Feldkircher Bischof wandte sich bei Ökumenischer Sommerakademie in
Kremsmünster gegen These, religiöse Gefühle könnten im Gehirn durch Drogen oder Krankheiten
„erzeugt“ werden
Linz (diöezese) - Die Naturwissenschaften können Gott weder beweisen noch seine Existenz
ausschließen: Das stellte der Feldkircher Diözesanbischof Klaus Küng am Freitag (11. 07.)
bei einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Ökumenischen Sommerakademie in Kremsmünster klar.
Unter dem Titel „Seele - wo bist Du?“ hatten sich Vertreter von Naturwissenschaft und Theologie drei Tage lang
mit den Konsequenzen der modernen Hirnforschung für das Menschenbild auseinander gesetzt. „Die Seele ist nicht
im Kopf. Sie ist das Lebensprinzip des ganzen Leibes und aller seiner Glieder“, sagte Bischof Küng, der auch
ausgebildeter Arzt ist. Er nahm damit auch Bezug auf ein Referat des Zoologen Prof. Wolfgang Walkowiak über
„Religion und Gehirn“, wonach religiöse Gefühle im Gehirn „erzeugt“ werden könnten, etwa durch bestimmte
Drogen oder durch Krankheiten. So rufe eine bestimmte Form der Epilepsie Erfahrungen hervor, wie sie vom Apostel
Paulus und von anderen großen Persönlichkeiten der Kirchengeschichte beschrieben worden seien. Küng
dazu wörtlich: „Ich möchte mich dagegen verwehren, dass jedes außerordentliche Phänomen der
Mystik als pathologisch eingestuft wird“.
Der griechisch-orthodoxe Grazer Theologe Prof. Grigorios Larentzakis würdigte bei der Podiumsdiskussion die
Leistungen der Naturwissenschaft; zugleich gelte es im Bewusstsein zu behalten, dass die Fähigkeiten des Menschen
beschränkt seien und vieles wissenschaftlich unbeantwortbar bleiben werde. Auch wenn religiöse Empfindungen
im Gehirn heute messbar seien, so wisse man deshalb nichts über ihren Ursprung und Sinnzusammenhang. „Nicht
alles ist biologisch oder chemisch zu erklären“, sagte Larentzakis.
Zum Miteinander von Theologie und Naturwissenschaft erklärte Hermann Miklas, evangelischer Superintendent
in der Steiermark: „Wenn die Naturwissenschaft sagt, über den religiösen Bereich kann ich keine Aussagen
treffen, dann ist das kein Problem. Aber es ist tragisch, wenn die Naturwissenschaft sagt, den religiösen
Bereich gibt es nicht“. Außerdem warnte Miklas vor einer verkürzten, nicht ganzheitlichen Sichtweise
des Menschen: „Ein biologistisches Weltbild könnte zu den Wirkungen führen, die wir seit 50 Jahren überwunden
glauben. Mir fallen da die Gehirne des Doktor Gross vom Spiegelgrund ein...“
Das Gehirn „konstruiert Wirklichkeiten“
Neurowissenschaftler haben sich - so der Kölner Evolutionsforscher Prof. Wolfgang Walkowiak in seinem
Vortrag über „Religion und Gehirn“ - zuletzt Fragestellungen zu eigen gemacht, die lange Zeit ausschließlich
in die Domäne der Geisteswissenschaften und Theologie gehörten: Was bestimmt unser Denken und Handeln?
Gibt es eine absolute Freiheit des menschlichen Willens? Seit kurzem würden auch die neurobiologischen Bedingungen
für das Phänomen Religion beleuchtet.
Die Welt bewussten Erlebens sei eng mit dem Wirken des Gehirns verflochten, so Walkowiak: Jede Form der Wahrnehmung
sei ein Konstrukt des Gehirns, dieses „konstruiert unsere Wirklichkeiten“. Spirituelle, mystische oder religiöse
Wahrnehmungsphänomene wie außerkörperliche Erlebnisse, Nahtod-Erfahrungen, Wahrnehmung von fremden
Wesen „scheinen Gehirn-immanent zu sein“, sagte der Wissenschaftler. Religion als kulturelles Phänomen gehe
weit über diesen Zusammenhang hinaus, baue jedoch auf diesen biologischen Rand- bzw. Vorbedingungen auf.
Sommerakademie verzeichnete Besucherrekord
Die Sommerakademie zum Thema Hirnforschung verzeichnete heuer mit knapp 400 Interessierten einen Besucherrekord.
Veranstalter waren das ORF-Landesstudio Oberösterreich und die ORF-Hauptabteilung Religion im Hörfunk,
die Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz, das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich, das
Stift Kremsmünster, das Land Oberösterreich, die „Kirchenzeitung der Diözese Linz“ und der Ökumenische
Rat der Kirchen in Österreich. |