Besucherrekord und Kontroversen bei der fünften Ökumenischen
Sommerakademie im oberösterreichischen Stift Kremsmünster
Kremsmünster (epd ö) - Spielt sich der Glaube im Gehirn ab? Kann man religiöse Erlebnisse
hervorrufen, wenn man bestimmte Hirnregionen reizt? Und wenn ja, welche Bedeutung haben dann noch Begriffe wie
Seele oder Gott?
Mit diesen und anderen Fragen beschäftigte sich die fünfte Ökumenische Sommerakademie im oberösterreichischen
Benediktinerstift Kremsmünster. Sie fand von 9. bis 11. Juli unter dem Titel "Seele, wo bist Du - Hirnforschung
und Menschenbild" statt.
Der oberösterreichische Superintendent Hansjörg Eichmeyer hob in seiner Grußbotschaft hervor, dass
der Begriff Seele in fast allen Völkern und Sprachen anzutreffen sei. An vielen Stellen in der Bibel könne
man für den Begriff "Seele" einfach das Pronomen "ich" verwenden, sodass sich zur Frage
nach dem Wesen der Seele die Frage nach der eigenen Identität, die Frage "wer bin ich" geselle.
Der Linzer Diözesanbischof Maximilian Aichern erklärte in seiner Begrüßung, das Thema Glaube
und Hirnforschung, das interdisziplinäre Gespräch von Theologen und Naturwissenschaftern, sei fundamental,
positiv. "Wissenschaft und Seelsorge können so noch besser ihre Aufgabe erfüllen, im Dienst des
Menschen - der Leib und Seele ist", erklärte Aichern.
Die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Oberin Christine Gleixner, betonte
am Beginn der Tagung, dass sich die Kirchen naturwissenschaftlichen Fragen nicht verschließen dürfen.
Die Erkenntnisse der Hirnforschung seien eine Herausforderung an Kirche und Gesellschaft, der man sich "ohne
Ängste oder Verdrängung" stellen müsse - frei nach dem Paulus-Wort: "Prüft alles
- und das Gute behaltet."
Einen Höhepunkt im Rahmen der Sommerakademie stellte auch heuer wieder die ökumenische Podiumsdiskussion
dar. Unter dem Motto "Seele wo bist du - eine Anfrage an die Seelsorge" diskutierten am vergangenen Freitag
Hermann Miklas, Superintendent der evangelischen Diözese Steiermark, Klaus Küng, Diözesanbischof
von Feldkirch und der orthodoxe Theologe Prof. Grigorios Larentzakis.
Miklas: Für eine ganzheitliche Sicht des Menschen
Zum Miteinander von Theologie und Naturwissenschaft sagte Hermann Miklas: "Wenn die Naturwissenschaft meint,
über den religiösen Bereich kann ich keine Aussagen treffen, dann ist das kein Problem. Aber es ist tragisch,
wenn die Naturwissenschaft sagt, den religiösen Bereich gibt es nicht". Außerdem warnte Miklas
vor einer verkürzten, nicht ganzheitlichen Sichtweise des Menschen: "Ein biologistisches Weltbild könnte
zu den Wirkungen führen, die wir seit 50 Jahren überwunden glauben. Mir fallen da die Gehirne des Doktor
Gross vom Spiegelgrund ein ..."
Larentzakis: Vieles bleibt wissenschaftlich unbeantwortet
Der Grazer griechisch-orthodoxe Theologe Prof. Grigorios Larentzakis würdigte bei der Podiumsdiskussion
die Leistungen der Naturwissenschaft; zugleich gelte es im Bewusstsein zu behalten, dass die Fähigkeiten des
Menschen beschränkt seien und vieles wissenschaftlich unbeantwortbar bleiben werde. Auch wenn religiöse
Empfindungen im Gehirn heute messbar seien, so wisse man deshalb nichts über ihren Ursprung und Sinnzusammenhang.
Widerspruch rief das Referat des Kölner Zoologen Prof. Wolfgang Walkowiak hervor. Er führte aus, dass
bestimmte Formen der Epilepsie genau jene Erlebnisse hervorrufen können, die von großen Mystikern und
Mystikerinnen beschrieben wurden. Der katholische Diözesanbischof von Feldkirch, Klaus Küng verwehrte
sich dagegen, jedes außerordentliche Phänomen der Mystik als pathologisch einzustufen. "Die Seele
ist nicht im Kopf. Sie ist das Lebensprinzip des ganzen Leibes und aller seiner Glieder", sagte Küng,
der auch ausgebildeter Arzt ist.
Die Sommerakademie zum Thema Hirnforschung verzeichnete heuer mit knapp 400 Interessierten einen Besucherrekord.
Im kommenden Jahr wird die Veranstaltungsreihe unter dem Titel "Glück, Gott, Gesundheit" fortgesetzt.
Veranstalter waren das ORF-Landesstudio Oberösterreich und die ORF-Hauptabteilung Religion im Hörfunk,
die Katholische Theologische Privatuniversität Linz, das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich, das
Stift Kremsmünster, das Land Oberösterreich, die "Kirchenzeitung der Diözese Linz" und
der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich.
Radio-Tipp: Die Sommerakademie steht auch im Mittelpunkt der Ö1-Sendung "Logos" am 23. und 30. August. |