Wiener Chemiker optimieren Knochenanalyse auf 7.000 Jahre altem Schlachtfeld
Wien (alphagalileo) - Freund und Feind auf Schlachtfeldern der Neusteinzeit zu unterscheiden, ist
durch die präzise Bestimmung des Elements Strontium im Knochenmaterial möglich. Einem Forscherteam der
Universität für Bodenkultur in Wien gelang es nun mit dieser anspruchsvollen Methode, Skelettfunde genau
zu analysieren. Damit ermöglicht das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte interdisziplinäre Projekt
die faszinierende Rekonstruktion prähistorischer Ereignisse.
Strontium (Sr) ist ein chemisches Element, das über den Stoffwechsel in Knochen und Zahnschmelz eingelagert
wird. In der Natur kommt Sr in verschiedenen Formen (Isotopen) vor, die sich durch die Anzahl der Teilchen im Atomkern
unterscheiden. Für die Charakterisierung von Knochenmaterial sind die Isotope 87Sr und 86Sr von Bedeutung.
Deren Verhältnis zueinander unterscheidet und ändert sich in Abhängigkeit von den geologischen Gegebenheiten.
Da Sr in den Knochen kontinuierlich mit dem über die Nahrung gelieferten Sr ausgetauscht wird, spiegelt das
Isotopen-Verhältnis im Knochenmaterial jenes der jeweiligen Umgebung wider. Aus diesem Grund kann die Bestimmung
des Sr-Isotopen-Verhältnisses im Knochen Auskunft geben, aus welchem Gebiet ein Mensch stammte. Doch die genaue
Bestimmung ist eine technische Herausforderung. Dem Team des Instituts für Chemie an der Universität
für Bodenkultur in Wien um Prof. Thomas Prohaska gelang diese Analyse nun mit bisher unerreichter Genauigkeit.
Wie dabei das entscheidende Problem der Trennung des Sr vom chemisch sehr ähnlichen Rubidium gelöst wurde,
erläutert Prof. Prohaska wie folgt: "Rubidium zerfällt auf natürliche Weise in 87Sr. Um das
87Sr präzise zu bestimmen, müssen wir daher Sr von Rubidium trennen. Mittels eines chromatographischen
Verfahrens - der HPLC - konnten wir diese Trennung erzielen. Entscheidend ist dabei auch, dass wir die so gereinigte
Probe direkt an das Analysegerät für das Sr - ein Plasma-Massenspektrometer - weiterleiten."
Bewährungsprobe im Feld
Der wissenschaftliche Wert dieser Methode konnte in Kooperation mit dem Team um Prof. Maria Teschler-Nicola
vom Naturhistorischen Museum Wien an einer Grabungsstätte in Asparn/Niederösterreich belegt werden. Hier
wurden mehr als 100 menschliche Skelette auf engstem Raum in einem Dorf aus der Neusteinzeit gefunden. Den ArchäologInnen
stellte sich die Frage, was dort vor 7.000 Jahren vorgefallen war.
Zur Klärung der Frage, ob eine kriegerische Auseinandersetzung stattgefunden hatte, konnte die traditionelle
Methode der Anthropologie nicht angewendet werden. Diese beruht auf dem Vergleich morphologischer Merkmale und
setzt einen guten Erhaltungszustand der Skelette voraus. Erst die Ergänzung anthropologischer Forschungsergebnisse
mit der Bestimmung des Sr-Isotopen-Verhältnisses erlaubte die Identifizierung einer Gruppe von Skeletten als
eindeutig von Eindringlingen besiegte Siedler.
Zusatzinformation aus dem Zahn
Im Rahmen eines weiteren FWF-Projekts wird die Methode von Prof. Prohaska noch verfeinert. Ziel dieser
Arbeit ist es, das Wanderverhalten von Einzelpersonen bestimmen zu können. Dazu wird das Sr-Isotopen-Verhältnis
in den Knochen mit dem in den Kauzähnen verglichen. Anders als in den Knochen wird das Sr im Zahnschmelz nach
dem vierten Lebensjahr nicht mehr ausgetauscht, und so bleibt das Isotopen-Verhältnis identisch mit dem am
Lebensort des Kindes. Ein unterschiedliches Verhältnis in Knochen und Zahn ist damit ein Beleg für eine
nach dem vierten Lebensjahr erfolgte Wanderbewegung.
Dieses vom FWF bereits über mehrere Jahre geförderte Forschungsprojekt verbindet in beeindruckender Weise
Analytische Chemie, Archäologie und Anthropologie. Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse demonstrieren
überzeugend den Wert multi-disziplinarer Forschung. |