Arbeit an neuer Verfassung startet mit einstimmigen Beschlüssen
Wien (pk) - Präsident Franz Fiedler eröffnete am Freitag (25. 07.) die
Sitzung des Österreich-Konvents, der sich zunächst mit dem Entwurf einer Geschäftsordnung und dann
mit der Bestellung der Ausschussvorsitzenden und der Zusammensetzung der Ausschüsse befasste. Der vorliegende
Geschäftsordnungsentwurf stelle den vom Konventspräsidium anhand von Abänderungsanträgen überarbeiteten
Geschäftsordnungsentwurf vom 30. Juni dar, teilte Präsident Fiedler eingangs der Debatte mit.
Als erster Rede berichtete Nationalratspräsident Andreas Khol, dass die Anregungen, die an das
Präsidium des Konvents hinsichtlich der Geschäftsordnung herangetragen wurden, weitgehend entsprochen
worden sei, namentlich was die Frage von Veröffentlichungen, die Möglichkeit Hearings abzuhalten und
das Recht des Präsidenten betrifft, die Debatte sachlich zu ordnen. Weiters ging Präsident Khol auf die
Möglichkeit der Ausschüsse ein, Sitzungen gemeinsam abzuhalten. Geregelt wurden auch die Protokollierung
und das Recht jedes Konventsmitglieds, dem Konvent schriftlich Vorschläge zu übermitteln. Ein von Andreas
Khol vorgelegter Abänderungsantrag sah vor, das Vertretungsrecht auch auf die Mitglieder des Städtebundes
auszudehnen. Khol warb um Zustimmung für den aus seiner Sicht guten Entwurf, er stelle einen "goldenen
Mittelweg zwischen Mehrheit und Minderheit" dar.
Auch der Zweite Präsident des Nationalrates, Heinz Fischer, sprach sich für den vorgelegten
Entwurf aus, der ein vernünftiges Arbeiten im Konvent, im Präsidium, im Ausschuss und in der Öffentlichkeit
ermöglichen werde. Die Formulierung "Das Präsidium legt die inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben
für die Vorberatungen der Ausschüsse fest" bedeute nicht, dass man die Ausschüsse inhaltlich
oder zeitlich unter Kuratel stellen wolle. Die Ausschüsse seien festgelegt, jetzt sei der Ausschussobmann
am Zug, die Aufgabenstellung zu vertiefen und zu präzisieren, um thematische Überschneidungen zu vermeiden.
Abschließend hielt Präsident Fischer fest, dass es sich bei den Protokollen des Konvents nicht um stenographische
Protokolle, sondern um reine Tonbandabschriften handle. Dass die Ausschussberichte den Mitgliedern vorgelegt werden,
hielt Fischer für wichtig, um ihnen allenfalls Gelegenheit zu geben, eine abweichende Stellungnahme zu formulieren.
Nationalratsabgeordnete Terezija Stoisits stimmte dem Geschäftsordnungsentwurf ebenfalls zu,
hielt aber fest, dass es sich um einen Kompromiss handle, "der nicht jedem 100-prozentiges Vergnügen
bereitet". Ihr sei es wichtig, Hearings mit zivilgesellschaftlichen Organisationen abhalten zu können,
sagte Abgeordnete Stoisits, die sich angesichts wiederholt abwesender Landeshauptleute zu der Warnung veranlasst
sah, manche Landeshauptleute könnten sich zunächst darauf beschränken, "zu schauen, was die
Wissenschaft zustande bringt".
Bei der Abstimmung wurde der Geschäftsordnungsentwurf unter Berücksichtigung des vorgelegten Abänderungsantrags
einstimmig angenommen.
Wie Präsident Fiedler einleitend feststellte, seien 10 Ausschüsse eingesetzt und die personelle
Zusammensetzung der Ausschüsse 1 bis 9 bereits fixiert. Über die Vorsitzendenstellvertreter würden
die Ausschüsse selbst abstimmen, die für diese Funktionen genannten Namen stellten vorderhand Vorschläge
dar.
