Heimische Milchwirtschaft erwartet gravierende Auswirkungen durch Agrarreform  

erstellt am
29. 07. 03

Steiner: Strukturwandel wird sich durch Entkoppelung verschärfen
Wien (aiz.info) - "Die Milchwirtschaft ist der am meisten von der EU- Agrarreform betroffene Sektor. Sowohl die Milchbauern als auch die Molkereien sind mit gravierenden Auswirkungen konfrontiert, deren Bewältigung große Herausforderungen darstellt. Ein noch engeres Miteinander aller am Marktgeschehen Beteiligten wird nötig sein, um auch künftig eine flächendeckende Milchwirtschaft in Österreich gewährleisten zu können." Dies stellte der Präsident der Vereinigung österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Hans Steiner, am Montag (28. 07.) bei einem Pressegespräch in Wien fest.

Die von den EU-Agrarministern beschlossene Fortführung der Milchquote bis 2014/2015 ist für Steiner "der positivste Aspekt des Marktordnungspakets". Sie werde helfen, die Milchproduktion in der EU planbar zu halten und einen Beitrag zu leisten, dass auch in Regionen mit schwierigeren Produktionsbedingungen die Milchproduktion eine Chance hat.

Ertragslage der Milchbauern verschärft sich
"Nach den bereits im Rahmen der Agenda-Beschlüsse festgeschriebenen Preisabsenkungen von 15% soll der Interventionspreis für Butter um weitere 10% gesenkt werden. Diese im Durchschnitt 20%ige Preisabsenkung wird für die Landwirte nur zu 50% über Direktzahlungen ausgeglichen und führt daher zu einer deutlichen Einkommenssenkung bei den Milchbauern", stellte der VÖM-Präsident fest. Der bisherige Richtpreis, der über den angewandten Interventionspreisen für Butter und Magermilchpulver lag und für diverse Marktsteuerungsmaßnahmen Beachtung fand, falle gänzlich weg, gab Steiner zu bedenken.

Die zeitliche und mengenmäßige Begrenzung der Butterintervention werde zu einer zusätzlichen starken Beeinflussung der bestehenden Milchmarktordnung führen, befürchtet er. Problematisch sei dabei insbesondere, dass bei Überschreiten der Fristen beziehungsweise Interventionsmengen (2004: 70.000 t) die Verwertung der überschüssigen Milch wegen des dann einsetzenden Ausschreibeverfahrens ohne Preisgrenze nach unten nicht mehr kalkulierbar werde, woraus ein zusätzlicher Druck auf die Erzeugerpreise entstehen dürfte.

Entkoppelung gefährdet den Produktionsstandort
Ein weiteres Problem für den Milchsektor sieht Steiner in der Entkopplung: "Österreich ist in der EU das Milchland mit der kleinsten Struktur in der Produktion. Unsere 57.000 Milchbauern erzeugen im Schnitt ein Fünftel des durchschnittlichen EU-Betriebes. Grund dafür sind vor allem die Produktionsbedingungen in Berg- und benachteiligten Gebieten, die wiederum auch höhere Produktionskosten bedeuten", erläuterte der VÖM-Chef.

Die Entkoppelung der Förderungen bedeute, dass die Landwirte die Fördergelder auch dann erhalten, wenn sie weniger oder nicht produzieren. "Wenn also die Kosten über den gekürzten Verkaufspreisen liegen, wird ein Anreiz gegeben, die Produktion einzustellen, denn der Ausgleich für die Preissenkung wird auch ohne Produktion weiterhin gewährt oder kann veräußert werden", so Steiner. So könnte es vor allem in Gebieten mit höheren Kostenstrukturen, also in Berggebieten, zu einer verstärkten Produktionsaufgabe kommen. Mittelfristig könnte sich die Produktion und in weiterer Folge auch die Verarbeitung in die Gunstlagen verlagern. "Zahlreichen Milchverarbeitungsbetrieben in den Ungunstlagen würde damit die Rohstoffbasis entzogen, was eine dramatische Strukturbereinigung unter den Molkereien und Käsereien nach sich ziehen würde", warnte Steiner, der auch Geschäftsführer der Alpenmilch Salzburg ist.

