Küng: Wissenschaft kann Gott weder beweisen noch ausschließen  

erstellt am
15. 07. 03

Feldkircher Bischof wandte sich bei Ökumenischer Sommerakademie in Kremsmünster gegen These, religiöse Gefühle könnten im Gehirn durch Drogen oder Krankheiten „erzeugt“ werden
Linz (diöezese) - Die Naturwissenschaften können Gott weder beweisen noch seine Existenz ausschließen: Das stellte der Feldkircher Diözesanbischof Klaus Küng am Freitag (11. 07.) bei einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Ökumenischen Sommerakademie in Kremsmünster klar. Unter dem Titel „Seele - wo bist Du?“ hatten sich Vertreter von Naturwissenschaft und Theologie drei Tage lang mit den Konsequenzen der modernen Hirnforschung für das Menschenbild auseinander gesetzt. „Die Seele ist nicht im Kopf. Sie ist das Lebensprinzip des ganzen Leibes und aller seiner Glieder“, sagte Bischof Küng, der auch ausgebildeter Arzt ist. Er nahm damit auch Bezug auf ein Referat des Zoologen Prof. Wolfgang Walkowiak über „Religion und Gehirn“, wonach religiöse Gefühle im Gehirn „erzeugt“ werden könnten, etwa durch bestimmte Drogen oder durch Krankheiten. So rufe eine bestimmte Form der Epilepsie Erfahrungen hervor, wie sie vom Apostel Paulus und von anderen großen Persönlichkeiten der Kirchengeschichte beschrieben worden seien. Küng dazu wörtlich: „Ich möchte mich dagegen verwehren, dass jedes außerordentliche Phänomen der Mystik als pathologisch eingestuft wird“.

Der griechisch-orthodoxe Grazer Theologe Prof. Grigorios Larentzakis würdigte bei der Podiumsdiskussion die Leistungen der Naturwissenschaft; zugleich gelte es im Bewusstsein zu behalten, dass die Fähigkeiten des Menschen beschränkt seien und vieles wissenschaftlich unbeantwortbar bleiben werde. Auch wenn religiöse Empfindungen im Gehirn heute messbar seien, so wisse man deshalb nichts über ihren Ursprung und Sinnzusammenhang. „Nicht alles ist biologisch oder chemisch zu erklären“, sagte Larentzakis.

Zum Miteinander von Theologie und Naturwissenschaft erklärte Hermann Miklas, evangelischer Superintendent in der Steiermark: „Wenn die Naturwissenschaft sagt, über den religiösen Bereich kann ich keine Aussagen treffen, dann ist das kein Problem. Aber es ist tragisch, wenn die Naturwissenschaft sagt, den religiösen Bereich gibt es nicht“. Außerdem warnte Miklas vor einer verkürzten, nicht ganzheitlichen Sichtweise des Menschen: „Ein biologistisches Weltbild könnte zu den Wirkungen führen, die wir seit 50 Jahren überwunden glauben. Mir fallen da die Gehirne des Doktor Gross vom Spiegelgrund ein...“

Das Gehirn „konstruiert Wirklichkeiten“
Neurowissenschaftler haben sich - so der Kölner Evolutionsforscher Prof. Wolfgang Walkowiak in seinem Vortrag über „Religion und Gehirn“ - zuletzt Fragestellungen zu eigen gemacht, die lange Zeit ausschließlich in die Domäne der Geisteswissenschaften und Theologie gehörten: Was bestimmt unser Denken und Handeln? Gibt es eine absolute Freiheit des menschlichen Willens? Seit kurzem würden auch die neurobiologischen Bedingungen für das Phänomen Religion beleuchtet.

Die Welt bewussten Erlebens sei eng mit dem Wirken des Gehirns verflochten, so Walkowiak: Jede Form der Wahrnehmung sei ein Konstrukt des Gehirns, dieses „konstruiert unsere Wirklichkeiten“. Spirituelle, mystische oder religiöse Wahrnehmungsphänomene wie außerkörperliche Erlebnisse, Nahtod-Erfahrungen, Wahrnehmung von fremden Wesen „scheinen Gehirn-immanent zu sein“, sagte der Wissenschaftler. Religion als kulturelles Phänomen gehe weit über diesen Zusammenhang hinaus, baue jedoch auf diesen biologischen Rand- bzw. Vorbedingungen auf.

Sommerakademie verzeichnete Besucherrekord
Die Sommerakademie zum Thema Hirnforschung verzeichnete heuer mit knapp 400 Interessierten einen Besucherrekord. Veranstalter waren das ORF-Landesstudio Oberösterreich und die ORF-Hauptabteilung Religion im Hörfunk, die Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz, das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich, das Stift Kremsmünster, das Land Oberösterreich, die „Kirchenzeitung der Diözese Linz“ und der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich.
     
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