Wenn man selbständige Bundesländer will, braucht es den Bundesrat  

erstellt am
25. 07. 03

Antrittsrede von Bundesratspräsident Hans Ager
Wien (pk) - Die österreichische Bundesverfassung normiere, dass Österreich ein Bundesstaat sei, der aus den selbständigen neun Bundesländern gebildet wird. Wenn man auch in der Zukunft wolle, dass es in Österreich selbständige Länder gibt, dann brauche man immer den Bundesrat dazu. So umriss der im 2. Halbjahr 2003 amtierende Präsident des Bundesrats, der Tiroler Hans Ager, am Donnerstag (24. 07.) die Rolle der Länderkammer des Parlaments. Zweite Kammern befänden sich in allen Ländern immer "im Spannungsfeld von übernommenen Traditionen und politischer Gegenwartsverantwortung". Die wichtigste Aufgabe des Bundesrats ist es laut Ager, "zu garantieren, dass der Nationalrat den Ländern nicht sukzessive die Rechte wegnimmt".

Österreich befinde sich in einer sehr sensiblen Situation, führte der Bundesratspräsident in seiner Antrittsrede weiter aus. Die öffentliche Diskussion sei geprägt von der Sorge um die fundamentalsten Dinge im Leben der Menschen - Sicherung der Pensionen, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Budgetkurs. Als gewählte Abgeordnete - auch wenn sie indirekt durch den Landtag gewählt wurden - könnten die Bundesräte die Interessen der Länder mit ihrem freien Mandat am besten sichern. Das Mandat des Bundesrats biete die umfassendste Information aller österreichischen Abgeordneten, betonte Ager: Informationen aus den Landtagsklubs, Informationen aus den Parlamentsklubs und Informationen aus den Bundesratsfraktionen. Der Bundesrat als Ländervertretung in der Bundesgesetzgebung zähle - neben der Kompetenzverteilung und dem Finanzausgleich - zu den wichtigsten Bestimmungen eines Bundesstaats überhaupt.

Als "sehr bedauerlich" wertet Bundesratspräsident Ager, "dass der Bundesrat an der Ausübung seiner Rechte durch Koalitionsabkommen behindert wird, auch jetzt". Viele Kritiker der Länderkammer würden übersehen, dass schon jetzt Landeshauptleute, die im Bundesrat ein Teilnahme- und Rederecht haben, dieses jederzeit ausüben und auch Mitglieder des Bundesrats werden können. Viele Bürgermeister und andere Vertreter von Städten und Gemeinden gehörten dem Bundesrat an; bereits jetzt hätten diese Repräsentanten der Länder und Gemeinden die Möglichkeit, dem Stimmverhalten zu empfehlen. "Leider erfolgt dies nur ganz selten", sagte Ager, "und wenn, nicht einhellig." Es bedürfe also keiner "Aufwertung" des Bundesrats, sondern einer "Beseitigung seiner Behinderung". Dies bedeute aber nicht, dass nicht weitere Verbesserungen denkbar wären.

Die Erfüllung politischer Aufgaben sei mit Auseinandersetzungen verbunden, führte Ager weiter aus, und Auseinandersetzungen gehörten zur Dynamik der Politik in einer pluralistischen Demokratie. Es sei aber erforderlich, sagte Ager unter starkem Applaus des Bundesrats, "dass bei allen Auseinandersetzungen, die in einem Parlament auch bei uns üblich sind, nie jenes Maß an Anstand, Benehmen und Kultur im öffentlichen Leben auch dieses unsres Hauses außer Acht gelassen werden, welche in denkenswerter Weise im privaten Leben für uns alle eine Selbstverständlichkeit sind." Der neue Präsident verband diese Feststellung mit dem Appell, "uns auch in der Tagespolitik mit mehr gegenseitiger Achtung und Toleranz zu begegnen" und "das Verbindende vor das Trennende zu stellen".

Er habe fast sein ganzes bisheriges Leben im und mit dem Tourismus verbracht, sagte Ager, einem Berufszweig, der wichtig für Aufbau und Wohlstand Österreichs war und sei. Er widme daher seine Präsidentschaft im Bundesrat "den vielen kleinen Wirtinnen, Wirten und Mitarbeitern, die oft unbedankt im Hintergrund agieren und bis zu den Grenzen der Belastbarkeit gehen". Sie seien "die wahren Baumeister dieses unseres wunderschönen Österreich". Ausdrücklich dankte Hans Ager seiner Frau, seinen beiden Söhnen und seiner Schwiegermutter, ohne deren Einsatz in seinem Betrieb er die Präsidentschaft im Bundesrat nicht ausüben könnte.

Gegen Ende seiner Rede kam Präsident Ager auf das Thema Jugend und Politik zu sprechen. Die Jugend suche Geborgenheit, finde sie aber oft nicht in der Politik und auch nicht in anderen Institutionen. Die Jugend fühle sich "ziemlich allein gelassen". "Wir Erwachsene haben mehr Übung darin, in der von uns mit verantworteten Kälte der Welt zu überleben. Aber wir haben keinerlei Grund, unsere Routine mit moralischer Überlegenheit zu verwechseln."

Als Gäste konnte Präsident Ager bei seiner Antrittsrede zahlreiche Gäste aus seiner Tiroler Heimat, darunter Landeshauptmann Herwig van Staa, den Tiroler Landtagspräsidenten Helmut Mader sowie seinen Vorgänger als bisher letzten Tiroler Präsidenten, Gottfried Jaud, begrüßen.

Bevor der Bundesrat seine gestern unterbrochene Sitzung wieder aufnahm, hat eine Kompanie von Tiroler Schützen aus Itters, der Heimatgemeinde von Präsident Ager, dem neuen Bundesratspräsidenten auf der Rampe des Parlamentsgebäudes in Form einer Generaldecharge eine Ehrenbezeugung erwiesen. Die Schützen hatten dann auch Gelegenheit, bei einer Führung durch das Parlamentsgebäude die Arbeitsstätte ihres Landsmanns in Augenschein zu nehmen. Ihre historischen Waffen, aus denen sie die Salutschüsse für Präsident Ager abgefeuert hatten, durften sie dabei, entsprechend der Hausordnung des Parlaments, allerdings nicht mitnehmen - was bei der ebenfalls mitgeführten historischen Kanone auch schwierig gewesen wäre.
     
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