Umweltdachverband zeigt Defizite des Fledermausschutzes in der Alpinen Region auf
Wien (uwd) - "Es ist wirklich eine Schande, wie nachlässig manche Bundesländer vom
Aussterben bedrohte Tierarten behandeln - die Fledermäuse sind offenbar besonders ungeliebte Stiefkinder",
ist Dr. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, empört. Zurecht, hat doch Österreich
im Rahmen des für die Alpine Region durchgeführten Gebietsmeldeverfahrens für das europaweite Naturschutznetzwerk
Natura 2000 kaum eines der potentiellen Fledermausgebiete nominiert. Und das, obwohl eine Vielzahl österreichischer
Gebiete auf Grund ihrer Populationsgröße und -dichte hervorragend für dieses Schutzgebietssystem
geeignet wäre.
Bundesländer verletzen Europarecht
"Das ist ein klarer Verstoß gegen die Schutzverpflichtungen, die in der EG-Richtlinie definiert
sind. Die Argumentation der Bundesländer, bloße Artenschutzprogramme seien für Fledermäuse
ausreichend, ist richtlinienwidrig. Einzig eine Natura 2000-Nominierung der potentiellen Fledermausgebiete und
ein umfassender Gebietsschutz entspricht den die Bundesländer bindenden Vorgaben der FFH-Richtlinie",
so Andreas Tschugguel, Sprecher des Kuratorium Wald.
"Wir haben bereits im Vorjahr mehrfach bei den Bundesländern urgiert, Nachnominierungslisten vorgelegt
und mit Nachdruck auf die Defizite hingewiesen. Die Bundesländer beharren jedoch auf der schon erwähnten
Argumentation, die aber nach einem Rechtsgutachten nicht richtlinienkonform ist. Im April 2002 hat uns sogar EU-Kommissarin
Margot Wallström persönlich ihre Unterstützung in dieser Sache zugesagt - die Bundesländer
stellten sich jedoch taub", so Heilingbrunner.
Hotspots der Naturschutzlücken in den Bundesländern - nur die Spitze des Eisberges! Deshalb
legt der Umweltdachverband heute eine Karte auf den Tisch, die die Nachlässigkeit der Bundesländer, wenn
es um den Schutz der Fledermäuse geht, klar und deutlich zeigt. Die Sündenfälle in Sachen Fledermausschutz
in der Alpinen Region ziehen sich von West nach Ost, sieben Bundesländer sind betroffen. "Das ist jedoch
nur die Spitze des Eisberges - das sind nur die Hotspots des europarechtswidrigen Verhaltens Österreichs",
wettert Heilingbrunner:
o Steiermark: Mittelsteirischer Karst
o Kärnten: Karawanken
o Tirol: Unteres Inntal
o Vorarlberg: Bregenzer Wald
o Salzburg: Oberes Salzachtal
o Oberösterreich: Teile der Ennstaler Flysch- und Kalkvoralpen
o Niederösterreich: Teile der Buckligen Welt
Fest steht, dass der Umweltdachverband jetzt zu härteren Mitteln greifen muss."Da auch unsere schriftlichen
Anträge auf Nachnominierung nichts gefruchtet haben, haben wir die erste Klage bereits eingereicht - und zwar
gegen die Steiermark", sagt Heilingbrunner. Fest steht auch, dass diese erste Klage exemplarisch für
die weitere Vorgangsweise ist.
Sündenfall Mittelsteirischer Karst: Klage läuft bereits!
Dass für den Fledermausschutz bedeutende Höhlen des Mittelsteirischen Karstes noch immer nicht als Natura
2000-Gebiete nach der FFH-Richtlinie ausgewiesen wurden, ist ein veritabler Naturschutz-Skandal. Die Steiermärkische
Landesregierung hat zwar die Höhlen der Peggauer Wand und der Raabklamm als Natura 2000-Gebiete nominiert,
nicht jedoch die für die Flatterer noch wesentlich wichtigeren der Weizklamm und des Lurgrotte-Badlhöhlensystems.
