Opposition mahnt bessere Vorbereitung Österreichs ein
Wien (pk) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats setzte am Dienstag (01. 07.) einen ersten Schritt zur Ratifizierung des Beitrittsvertrags zwischen der
EU und den zehn neuen EU-Ländern durch das österreichische Parlament. Die Abgeordneten stimmten einhellig
einem von der Regierung vorgelegten Bundesverfassungsgesetz zu, dass die verfassungsrechtliche Grundlage für
die eigentliche Vertrags-Ratifizierung bildet. Es ermächtigt die Bundesregierung, den Vertrag abzuschließen,
gleichzeitig wird festgehalten, dass zur Ratifikation eine Genehmigung des Nationalrates mit Zweidrittelmehrheit
erforderlich ist. Überdies bedarf der Vertrag der Zustimmung des Bundesrates - ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit.
Der Beitrittsvertrag sieht einen EU-Beitritt Tschechiens, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas,
Polens, Sloweniens und der Slowakei mit 1. Mai 2004 vor. Bis dahin müssen die Ratifikationsverfahren in allen
EU-Ländern, dem Europäischen Parlament und in den Beitrittsländern abgeschlossen sein. In Österreich
könnten, wenn das vom Verfassungsausschuss gebilligte Ermächtigungsgesetz noch vor dem Sommer vom Nationalrat
und vom Bundesrat genehmigt wird, die parlamentarischen Beratungen über den Beitrittsvertrag im Herbst beginnen.
Die Abgeordneten waren sich in der Debatte einig, die Ratifizierung des Beitrittsvertrags möglichst rasch
vornehmen zu wollen. So meinte SP-Abgeordneter Peter Schieder, es sei wichtig, dass Österreich rasch ein Zeichen
setze und zu jenen Ländern gehöre, die am Anfang ja zur Erweiterung sagen, eine Aussage, die auch von
Ausschussvorsitzendem Peter Wittmann (S) und Staatssekretär Franz Morak (V) geteilt wurde. "Wir
sind gut beraten, hier schnell und entschlossen ja zu sagen", bekräftigte Morak. Zweiter Nationalratspräsident
Heinz Fischer (S) stellte die Ratifizierung des Beitrittsvertrags durch den Nationalrat bis Mitte November
in Aussicht und unterstrich, Österreich habe den Ehrgeiz, "nicht zu den Letzten zu zählen".
Auch FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner signalisierte Zustimmung zur EU-Erweiterung und wertete diese
als "wichtiges Friedensprojekt". Er betonte, die FPÖ sei der Erweiterung nie ablehnend gegenüber
gestanden, habe aber stets die notwendigen Rahmenbedingungen eingemahnt. Seitens der Grünen äußerte
sich Abgeordnete Eva Glawischnig (G) positiv zur EU-Erweiterung. Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) bezeichnete
die Erweiterung als historische Chance der EU und unterstrich, die ÖVP habe immer dafür gekämpft.
SPÖ-Abgeordneter Schieder sprach sich auch dafür aus, in weiterer Zukunft nicht nur Kroatien,
sondern auch andere osteuropäische Länder in ihren Bestrebungen, der EU beizutreten, zu unterstützen.
Er warnte zudem davor, die Türkei von Vornherein von einem EU-Beitritt auszuschließen.
Unterschiedlicher Meinung zeigten sich die Abgeordneten in der Frage, ob sich Österreich optimal auf die EU-Erweiterung
vorbereitet hat. Vor allem seitens der SPÖ gab es kritische Stellungnahmen. Ausschussvorsitzender Peter Wittmann
bezeichnete es etwa als "großen Wermutstropfen", dass die Regierung keine ausreichenden Maßnahmen
zur Umsetzung eines am Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Entschließungsantrags des Nationalrates
gesetzt habe. Weder seien zusätzliche Mittel für notwendige Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung
gestellt, noch Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit initiiert worden. Auch bei der Unterzeichnung
eines Transitvertrages gebe es keine Lösung. Auch Abgeordneter Schieder und Zweiter Nationalratspräsident
Fischer sehen hinsichtlich der Umsetzung der vom Nationalrat geäußerten Wünsche noch Diskussionsbedarf.
Abgeordneter Peter Marizzi (S) rechnete vor, dass der Verkehr in der Ostregion Österreichs durch die
EU-Erweiterung um 70 % zunehmen werde und fragte sich, warum sich die Regierung nicht bereit erklärt habe,
sich bei einem Verlade-Terminal in Sopron zu beteiligen, durch den Tausende LKW von der Straße auf die Schiene
gebracht werden könnten. Er äußerte zudem die Befürchtung, dass junge Leute durch mobile Arbeitnehmer
aus den neuen EU-Ländern zu Verlierern der EU-Erweiterung werden könnten.
Seitens der ÖVP wurde dem gegenüber auf einen vom Bundeskanzleramt vorgelegten Zwischenbericht verwiesen,
der laut Abgeordneter Baumgartner-Gabitzer auch noch ergänzt wird. Staatssekretär Franz Morak
verwies auf den erarbeiteten Generalsverkehrsplan und andere Maßnahmen im Verkehrsbereich. Hinsichtlich des
Transitvertrages zeigte er sich zuversichtlich, dass noch eine Lösung gefunden werden kann, und meinte, die
Bemühungen Österreichs seien nicht erfolglos geblieben. Für ihn ist es aber klar, dass Österreich
aufgrund seiner Lage im Zentrum der EU ein Verkehrsknotenpunkt ist.
FPÖ-Klubobmann Scheibner wies darauf hin, dass in Bezug auf die Öffnung des Arbeitsmarktes Übergangsfristen
vereinbart worden seien, und begrüßte dies ausdrücklich. Was die Atomkraft betrifft, muss Österreich
seiner Meinung nach weiter darauf drängen, dass der so genannte Melker Prozess umgesetzt wird. Langfristiges
Ziel müsse weiter ein atomfreies Europa bzw. Mitteleuropa sein, erklärte er.
Bei den Benes-Dekreten ortet Scheibner eine positive Entwicklung. Die Erklärung Tschechiens reicht ihm zufolge
aber nicht aus, um einen Schlussstrich unter die Debatte zu setzen. Es gebe aber "einen ersten Hoffnungsschimmer".
Hinsichtlich des Transitverkehrs sieht er die Notwendigkeit, nicht nur eine Lösung für den Nord-Süd-Transit,
sondern auch eine für den Ost-West-Transit zu finden. In Zweifel stellte der FPÖ-Klubobmann, ob die EU
ausreichend auf die Erweiterung vorbereitet ist, auch wenn der EU-Konvent einige positive Ergebnisse gebracht habe.
Abgeordnete Eva Glawischnig (G) erachtet Initiativen der Regierung für wichtig, um in den Grenzregionen
ein positiveres Bewusstsein für die EU-Erweiterung zu schaffen. |