In der Debatte brachte Landtagspräsidentin Angela Orthner Wünsche einiger Konventsmitglieder
zur Sprache, in anderen Ausschüssen tätig zu sein, als es die vorliegende Liste vorsehe. Sie schlug daher
vor, die Listen zwar so zu belassen, wie sie abgefasst wurden, aber die Möglichkeit offen zu lassen, Ausschussmitglieder
auszutauschen, wenn die Themen, die von den Ausschüssen behandelt werden sollen, abgegrenzt sind. Diese Arbeit
sollte bereits im Sommer aufgenommen werden, sagte Landtagspräsidentin Orthner. .
Auch der Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium, Werner Wutscher, trat dafür ein,
die inhaltliche Klärung während der nächsten Monate rasch herbei zu führen. Er schlug vor,
von Seiten des Präsidiums eine Checklist für die Themen auszuarbeiten, die in den Ausschüssen behandelt
werden sollen. Für die Kommunikation zwischen den Ausschussvorsitzenden und dem Präsidium sollte eine
Schnittstelle eingerichtet werden. Das Vertretungsrecht sollte möglichst gleichförmig wahrgenommen werden,
um die Arbeit in den Ausschüssen nicht zu erschweren, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Verwaltungsreform.
Volksanwalt Peter Kostelka meinte. Es sei damit zu rechnen, dass die einzelnen Ausschüsse im
Laufe ihrer Arbeit auf neue Themen stoßen werden und plädierte dafür, dass die Ausschüsse
ihren Aufgabenbereich selbst definieren können. Als wichtig bezeichnete es Kostelka auch, den Ausschussbericht
einer Endberatung zu unterziehen, damit jedes Mitglied die Möglichkeit habe, seine Position einzubringen.
Peter Kostelka sprach sich dafür aus, ein Arbeitsprogramm zu erstellen, wobei es zuerst darum gehen müsse,
eine Literaturübersicht zu gewinnen und den Ausschüssen die Möglichkeit zu geben, fachliche Unterstützung
anzufordern und Aufträge zu erteilen.
Klubobfrau Madeleine Petrovic sah die Notwendigkeit intensiver Gespräche zwischen den Ausschussvorsitzenden
und warnte davor, mit dem Beginn der Arbeit allzu lange zuzuwarten. Eine Schlüsselfunktion habe für sie
Ausschuss "Legistische Strukturfragen", der sich zunächst der Überarbeitung der bestehenden
Verfassung widmen und dann die Ergebnisse der anderen Ausschüsse einarbeiten sollte. Hinsichtlich des Vertretungsrechts
in den Ausschüssen hielt Petrovic fest, dass die Ausschussmitglieder zu den Ergebnissen stehen sollten, die
im Ausschuss erarbeitet wurden.
Auf Petrovics Klage, dass ihre Wortmeldung in der letzten Sitzung auf der Tonbandabschrift zu den Verhandlungen
des Konvents nicht aufschiene, wohl aber die Reaktionen darauf, schlug ihr Präsident Fiedler vor, ihren Beitrag
für das Protokoll nachzutragen. Er erklärte die Auslassung damit, dass ein Mikrophon während der
Wortmeldung Petrovic nicht eingeschaltet und ihre Intervention daher nicht auf Band aufgezeichnet worden sei.
Universitätsprofessor Bernd-Christian Funk schlug vor, es den Ausschüssen, denen ein grobes
Mandat gegeben wurde, selbst zu überlassen, Themen zu suchen und thematische Abgrenzungen vorzunehmen. Funk
betonte die Bedeutung des freien Diskurses, was selbstverständlich nicht ausschließe, dass das Präsidium
informiert wird. Auch Professor Funk unterstrich die Notwendigkeit, den Ausschüssen Infrastruktur und institutionelle
Hilfen zur Verfügung zu stellen.
Nationalratsabgeordnete Terezija Stoisits schloss sich ihrem Vorredner an und betonte, wie wichtig
es für die Arbeit der Ausschüsse sein werde auf Fachliteratur, internationale Rechtsvergleiche und personelle
Infrastruktur zurückgreifen zu können. Die Bitte der Abgeordneten lautete, den Ausschüssen Personal
zur Verfügung zu stellen.
