Touristen und Devisen in Zentral- und Osteuropa willkommen  

erstellt am
08. 08. 03

Ungleichgewicht im Außenhandel für negative Leistungsbilanzsaldi verantwortlich
– Dienstleistungsbilanz stärkt dagegen Zahlungsbilanzposition

Wien (ba-ca) - Die meisten Länder der Region Zentral- und Osteuropa leiden seit Beginn des Reformprozesses an beachtlichen Leistungsbilanzdefiziten, die vor allem durch hohe Fehlbeträge im Güterhandel verursacht werden. Ein kräftiges Plus in der Dienstleistungsbilanz bildet dazu fast überall ein Gegengewicht. Den wichtigsten Beitrag dafür liefert der Fremdenverkehr. "Der Tourismus ist ein wichtiger Faktor zur Begrenzung der chronischen Leistungsbilanzdefizite im zentral- und osteuropäischen Raum geworden", meint Stefan Bruckbauer, der stellvertretende Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Bank Austria Creditanstalt. Über den Fremdenverkehr bietet sich darüber hinaus die Gelegenheit, ein großes ökonomisches Potenzial zu heben, von dem die Wirtschaft in der gesamten Region frische Impulse erhält. "Insbesondere die geographisch begünstigten Länder Südosteuropas können profitieren und einen dauerhaften Aufschwung sichern", fasst Walter Pudschedl, der Autor der neuen Analyse der BA-CA, die Ergebnisse zusammen.

Güterhandel verursacht Leistungsbilanzlücke
Mit dem Beginn der wirtschaftlichen Wende zu Beginn der 90er Jahre setzte die Passivierung der Leistungsbilanz in den Ländern der Region ein, die überwiegend auf eine deutliche Verschlechterung des Handelsbilanzsaldos zurückzuführen war. Die Modernisierung der Wirtschaft erforderte hohe Kapitalgüterimporte. Zudem boomte die Einfuhr westlicher Markenkonsumartikel, während die notwendige Umorientierung bei Exportmärkten und -güter das Ausfuhrergebnis beeinträchtigte. In fast allen Ländern der Region hat das Handelsbilanzdefizit deshalb ab der zweiten Hälfte der 90er Jahre eine beachtliche Höhe erreicht. Im Jahr 2002 betrug der durchschnittliche Fehlbetrag in den acht EU-Beitrittsländern 5,3 Prozent des BIP und in Südosteuropa sogar über 17 Prozent.

Wettbewerbsvorteile im Dienstleistungshandel in Zentral- und Osteuropa
Während in Polen, Rumänien und Mazedonien 2002 die Dienstleistungsbilanz leicht negativ ausgefallen ist, konnte in den übrigen Ländern der Region jedoch ein zum Teil beträchtlicher positiver Saldo erwirtschaftet werden, der dem Defizit im Güterhandel entgegenwirkte. Kroatien weist in einer Rangliste mit einem Wert von fast 14 Prozent des BIP den höchsten Wert auf, gefolgt von den baltischen Staaten und Bulgarien. Neben der hohen internationalen Konkurrenzfähigkeit der Transportwirtschaft ist dafür vor allem das gute Ergebnis der Tourismussparte maßgeblich.

Die Fremdenverkehrsbilanz weist in allen Ländern, ausgenommen Rumänien und Mazedonien, einen Überschuss auf. Die kroatische Fremdenverkehrsbilanz gibt für 2002 sogar ein Plus von 13,5 Prozent des BIP an. Aber auch Bulgarien und Estland erreichen mit 4,5 bzw. fast 5 Prozent des BIP einen höheren Überschuss als etwa die Tourismushochburg Spanien (+4,1 Prozent des BIP). "Insbesondere das gute Resultat in Kroatien und in Bulgarien kann für die übrigen Länder Südosteuropas ein positives Beispiel abgeben, damit die im Vergleich zu den acht EU-Beitrittsländern Zentral- und Osteuropas günstigeren klimatischen Verhältnisse für den Tourismus genutzt werden können", meint BA-CA Osteuropa-Experte Walter Pudschedl. "Investitionen in die Fremdenverkehrsinfrastruktur und die Stabilisierung der politischen Rahmenbedingungen sind dafür ganz wesentliche Voraussetzungen", so Pudschedl weiter.

Deviseneinnahmen noch ausbaufähig
Noch sind die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus in den wirtschaftlich schwächeren Ländern Südosteuropas sehr gering. Die jährlichen Einnahmen betragen nur zwischen 1 und 2,5 Prozent des BIP oder 20 bis 30 Euro pro Einwohner. Durch jährlich 40 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste kann hingegen Kroatien Deviseneinnahmen von über 4 Milliarden Euro pro Jahr verbuchen. Das entspricht sogar 17 Prozent des BIP und ist mit großem Abstand der höchste Anteil in der gesamten Region, vor Estland und Bulgarien (jeweils 8,5 Prozent des BIP) sowie Slowenien, das hier mit einem Wert von ca. 5 Prozent des BIP etwa gleichauf mit Österreich liegt.

In Relation zur Einwohnerzahl betragen die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus in Kroatien damit fast 920 Euro. An zweiter Stelle einer entsprechenden Rangliste liegt Slowenien mit fast 700 Euro. In Bulgarien, das im Verhältnis zum BIP zwar einen hohen Wert ausweist, liegen die Pro-Kopf Einnahmen hingegen nur bei unter 200 Euro. "In Österreich betragen die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus hingegen fast 1.500 Euro pro Einwohner", verweist Ökonom Bruckbauer auf die vergleichsweise hohe Bedeutung des Tourismus für die heimische Wirtschaft und das große Potenzial, das in Zentral- und Osteuropa noch besteht.
     
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