Entwurf Heimvertragsgesetz im Ministerrat
Wien (bmj) - Die vertragsrechtlichen Beziehungen zwischen Alten- und Pflegeheimen und ihren Bewohnern
sind derzeit nicht einheitlich geregelt. Zwar schreiben einige Länder in ihren Heimgesetzen den Alten- und
Pflegeheimen vor, wie die Verträge ausschauen müssen. Auch hat das Sozialministerium einen Musterheimvertrag
ausgearbeitet; daran müssen sich die Alten- und Pflegeheime aber nicht halten, weil seine Verwendung freiwillig
ist. Diese diffuse Rechtslage führt nun zu gravierenden Mängeln und Defiziten in der rechtlichen Position
der Heimbewohner: Ihre Rechte sind ihnen nicht klar, sie sind vielfach den Interessen des Heimbetriebs untergeordnet,
sie haben nur einen rudimentären Kündigungsschutz, und sie sind auch wirtschaftlich dem Heimträger
ausgeliefert. Eine von Justizminister Dr. Böhmdorfer in Auftrag gegebene Untersuchung hat gezeigt, dass in
den Heimverträgen vielfach nicht einmal die Mindestanforderungen des Konsumentenschutzgesetzes eingehalten
werden, sondern gesetzwidrige Klauseln und Verträge gang und gäbe waren.
Der dem Ministerrat von Justizminister Dr. Böhmdorfer vorgelegte Entwurf für ein Heimvertragsgesetz soll
diesen Mängeln abhelfen. Ziel des Vorhaben ist die Verbesserung der rechtlichen Position alter und pflegebedürftiger
Menschen in Heimen. Es soll nicht mehr so sein, dass die Bewohner ihre bürgerlichen Rechte quasi beim Eintritt
in das Heim abgeben. Sie sollen im Gegenteil ab der Aufnahme besonders geschützt werden. Die Schieflage zwischen
den Heimen und ihren Bewohnern, das wirtschaftliche und auch rechtliche Ungleichgewicht, soll ausgeglichen und
behoben werden.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass das Konsumentenschutzgesetz und das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch
auf Heimverträge volle Anwendung finden. Das bedeutet, dass die zum Schutz der Verbraucher geltenden Vorschriften
auch in diesem Bereich greifen. Willkürliche Preis- und Leistungsänderungen, unfaire Vertragsklauseln
(z. B. über den Ausschluss der Haftung des Heimträgers), einseitige Bevorzugungen der Heime oder unsoziale
Kündigungsmöglichkeiten werden damit endgültig der Vergangenheit angehören.
Darüber hinaus werden besondere Schutzvorkehrungen getroffen, wo dies in der Praxis notwendig ist: Zum einen
sind hier besondere Informationsverpflichtungen der Heime zu nennen. Die Interessenten und ihre Angehörigen
sollen vorweg wissen, welche Leistungen sie erwarten können und worauf sie sich bei einer derart weitreichenden
Entscheidung, in ein Heim zu gehen, auch einlassen. Die Heimträger sollen verpflichtet werden, Interessenten
auf Anfrage ihr Leistungsspektrum bekannt zu geben, ähnlich wie dies beispielsweise bei Pauschalreisen der
Fall ist. Darüber hinaus werden zwingende Mindestinhalte für Heimverträge vorgegeben (z. B. über
die räumliche Unterbringung, die Verpflegung, die Betreuung und Pflege und die kulturellen Angebote im Heim).
Diese vertraglichen Verpflichtungen sind vom Heimträger einzuhalten. Der Bewohner hat Anspruch darauf, und
das Heim kann sich nicht auf „unverbindliche Absichtserklärungen“ berufen. Wenn das Heim seine Verpflichtungen
nicht einhält, soll sich automatisch das Entgelt, das der Heimträger zahlt, mindern.
Ergänzt werden diese Informationspflichten durch einige besonders wichtige Schutzbestimmungen zu Gunsten der
Heimbewohner. Ihnen wird etwa das Recht eingeräumt, eine Vertrauensperson namhaft zu machen, an die sich der
Träger in wichtigen Angelegenheiten zu wenden hat (etwa einen Angehörigen). Diese Vertrauensperson soll
dem Heimbewohner helfen, sich im Kontakt mit dem Heim zu artikulieren, sie soll helfen, Missverständnisse
zu vermeiden und zu klären. Sie soll aber nicht über den Kopf des Bewohners hinweg zu seinen Ungunsten
Entscheidungen treffen können.
Eine in der Praxis wichtige Frage betrifft die Einhebung von Kautionen: Manche Heime verlangen von ihren Bewohnern
beträchtliche Beträge, mit denen angebliche Forderungen des Heims gegen den Bewohner nach Beendigung
des Vertrags abgedeckt werden sollen. Die eingehobenen und verlangten Kautionen erreichen bisweilen ein hohes Ausmaß.
Solche Kautionen sollen beschränkt werden (auf den Maximalbetrag von 400 € pro Monat). Auch kann das Heim
mit solchen Kautionen nicht frei wirtschaften, sondern hat sie auf ein gesondertes Treuhandkonto zu legen. „Eintrittsgelder“,
mit denen sich die Bewohner in manchen Heimen die Aufnahme gleichsam „erkaufen“ müssen und denen keine Gegenleistung
des Trägers gegenübersteht, sollen künftig so wie „Ablösen“ im Mietvertrag unzulässig
sein.
Ergänzt werden diese Bestimmungen durch einen wirksamen Kündigungsschutz zu Gunsten der Bewohner: Die
Kündigung des Vertrags soll durch ein Heim nur aus wichtigen Gründen (z. B. Einstellung des Betriebs
des Heimes, besondere Pflegebedürftigkeit des Bewohners, unzumutbares Verhalten des Heimbewohners oder mehrmonatiger
Verzug mit dem Entgelt) zulässig sein. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Bewohner aus nichtigem Anlass
oder deshalb, weil ein finanziell besser gestellter Interessent aufgenommen werden will, von heute auf morgen vor
die Türe gestellt wird.
Die neuen Regelungen sollen nach den derzeitigen Planungen des Justizministeriums mit 1. Juli 2004 in Kraft treten.
Damit soll den Heimen ein ausreichender Zeitraum eingeräumt werden, um sich auf die neue Rechtslage vorzubereiten
und einzustellen.
Ein anderes wichtiges Vorhaben zur Verbesserung der Rechte von Heimbewohnern betrifft die Frage der Zulässigkeit
und der Kontrolle von Freiheitsbeschränkungen in Heimen. Bisweilen sind solche Freiheitsbeschränkungen
zum Schutz der Bewohner notwendig, weil sie sich ansonsten selbst gefährden. Das Personal der Heime hat für
solche Maßnahmen aber keine ausdrücklichen gesetzlichen Grundlagen, es bewegt sich in einer rechtlichen
Grauzone. Der Verfassungsgerichtshof hat vor wenigen Wochen einem Antrag der Bundesregierung weitgehend Folge gegeben
und klargestellt, dass die Regelung solcher Freiheitsbeschränkungen Bundessache sei. Dazu hat das Justizministerium
schon im vergangenen Sommer einen Gesetzesentwurf vorgestellt. Dieser Gesetzesentwurf soll nun auf der Grundlage
der Begutachtungsergebnisse überarbeitet und auch noch mit den maßgeblichen Interessenvertretern diskutiert
werden. Nach der derzeitigen Planungen soll dem Nationalrat auch zu diesem Bereich im Herbst ein Gesetzesentwurf
vorgelegt werden. Ziel dieses Teils des Projektes ist einmal mehr der Schutz der Würde und der Rechte der
Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. |