI (EVP-ED, D) drängte darauf, die Verkehrspolitik durchzusetzen, zumal auch Italien
hieran ein Interesse haben müsse. Für den Eisenbahnsektor bot er an, im Rahmen der zweiten Lesung ein
vorgezogenes Vermittlungsverfahren einzuleiten, um zu einem guten Ergebnis bei der Stärkung des Schienenverkehrs
zu gelangen. Auch bei der Öffnung der Seehäfen forderte er Berlusconi auf, das Vermittlungsverfahren
ernsthaft zu betreiben.
Vertreter des Rates:
Der Vertreter der italienischen Ratspräsidentschaft, Ministerpräsident Silvio BERLUSCONI, ist
überzeugt, dass ein großes Europa der Zukunft auf Augenhöhe mit den USA stehen müsse. Seine
eigene Meinung hierzu sei, dass dies ein großes Europa sein muss, welches unter anderem Weißrussland,
Moldawien und Israel einschließt, ebenso wie ihre militärische Schlagkraft. Als Ratspräsident werde
er sich jedoch an die vorherrschende Meinung im Rat halten. Er sehe keine andere Möglichkeit der Unterstützung
der Wirtschaft als durch öffentliche Maßnahmen. Auf Grund der Maastricht-Parameter gehe dies nicht durch
nationale Maßnahmen. Es bleibe der EU überlassen, die Wirtschaftskapazität zu entwickeln. Die Europäische
Investitionsbank solle Mittel aus dem Privatmarkt auftreiben, um die europäische Wirtschaft zu beleben.
Zur angesprochenen Gefahr, dass "Herr Berlusconi, der Gesetze für bestimmte Fälle erlässt",
diese Handlungsweise auch auf die EU ausweitet, meinte er, dass die Beschränkung der italienischen Regierung
auf die angesprochenen drei Gesetzesänderungen nicht in Ordnung sei. Seine Regierung habe 350 Gesetze entworfen
und bereits 200 umgesetzt. Italien sei auch nicht wirklichkeitsfremd und keine Karikatur seiner selbst. In Antwort
auf die Äußerungen von Martin Schulz sagte er, dass ein italienischer Regisseur momentan einen Film
über Konzentrationslager drehe. Er schlage Martin Schulz vor, die Rolle des "Capo" zu übernehmen
(später sagte er, dies sei ironisch gemeint gewesen). Er wies den Vorwurf, er unterwerfe sich den USA, zurück.
Die EU sei einer der Protagonisten in der Welt. Sie müsse in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen
und mehr Militärinvestitionen tätigen. Zum angesprochenen Interessenkonflikt sagte er, dass die Fernsehkanäle,
die noch zu seinem Konzern gehörten, zu seinen schärfsten Kritikern zählten. Zur Zuwanderung meinte
er, dass Italien ein christliches Land sei, das sich den Ländern gegenüber öffne. Dies dürfe
nicht mit der neuen Form des modernen Sklavenhandels verwechselt werden, die bekämpft werden müsse. Die
Umwelt sei eines der wichtigsten Anliegen für ihn. Es zähle, was der Mensch tut und nicht nur, was er
sage. Die italienische Ratspräsidentschaft werde sich für die anstehenden Aufgaben einsetzen.
Vertreter der Kommission:
Kommissionspräsident Romano PRODI hob hervor, dass die Aussprache das Maß der Schwierigkeiten
aufgezeigt habe. Wichtigstes Ziel bleibe die Regierungskonferenz und die Schaffung einer Verfassung, die die Werte
und Regeln Europas bestimmt. Er setze sich für eine Kontinuität in der Zusammenarbeit mit der Ratspräsidentschaft
ein und wolle im Einzelnen folgende Ziele vorantreiben: Ankurbeln der Wirtschaft, Normalisierung der Beziehungen
mit der USA, Vorantreiben des Beitritts der Balkanstaaten, Aufbau freundschaftlicher Beziehungen zu EU-Nachbarstaaten
und Regeln für Zuwanderer und deren Rechte. Er hob hervor, dass der Respekt vor den Verträgen garantiert
sei und die Bezugnahme auf Lissabon nicht fehlen dürfe. Es werde daher kein Absenken sozialer Errungenschaften
geben, die Infrastrukturen würden nach Kosten-Nutzen-Analyse festgelegt und das humanitäre Engagement
der Gemeinschaft werde fortgeführt, schloss Prodi. |