Fischer:»Kein breites Maß an Konsens«
Wien (pk) - Nationalratspräsident Heinz Fischer verwahrte sich am Montag (14. 07.)
in einer Pressekonferenz gegen den Eindruck, dass es im vergangenen Jahr im Nationalrat ein breites Maß
an Konsens gegeben habe. Der hohe Prozentsatz an einstimmigen Gesetzesbeschlüssen resultiert seiner Auffassung
nach vor allem daraus, dass über das Budgetbegleitgesetz, das aus insgesamt 91 Bundesgesetzen bestand, nur
eine einzige Gesamt-Abstimmung durchgeführt worden ist. Fischer räumte aber ein, dass es "konsensuale
Elemente" in der vergangenen Tagung gegeben habe.
Kein Verständnis zeigte der Zweite Nationalratspräsident in Bezug auf den Umgang der Koalition mit den
Oppositionsvorwürfen gegenüber Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Er sprach von "unerklärlicher
Kontrollfurcht der Regierung bis hin zur Kontrollverweigerung" und gab zu bedenken, dass die SPÖ in der
Vergangenheit immer wieder der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zugestimmt habe, sei es im Zusammenhang
mit dem Konferenzzentrum oder dem AKH oder im Zusammenhang mit Waffenexporten. Wenn eine Sache problematisch erscheine,
dann solle sie in objektiver Weise untersucht werden, forderte Fischer. Seiner Ansicht nach hätte man sich
viel an Vorwürfen und Gegenvorwürfen ersparen und viel Druck aus der Sache herausnehmen können,
hätte sich die Koalition auf einen Untersuchungsausschuss eingelassen.
Ebenfalls kritisch äußerte sich Fischer zur Personal- und Besetzungspolitik der Regierung und erinnerte
daran, dass die SPÖ seinerzeit zugestimmt habe, einen Vertreter der Opposition zum Rechnungshof-Präsidenten
zu ernennen und die Volksanwaltschaft mit einem Vertreter der Regierungspartei und zwei Vertretern von Oppositionsparteien
zu beschicken. Auch habe Kreisky einen Oppositionspolitiker an die Spitze der Nationalbank gesetzt. Die Vorgangsweise
der jetzigen Regierung wertete Fischer als "nicht fair und langfristig nicht klug".
Was den Österreich-Konvent betrifft, sieht der Zweite Nationalratspräsident die Notwendigkeit, ein ausgewogenes
Gesamtresultat zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen hält er es, wie er sagte, für notwendig, sich
doppelt anzustrengen, da die Zusammensetzung des Konvents die Gefahr berge, dass sich Einzelninteressen, vor allem
regionale und institutionelle Interessen, "breit machen". Er wünsche sich aber sehr, unterstrich
Fischer mit Hinweis auf das dichte Arbeitsprogramm des Konvents, am Ende nicht sagen zu müssen, "hättest
was G'scheiteres gemacht". Besonders wichtig erscheint ihm der Abbau der Kompetenzzersplitterung, positiv
äußerte er sich außerdem über die Einsetzung eines Konvents-Ausschusses zum Thema Grundrechte.
Als "nicht sinnvoll" wertete es Fischer hingegen, in das Normengefüge einer Bundesverfassung "weltanschauliche
Bekenntnisse aller Art" zu implementieren.
Zur immer wieder geforderten Reform des Bundesrats merkte Fischer an, es wäre nicht unproblematisch, ein Gremium
zu konstruieren, das Beschlüsse des vom Volk gewählten Nationalrates beeinflussen oder blockieren könnte,
ohne selbst von der "obersten Autorität" einer Demokratie, den Bürgerinnen und den Bürgern,
legitimiert zu sein. In diesem Zusammenhang wies er auch darauf hin, dass der Bundesrat ein Organ der Bundesgesetzgebung
ist. Er gebe zu, dass das Problem schwer zu lösen sei, betonte Fischer, man dürfe die Souveränität
des Staatsbürgers aber nicht "ankratzen".
Danach gefragt, ob die SPÖ im Sommer eine Sondersitzung des Nationalrates beantragen werde, meinte Fischer,
eine Sondersitzung sei kein Selbstzweck und gehöre auch nicht "zum Pflichtprogramm der Opposition".
Wenn sich in den nächsten Wochen Dinge ereigneten, wo die SPÖ der Auffassung sei, hier sei ein parlamentarische
Debatte notwendig, dann werde es eine Sondersitzung geben, skizzierte er, einen entsprechenden "Vorratsbeschluss"
gebe es aber nicht.
Als wichtige Themen des Nationalrates für den Herbst nannte Fischer das Thema Pensionen und die Beschäftigungspolitik.
Zudem hofft er, dass das hohe Maß an Konsens hinsichtlich der EU-Erweiterung auch im Herbst aufrechterhalten
wird. |