Sektionschef Manfred Matzka sprach sich dafür aus, mit der Ausschussarbeit so rasch wie möglich
zu beginnen, die Mandate aber nicht jetzt schon detailliert festzuschreiben, da sich thematische Abgrenzungen noch
im Zuge der Ausschussarbeit ergeben würden. "Erweiterungs-, Abgrenzungs- oder Präzisierungsbedarf
wird man erst erkennen, wenn man das Informationsmaterial gesichtet haben wird". Dann sollte eine Querabstimmung
zwischen den Ausschüssen stattfinden, sagte der Sektionschef, der der Überzeugung Ausdruck gab, dass
es viel Gesprächs- und Informationsbedarf zwischen den Ausschüssen und ihren Vorsitzenden geben wird.
Außerdem trat Matzka dafür ein, eine Prioritätenreihung für die einzelnen Themen vorzunehmen,
"weil es Themen gibt, die früher behandelt werden sollen als andere".
Nationalratspräsident Andreas Khol betonte, die Geschäftsordnung lege eindeutig fest, dass
die Aufgaben und der Zeitplan für die Arbeit der Ausschüsse vom Präsidium festgelegt werden. Er
erwarte, so Khol, dass vom Präsidium in kurzer Zeit für jeden einzelnen Ausschuss ein Arbeitsplan und
ein Zeitplan vorgelegt werden können, die im Konvent beschlossen würden, bei dem es keine Überlappungen
gibt und keine wertvolle Zeit verloren werde.
Ideal wäre seiner Meinung nach eine Vorgangsweise, wonach der Präsident des Konvents mit den Ausschussvorsitzenden
und den vom Präsidium zur Wahl empfohlenen Stellvertretern sehr bald ein Individual- oder Kollektivgespräch
führt, wie sich die Vorsitzenden ihren Arbeitsbereich vorstellen, welche Teile des Gebietes sie beackern wollen,
und dass dann ein weitgehend überlappungsfreies Spektrum an Mandaten vorliegt, die im Präsidium beraten
werden. Khol vertrat die Ansicht, man müsse "am Stück" arbeiten und sehr schnell "von
der Lyrik in die Prosa" kommen, also zur Formulierung von Gesetzestexten.
So wie die Ausschussarbeit in der GO konzipiert ist, heiße das, dass die Ausschüsse zu dem ihnen erteilten
Mandat einen Bericht vorlegen, der im Konvent diskutiert wird und parallel dazu im Präsidium; dieser Bericht
komme aufgrund der Diskussion im Konvent und im Präsidium neuerlich in den Ausschuss zurück, werde dort
entsprechend den Meinungen, die im Konvent geäußert werden, adaptiert, erweitert und ergänzt und
gehe dann wiederum in das Präsidium, bis Konsens erzielt ist. Das heißt, es werde ein enges Zusammenwirken
von Ausschuss, Präsidium und Konvent notwendig sein, sagte Khol, und all das im Hinblick auf das Zeitkorsett,
das der Konvent sich selbst gegeben habe.
Was die Konstituierung der Ausschüsse betreffe, müsse man auf die Arbeitsmöglichkeiten im Konventbüro
Rücksicht nehmen. Im Präsidium wurde gesagt, sechs oder sieben Ausschüsse können sofort konstituiert
werden, weil die Arbeitskapazitäten vorhanden sind, der Rest erst im Herbst.
Claudia Kahr (Mitglied des VfGH) wies darauf hin, dass die notwendige Infrastruktur geschaffen werden
müsse; ungefähr 10 Personen, die dem Konvent zuarbeiten, hätten noch unklare Verhältnisse.
Der Konvent brauche professionelle Unterstützung und finanzielle Voraussetzungen, unterstrich sie und machte
gleichzeitig darauf aufmerksam, dass das beschlossene Gesetz eine Hilfe, aber nicht der Weisheit letzter Schluss
sei.
Der Konvent sei aufgerufen, eine Diskussion aufzugreifen, weiter- und zu Ende zu führen, die nicht neu ist,
werde doch über die Reform der österreichischen Verfassung seit ihrem Beginn diskutiert, meinte Bernd-Christian
Funk. Eine straffe Führung durch das Präsidium wäre mit dem Risiko der "sachlich unangemessenen
Einengung" verbunden. Ihm sei unbegreiflich, dass man in dem Wunsch, die Ausschüsse sogleich beginnen
zu lassen, damit sie die notwendige Sacharbeit leisten können, einen Zeitverlust sehen könnte. Welchen
Grund könnte es geben, in diesem Bereich zu bremsen?
