EU-Grünbuch: »Gemeinwohlverpflichtungen«  

erstellt am
01. 08. 03

Noch im 2. Halbjahr 2003 ein Grünbuch zum öffentlichen Auftragswesen und zu öffentlich-privaten Partnerschaften
Wien (rk) - Im vorliegenden "EU-Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse" wird der Begriff "Gemeinwohlverpflichtungen" verwendet. Er bezieht sich auf die besonderen Anforderungen der staatlichen Behörden an einen Anbieter des betreffenden Dienstes, mit denen sichergestellt werden soll, dass gewisse Gemeinwohlinteressen - für die Bürger unter Daseinsvorsorge zu subsumieren - erfüllt werden; beispielsweise im Luft-, Schienen- und Straßenverkehr (ÖPNV) oder auf dem Energiesektor. Der Begriff "öffentliches Unternehmen" wird im Allgemeinen verwendet, um die Eigentumsverhältnisse des Leistungserbringers zu bestimmen - der Amsterdamer Vertrag fordert hier strikte Neutralität. Es spielt keine Rolle, ob der Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (im weiteren Text "DvaI") öffentlich- oder privatrechtlich organisiert ist, beide haben dieselben Rechte und Pflichten. Hier zeichnet sich eine Schlüsselrolle der staatlichen Stellen "im Wandel" ab: Die Art und Weise, in der die staatlichen Stellen ihren Verpflichtungen gegenüber den Bürgern (noch) nachkommen, hat sich geändert und ändert sich weiter, die Rolle der staatlichen Stellen bei den DvaI wird den jeweiligen wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Bedingungen angepasst. So jedenfalls sieht das Brüssel - vom Bürger und seinen legitimen Ansprüchen, ja seinem Recht auf die Leistungen der Daseinsvorsorge, findet sich wenig.

Während in Europa eine ganze Reihe von DvaI traditionell von den Behörden selbst erbracht wurde und wird, beauftragen sie in zunehmendem Maß öffentliche oder private Unternehmen, oder auch öffentlich-private Partnerschaften (PPP) mit der Leistungserbringung. Sie selbst beschränken sich auf die Festlegung öffentlicher Zielvorgaben sowie auf Überwachung, Regulierung und gegebenenfalls Finanzierung der Leistungen. So manches Beispiel im Ausland (vor allem auf dem Nahverkehrssektor) hat aber gezeigt, dass beim Versagen des privaten Unternehmens oder der PPP dann wieder die öffentliche Hand einspringen muss, um einen geregelten Betrieb zu ermöglichen. Für das 2. Halbjahr 2003 plant die EU-Kommission die Veröffentlichung eines Grünbuchs zum öffentlichen Auftragswesen und zu öffentlich-privaten Partnerschaften. In ihrer Mitteilung "Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes: Neue Formen der Finanzierung - Interoperable elektronische Mautsysteme", KOM(2003) 132 vom 24.04.2003, untersucht übrigens die Kommission auf der Suche nach Lösung für den Ausbau des Verkehrsnetzes auch das Potential solcher Partnerschaften (PPP).

Auch wird die Frage aufgeworfen, ob die Entwicklung hochwertiger DvaI in den Zielkatalog der Gemeinschaft aufgenommen werden solle? Und auch, ob die Kommission im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Interesse zusätzliche Befugnisse erhalten solle? Wurden bisher von der Gemeinschaft Rechtsvorschriften zu den DvaI auf Sektorbasis verabschiedet, und damit eine umfassende (übersichtliche?) Sammlung sektorspezifischer Rechtsvorschriften entwickelt, stellt sich nun die Frage: Wäre es sinnvoll, im Interesse einer gemeinwirtschaftlich einheitlichen Umsetzung der Grundsätze auch einen gemeinsamen europäischen Rahmen zu erarbeiten auf der Basis der Grundsätze, die Artikel 16 des Vertrags zugrunde liegen. Also mithin in weiterer Folge eine indirekte Kompetenzverlagerung nach Brüssel, weg von denen, die diese Leistungen bürgernah (Länder und Gemeinden) zu erbringen haben.

Kurz darauf scheint man sich selbst zu widersprechen: "Wahrscheinlich ist es weder erstrebenswert noch möglich, eine einheitliche, umfassende Definition des Inhalt von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu entwickeln" (Zitat).
     
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