An dieser Stelle haben wir am vergangenen Montag die Frage gestellt, wie stabil unsere Regierung wohl sei. Der
Tag darauf brachte keine schlüssige Antwort. Die SPÖ hatte, wie berichtet, zu einer hochsommerlichen
Sondersitzung des Nationalrats aufgerufen, um, so hoffte man, gemeinsam mit den Grünen und Teilen der FPÖ
einen Entschließungsantrag zu verabschieden und damit die bekanntermaßen notwendige Steuerreform gegen
den Willen der ÖVP vorzuziehen.
Im Vorfeld gab es die wildesten Spekulationen, auch ein Auseinanderbrechen der Koalition stand im Bereich des Möglichen.
Am Nachmittag des Dienstag (12. 08.) fanden sich also - bis auf vier Entschuldigte - alle Abgeordneten im Hohen
Haus ein, reisten aus den Urlaubsdomizilen ins brütend heiße Wien. Von einer ernsthaften Debatte über
wirtschaftliche Notwendigkeiten und von eventuellen neuen Lösungsvorschlägen war dann aber in der - vom
ORF live übertragenen - Debatte im Plenum nichts zu hören. Vor allem wurden bereits mehrfach gegenseitig
erhobene Vorwürfe wiederholt, Redner ergingen sich darin, der jeweils anderen Parlamentshälfte allgemeine
Vorhaltungen zu machen, vor der letzten Wahl Versprochenes nicht erfüllt zu haben oder - in die andere Richtung
- aus prinzipiellen Gründen an der Lösung von Problemen nicht mitwirken zu wollen. Der Bundessprecher
der Grünen, Dr. Alexander Van der Bellen, warf etwa dem Vorsitzenden der SPÖ, Dr. Alfred Gusenbauer,
vor, er würde an einer Koalition mit der FPÖ unter dem Kärntner Landeshauptmann Dr. Jörg Haider
schmieden. Gusenbauer stellte fest, es sei ausschließlich darum gegangen, Mehrheiten in gewissen Sachfragen
zu bilden. Was aber im vorliegenden Fall nicht funktioniert hat, denn über ein Vorziehen der Steuerreform
wurde nicht abgestimmt, zumindest nicht am Dienstag: Da sich ÖVP und Koalitionspartner FPÖ trotz intensiver
Versuche auf keinen neuen "Fahrplan" einigen konnten, wurde das weitere Vorgehen dem bereits im Ministerrat
gefaßten Beschluß zugrunde gelegt. Das heißt, keine Änderung des Ablaufes, die Steuerreform
wird in zwei Etappen durchgeführt, beginnend mit 2004, wo etwa ein großer Teil der kleineren Einkommmen
aus der Steuerpflicht herausfällt.
Ach ja: Wie stabil unsere Regierung wirklich ist, wird sich zeigen, wenn - nach dem Urlaub - die (politische) Arbeit
wieder aufgenommen wird und eine Sitzung des Nationalrates nicht zum medialen Großereignis im journalistischen
Sommerloch hochstilisiert wird. (mm) |