Türkei beweist, dass Demokratie und Islam vereinbar sind
Wien (sk) - "Ich bin dafür, dass die Türkei Mitglied der EU wird, wenn sie ihr Verhältnis
zu ihren Nachbarn klärt, innere Probleme lösen kann und Europa stark genug für die Türkei ist.
Dies ist aber nicht auf ein Datum festzulegen", stellte der Leiter der SPÖ-Delegation der EU-Abgeordneten,
Hannes Swoboda, im Rahmen der "Montagsgespräche" der Tageszeitung Standard und des ORF-Landesstudio
Wiens zum Thema "Türkei - ein neues Mitglied für die EU?" klar. Weitere Diskussionsteilnehmer
waren: Mesut Yilmaz, ehemaliger türkischer Ministerpräsident, Vorstandsmitglied des Institute for European
Affairs (INEA), Sabine Kroissenbrunner, Politologin und Ass.Prof. Gabriele Rasuly-Paleczek vom Institut für
Völkerkunde.
Als "absolut unverträglich" bezeichnete Swoboda das Argument, die Türkei könne aus religiösen
Gründen nicht in die EU integriert werden. Dies bedeute unter anderem auch eine Zurückweisung für
die vielen MigrantInnen innerhalb der EU, so Swoboda. "Die Türkei erprobt etwas, das für uns alle
sehr wichtig ist, nämlich den Versuch, ein Land zu entwickeln das muslimisch und laizistisch ist", unterstrich
Swoboda. Die Türkei beweise, dass Islam und Demokratie vereinbar sind, dies sei einer der größten
Pluspunkte, der von der EU jedoch unterschätzt würde, unterstrich Swoboda. Heftige Kritik übte Swoboda
jedoch an der Tatsache, dass das Militär derzeit der einzige Garant für den Laizismus sei.
Die Türkei müsse ihre innerpolitischen Probleme, wie die Kurdenproblematik, lösen, unterstrich Swoboda.
Auch die Beziehungen zu Armenien müssen von der Türkei geregelt werden, die Türkei muss hier selbst
Initiative ergreifen, betonte Swoboda. Er anerkenne die Fortschritte, die bereits sichtbar seien. So habe er bei
seinen Besuchen in türkischen Hochsicherheitsgefängnissen keinerlei Spuren von Folter gefunden. Dringender
Handlungsbedarf bestehe allerdings bei der türkischen Polizei, bei der Folter noch immer Praxis sei, betonte
Swoboda.
Außerdem sei vom heutigen Standpunkt aus betrachtet nicht klar, ob die EU stark genug ist, ein so großes
Land wie die Türkei zu verkraften, sagte Swoboda. "Die EU muss durch einen Beitritt der Türkei stärker
werden", so Swoboda und verwies in diesem Zusammenhang auf das Verhältnis zwischen Türkei und USA.
So habe die USA immer zu einem Beitritt der Türkei in die EU gedrängt, jedoch mit dem Ziel, die EU zu
schwächen.
"Ich halte es für verfehlt zu sagen, dass die Türkei wegen religiösen und politischen Gründen
kein EU-Mitglied werden kann, politische Verhältnisse sind veränderbar", stellte Swoboda klar. Als
großen Fortschritt erachte er den Beschluss des sechsten Reformpakets und das im Entstehen begriffene siebte
Reformpaket, unterstrich aber, dass "die Aufnahme in die EU für die Türkei notwendige Reformen nicht
ersetzen kann, diese müsse die Türkei selbst durchführen". "Seit 1996 hat es viele wesentlichen
und positiven Veränderungen gegeben, ich wünsche mir, dass dies auch zukünftig so ist", schloss
Swoboda. |