"Für viele Fledermausarten, die nach der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie geschützt sind, stellen diese
Höhlen ein Hauptüberwinterungsgebiet von gesamtösterreichischer Bedeutung dar", sagt die Säugetierexpertin
Dr. Friederike Spitzenberger. Das Versäumnis der Steiermärkischen Landesregierung könnte für
die vom Aussterben bedrohten Jäger der Nacht tödliche Folgen haben. Denn in diesen Höhlensystemen
überwintern jeweils ein Drittel des heimischen Gesamtbestandes der Großen und Kleinen Hufeisennase und
15 % der österreichischen Population der Mopsfledermaus. "Bis in die 90er Jahre gab es hier die letzten
Wintervorkommen des Kleinen Mausohrs und die Lurgrotte ist überhaupt eine der letzten drei heimischen Höhlen,
die der Langflügelfledermaus Schutz bieten", so Spitzenberger.
Große Hufeisennase: Alarmglocken läuten Sturm!
Wie dramatisch die Situation für die Große Hufeisennase bereits ist, hat die engagierte Wissenschafterin
in persönlicher Recherchearbeit mitansehen müssen. "Werden jetzt nicht sofort strengste Schutzmaßnahmen
ergriffen, ist es für die Große Hufeisennase endgültig zu spät", schlägt Spitzenberger
Alarm - und bangt zurecht um ihre "Schützlinge". Denn die Population der von den Fachleuten "Rhinolophus
ferrumequinum" genannten Fledermaus ist in den letzten 15 Jahren eklatant zurückgegangen. "Bei einer
ersten Bestandserfassung in den Jahren 1985 bis 1989 fanden wir in Kärnten noch 13 Vorkommen mit insgesamt
63 Großen Hufeisennasen, bei der Kontrolle letztes Jahr waren 12 Quartiere verwaist und nur in einem konnte
ein einziges Tier, offenbar die letzte Kärntner Hufeisennase, geortet werden", stellt Spitzenberger fest.
Ähnlich bestürzend ist die Situation in der Steiermark: Dort schrumpfte die Quartierzahl der ortstreuen
insektenfressenden Flugkünstler innerhalb der letzten sieben Jahre von 12 auf 5 - die Population von 63 auf
nur mehr 21 Tiere!
Fazit: Die Alarmglocken läuten bereits Sturm, wenn es um das Überleben der Großen Hufeisennase
geht. Dennoch: "Kaum eines der von den ExpertInnen ausgewiesenen und für die Tiere überlebenswichtigen
Natura 2000-Fledermausgebiete wurde bis jetzt auch wirklich nominiert und unter Schutz gestellt", sagt Spitzenberger.
Passiert nicht rasch etwas, wird eines der deklarierten Hauptziele der Natura 2000-Richtlinie, die Erhaltung der
europäischen Artenvielfalt, verfehlt, und vor allem die Große Hufeisennase für immer verloren sein!
Nachnominierungsbedarf auch in der Kontinentalen Region
Während sich die Lage der kleinen "Könige der Nacht" in der Alpinen Region bereits dramatisch
zugespitzt hat - Ende des Jahres soll die Gemeinschaftsliste der Alpinen Region beschlossen werden - können
die Bundesländer in der Kontinentalen Region noch freiwillig der EU-Richtlinie entsprechen. "Die Betonung
liegt dabei auf dem Wörtchen noch", so Heilingbrunner. Denn auch in der Kontinentalen Region läuft
die Nominierungsfrist für Natura 2000-Gebiete im Herbst 2003 ab. "Auch in diesem Fall haben wir den Nachnominierungsbedarf
rechtzeitig den betroffenen Bundesländern übermittelt und auf die jeweiligen Versäumnisse aufmerksam
gemacht. Zu fürchten ist, dass der bisherige Umgang mit den Fledermäusen in der Kontinentalen Region
wiederholt wird", sagt Heilingbrunner. Der Umweltdachverband wird alles tun, dass die Lücken in Österreichs
Beitrag zum Europaschutzprogramm Natura 2000 zumindest hinsichtlich der Kontinentalen Region von den Bundesländern
mit mehr Ehrgeiz, größerem Engagement und rascherem Handeln geschlossen werden - denn im Sommer 2004
soll auch diese Gemeinschaftsliste schon zum Beschluss gelangen! |