"Die Entkoppelung soll in der Milchwirtschaft ab 2007 Platz greifen, es wird daher notwendig sein, dass das förderpolitische Gesamtkonzept in Österreich überarbeitet wird, um die Milchproduktion in den angestammten Regionen zu halten und weiters dafür Sorge zu tragen, dass die produzierenden Bauern entsprechende Hilfestellungen erhalten", unterstrich Steiner. Die Renationalisierung der Förderungen im Bereich der Entkoppelung könnte auch zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem gemeinsamen europäischen Markt führen. Kritik übte der VÖM-Präsident auch daran, dass es durch die Reform "sicher nicht zum geplanten Abbau der Bürokratie kommen wird". Das Bestreben der Molkereien, möglichst hohe Milchpreise auszuzahlen, werde durch die neuen Reformvorschläge jedenfalls schwieriger zu realisieren sein.

Keine weiteren Zugeständnisse bei WTO-Verhandlungen
Im Zusammenhang mit den laufenden WTO-Verhandlungen wird von der VÖM dezidiert gefordert, "dass gegenüber den Außenhandelspartnern der EU unmissverständlich klargestellt wird, dass keinerlei weitere Zugeständnisse der Union mehr möglich sind, sondern im Gegenzug auch bei anderen GATT-Ländern weitreichende Zugeständnisse erforderlich sind".

Molkereien keine zusätzlichen Kostensteigerungen aufbürden
Auf Grund der angespannten Kostensituation in den Betrieben und der hohen Exponiertheit der heimischen Milchverarbeiter am internationalen Markt sei tunlichst darauf zu achten, "dass der Milchwirtschaft keine neuen politisch verordneten Kosten aufgebürdet werden", sagte Steiner und verwies dabei insbesondere auf das Road Pricing. Die Summe der Mehrbelastungen aus den laufenden Kostensteigerungen könne weder von den Milchverarbeitern noch von den bäuerlichen Lieferanten übernommen werden, weshalb Preiserhöhungen für Konsumenten notwendig seien.

Exporterfolge wichtig für die österreichische Milchwirtschaft
Erfreulich für die österreichische Milchwirtschaft sind laut VÖM die Erfolge im Export. So sind trotz härtester internationaler Konkurrenz die Exporte im 1. Quartal 2003 neuerlich um 10,7% auf EUR 156 Mio. gestiegen. Importiert wurden gleichzeitig Milchprodukte im Ausmaß von EUR 84 Mio., was einen positiven Exportsaldo von EUR 72 Mio. (+ 6 Mio.) ergibt. Deutlich zugelegt haben neuerlich die Bereiche fermentierte und gesäuerte Milchprodukte mit einem Anstieg von 48%, und Käse mit einem Anstieg 15,6%. Neben den Exportmärkten in der bisherigen EU sollen nunmehr auch die Märkte in den Erweiterungsstaaten verstärkt bearbeitet werden. Dabei soll es, so Steiner, eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der AMA und den exportierenden Betrieben geben.

"Die Erschließung der Ostmärkte wurde übrigens nicht verschlafen, sondern es galt zunächst, die Listungserfolge in den kaufkräftigen Märkten Deutschland und Italien nachhaltig abzusichern. Da sowohl die Kaufkraft als auch das Preisniveau in den jetzigen Beitrittsstaaten weit unter dem EU-Durchschnitt liegen, wäre eine frühzeitige Bedienung dieser Märkte nahezu aussichtslos gewesen", argumentierte der Vertreter der Molkereibranche.

Nach Angaben der VÖM haben in Österreich mehr als 57.000 Landwirte ihr Haupteinkommen in der Milchwirtschaft, alleine 2002 wurden EUR 936 Mio. an Milchgeld von den Verarbeitungsbetrieben ausbezahlt. Ca. 100 milchbe- und verarbeitende Unternehmen beschäftigen ca. 4.800 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Umsatz in der Höhe von ca. EUR 1,7 Mrd.
     
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