Johann Hatzl vertrat die Ansicht, er möchte nicht gerne in Ausschüssen mitarbeiten, in
denen er Gefahr laufe, falls er sich im Grenzbereich der Gedanken befinde, vom Vorsitzenden darauf aufmerksam gemacht
zu werden, dass seine Ideen zwar interessant, aber nicht diskussionsfähig und weiterentwickelbar seien, weil
man sich vielleicht eine Zustimmung vom Präsidium holen muss. Er sprach sich gegen eine Bevormundung der Konventsmitglieder
aus. "Ich bin in den Konvent gegangen, um nicht Fachsklave eines Präsidiums zu werden, sondern einen
Fachbasisbeitrag zu leisten."
Johannes Schnizer meinte, alle Ausschüsse sollten gleich zu arbeiten beginnen, die Intensivphase
dieser Ausschüsse sollten jedoch in unterschiedliche Perioden gelegt werden. Fast alle Mitglieder des Konvents
seien Mitglieder in mehreren Ausschüssen und können nicht in allen Ausschüssen gleichzeitig intensiv
beraten. Andererseits seien die Ausschüsse von ihrer Aufgabenstellung her unterschiedlich strukturiert, sodass
eine unterschiedliche Vorgangsweise nahe liegt. Die Ausschüsse 1, Staatsaufgaben und Ziele, 3, staatliche
Institutionen, und 8, demokratische Kontrolle, die sich von den anderen Ausschüssen unterscheiden, könnten
sofort in die intensive Beratungsphase eintreten; bei den anderen Ausschüssen sei zuerst gründliche Vorarbeit
in der Materialsammlung und -sichtung erforderlich.
Maria Berger verwies auf die organisatorischen Erfahrungen im Europäischen Konvent, der über
ein ausgezeichnetes Sekretariat, bestehend aus 20 hervorragenden VertreterInnen der juristischen Dienste des Rates
der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, bestand. Hinter jeder dieser 20 Personen
seien mindestens 3 bis 4 Personen gestanden, die für juristische Facharbeit, aber auch für organisatorische
Arbeiten verantwortlich waren. Diese ausgezeichnete Infrastruktur habe es den Mitgliedern des EU-Konvents erlaubt,
im Plenum wie in den Arbeitsgruppen sehr konzentriert und fundiert zu arbeiten. Ein solche Infrastruktur benötige
auch der Österreichische Konvent.
Herwig Hösele erachtete es für notwendig, dass seitens des Vorsitzenden des Konvents und
des Präsidiums mit den Ausschussvorsitzenden und den Stellvertretern in den nächsten Wochen das konkrete
Mandat erarbeitet wird und dass sich dann relativ rasch die Ausschüsse konstituieren und die Zeitschienen
festgelegt werden. Einen künstlichen Widerspruch zur gemeinsam beschlossenen Geschäftsordnung und zur
Arbeitsweise, wie sie letztlich auch formuliert wurde, sah er nicht.
Ulrike Baumgartner-Gabitzer erklärte, man sei, wenn man jetzt festlege, was alles dazu kommen
könne, überfordert. Da der Konvent nur 18 Monate Zeit habe und so rasch als möglich zu ersten Papieren
und ersten Unterlagen kommen solle, sollte man die etwas künstlich herbeigeredeten Widersprüche begraben
und sollte schauen, dass die Ausschussvorsitzenden mit ihren Stellvertretern und mit ihren Mitgliedern zu einem
Arbeitsprogramm kämen.
Die Zusammensetzung der Ausschüsse und deren Vorsitzende wurden von den Mitgliedern des Konvents einstimmig
akzeptiert. (Siehe dazu PK Nr. 607!)
Konventspräsident Franz Fiedler strich heraus, dass an eine Einengung der Tätigkeit der Ausschüsse
nicht gedacht sei. Das Präsidium werde eine Vorgangsweise wählen, wie sie im Europäischen Konvent
der Fall war und wie sich bewährt habe, sagte er. Befürchtungen, dass Restriktionen für die Ausschusstätigkeit
entstehen könnten, seien nicht gegeben.
Der für den 27. August ins Auge gefasst Termin für eine Sitzung des Konvents wird voraussichtlich nicht
in Anspruch genommen. |