Kärntner Frühgeschichtler definiert endgültig den Berg "Gracarca" am
Klopeiner See als Zentrum der geheimnisumwobenen Region Noricum
St. Kanzian (öj) - Das Regnum Noricum ist das erste nachweisbare staatliche Gebilde auf dem
heutigen Gebiet Österreichs und wird auf etwa 200 vor Christus datiert. Dessen Gründer, die Noriker,
zählen zum Stamm der Kelten, der sich schon während
Univ. Doz. Dr. Paul Gleirscher im Gracarca-Museum in St. Kanzian am Klopeinersee
Foto: Österreich Journal |
der Eisenzeit bildete und über viele Tausend Jahre die europäische Geschichte dominierte. Unzählige
Historiker und Archäologen bemühten sich, schlüssige Beweise für die genaue geographische Lage
Norikums und seiner geheimnisumwobenen Hauptstadt "Noreia" zu finden. Einer von ihnen, Dr. Paul Gleirscher,
Ur- und Frühgeschichtler am Landesmuseum Klagenfurt und Dozent an der Universität zu Klagenfurt, hat
im Bereich des Berges "Gracarca", der den Klopeiner See im Süden begrenzt, intensive Geländeuntersuchungen
gemacht und dabei eine Menge von Daten zu einer sehr bedeutenden eisenzeitlichen Siedlung ergraben.
Nun erklärte Gleirscher dem "Österreich Journal", er sei endgültig zu dem Schluß
gekommen, daß sich auf der Gracarca die vielgesuchte Stadt Noreia befunden haben mußte. Bisherige Mutmaßungen
schließt der Archäologe endgültig aus. Gleirscher: "Die Siedlung,
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Keltische Eberstatuette aus Bronce mit Emaileinlagen und Silberkamm
Foto: Gracarca Museum |
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Kesselgehänge, wie es im keltischen Haus zum Kochen über offenem Feuer verwendet
wurde
Foto: Gracarca Museum |
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Die Riemenzunge mit awarischer Ornamentik war eine Grabbeigabe des Karantanenfürsten
Foto: Gracarca Museum |
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Schlüssel von einem nicht nachsperrbaren Hakenriegel- schloß; das deutet darauf
hin, daß in den Häusern Kostbares versperrt wurde
Foto: Gracarca Museum |
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Fibeln aus einer Raubgrabung, die 2002 vom Land Kärnten in Deutschland wieder zurückgekauft
wurden
Foto: Gracarca Museum |
die wir auf der Gracarca lokalisiert haben, ist die typische Höhensiedlung von naturhafter Wehrhaftigkeit,
wie sie sozusagen immer als Vorbild zur Suche galt. Sie ist sehr großflächig und nimmt im Lauf von eintausend
Jahren vor Christus einen enormen Aufstieg. Der Höhepunkt ist in den letzten 300 Jahren v. Chr. erreicht und
liegt somit in der bewußten Zeit."
Es ist überliefert, daß Eisen aus Noricum aufgrund seiner höchsten Qualität selbst im antiken
Rom ein Markenbegriff und deshalb auch in der Verarbeitung ein wirklich gesuchter Rohstoff war. Gleirscher: "Wir
haben hier einen dementsprechenden zentralen Platz von Eisenproduktion gefunden, was durch die Vielfalt der Funde
bzw. der Verarbeitungsarten bewiesen ist. Verbunden mit dem bergmännischen Reichtum ist natürlich eine
Elite, die sich auch damals schon international gab: Wir haben feines Trinkgeschirr, qualitätvolle Waffen
und Reiter-Accessoirs, versilberte Sporen mit Emaileinlagen und vieles andere gefunden, wie es in Europa wirklich
nur in Funden der bedeutendsten Stätten vorkommt."
Die Qualität der Funde auf der Gracarca, im objektiven Vergleich mit anderen Fundstellen, definiert hier das
Zentrum der Noriker und deren Hauptort, der in der antiken Literatur mit dem Namen der keltischen Göttin "Noreia"
bezeichnet wird. Er weist eine der Wichtigkeit angemessene Ausdehnung und Repräsentativität auf und ist
eindeutig die größte Siedlung spätkeltischer Zeit, die bisher in relevantem Umkreis gefunden wurde.
Für Gleirscher ist das Geheimnis um die geographische Lage Noreias also endgültig geklärt. Für
den nächsten Schritt wird der Wissenschaftler aber mindestens nocheinmal soviel Geduld brauchen. "Als
es im Mittelalter zu Weinbauversuchen kam, wurden die Siedlungsreste sehr stark gestört, sodaß wir mit
weiteren Fragen nach Adeligen oder einem Königssitz noch warten müssen. Wir bräuchten intakte Grundrisse
und Spuren. Im Gräberfeldbereich haben wir auch schon Ansätze gefunden. Wenn wir dort weiter fündig
werden und durch die öffentliche Sensibilisierung auch Fundmeldungen bekommen, könnten wir von dieser
Seite her auch die soziale Schichtung erforschen, um diese elitäre Struktur weiter erhellen", so Gleirscher
abschließend.
Vor wenigen Tagen haben an dieser geheimnisvollen Stelle neuerlich Ausgrabungen begonnen. Diesmal aber gezielt
auf der Südseite der Gracarca. Dort sind in einem Friedhof eine Adelsschicht der Eisenzeit und des Frühmittelalters
faßbar. Zu letzterem gehört ein komplettes Reitergrab aus dem 8. Jahrhundert. Man möchte nun feststellen,
ob es sich dabei um einen kleinen Adelsfriedhof der Karantanen handelt. Faszinierend wäre es wohl, würde
man - nach 1200 Jahren - auf die Grabstätte eines der ersten Herrscher des frühmittelalterlichen Kärnten
stoßen. |