Armutskonferenz nennt neue Armutsfallen
Bei der Armutsbekämpfung liegt Österreich im EU-Vergleich an vierter Stelle -
Armutskonferenz mit Regierung dennoch unzufrieden
Wien (epd) - Österreich liegt bei der Armutsbekämpfung im EU- Vergleich an vierter Stelle.
Nur in Dänemark, Finnland und Schweden ist die Armutsgefährdung niedriger als in Österreich. Diese
Daten hat die "Armutskonferenz" bei einer Pressekonferenz Ende vergangener Woche in Wien vorgelegt.
Eine wichtige Rolle bei der Armutsvermeidung in Österreich spielten die derzeitigen Sozialleistungen. Ohne
sie wäre die Zahl der Armen mehr als doppelt so hoch. Es gäbe dann 688.000 statt 300.000 Österreicher
in Armut, so die Initiative. Trotzdem ist die Armutskonferenz mit der Regierung unzufrieden: Auf "neue Herausforderungen"
gebe es derzeit keine adäquaten Antworten. Stattdessen werde dort, wo das heimische Sozialsystem wirklich
greift, gekürzt. Die Armutskonferenz sieht sich mit ihrer Kritik nicht allein: Auch die EU-Kommission habe
Österreich wegen des im Vergleich zu anderen Ländern dürftigen "Aktionsplans gegen Armut und
soziale Ausgrenzung" kritisiert. Beim EU-Gipfel in Nizza im Jahr 2000 hatten sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet,
derartige Pläne zu erarbeiten.
Der Sozialexperte der Diakonie Österreich, Martin Schenk, nannte drei neue "Armutsfallen" in Österreich:
So schütze wegen immer mehr atypischer Jobs eine Arbeit nicht mehr automatisch vor Armut. Das treffe besonders
auf Haushalte zu, wo kein zweites Einkommen zur Verfügung steht, etwa bei AlleinerzieherInnen. Von Armut zunehmend
gefährdet seien auch psychisch Kranke, die den steigenden Anforderungen der Leistungsgesellschaft nicht gewachsen
sind. Auch die knappen Mittel für das Arbeitsmarktservice (AMS) sind laut Schenk eine zunehmende Armutsfalle.
Sozialversicherungssysteme greifen nicht mehr
Werner Bachstein von der Caritas der Erzdiözese Wien unterstrich bei der Pressekonferenz, dass sich
die Kritik der "Armutskonferenz" nicht so sehr auf den "Status quo" beziehe, sondern auf fehlende
Zukunfts-Pläne. Die Sozialversicherungs-Systeme in Österreich sind nach den Worten Bachsteins "nicht
schlecht", sie "greifen nur teilweise nicht mehr". Der Caritas-Mitarbeiter beklagte die in Österreich
fehlende Tradition eines kontinuierlichen Austauschs mit den Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) in Fragen der
Armutsbekämpfung. Ebenso wenig gebe es eine institutionalisierte "Arbeitslosen-Anwaltschaft". Weil
man von einer Politik der "Armutsbekämpfung" zur "Armutsvermeidung" übergehen sollte,
forderte Bachstein auch neuerlich die Einführung einer "Sozialverträglichkeits-Prüfung"
vor einer Beschlussfassung neuer Gesetze.
Bericht kritisiert Kinderbetreuungsgeld
Als österreichische Vertreterin im "European Anti-Poverty Network", einem Zusammenschluss
der "Armutskonferenzen" verschiedener Länder, kritisierte Michaela Moser, dass das österreichische
Sozialsystem noch auf einem "überholten" Familien-Modell aufbaut, demzufolge es einen "Ernährer"
gibt, und eine Frau, die allenfalls "dazu verdient". Diese Familienform sei aber zunehmend ein "Auslaufmodell",
so Moser.
Präsentiert wurde bei der Pressekonferenz ein Bericht des "European Anti- Poverty Network" (EAPN),
in dem die Strategien gegen Armut in den einzelnen Ländern kommentiert werden. Darin wird auch heftige Kritik
am "Kinderbetreuungsgeld" geübt: Die "viel gepriesene Wahlfreiheit" sei für AlleinerzieherInnen,
die keine geeigneten Kinderbetreuungs-Einrichtungen vorfänden, "eine Farce", heißt es in dem
Bericht. Es sei sogar zu erwarten, dass sich durch das Kinderbetreuungsgeld die Betreuungseinrichtungen verringern
statt erhöhen werden.
Der EAPN-Bericht geht außerdem davon aus, dass es "möglicherweise wegen geringerer Förderung
auch zu Verteuerungen kommen wird". Laut der Broschüre ist es jedenfalls "unrealistisch", dass
das neue Kinderbetreuungsgeld einen positiven Effekt auf das Erwerbsleben von Frauen, auf die Kinderbetreuung durch
beide Partner und auf die Rate der Wiedereinsteigerinnen ins Erwerbsleben haben werde.
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