SPÖ, ÖVP und FPÖ einige in Bezug auf Überflugsgenehmigungen
Oppositionsanträge zu Atomkraft und Verkehr fanden keine Mehrheit
Wien (pk) - Am Beginn der heutigen Sitzung des Hauptausschusses, die unter der Leitung des Präsidenten
des Nationalrates Heinz Fischer stand, nahm Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zum bevorstehenden außerordentlichen
informellen EU-Rat, der auf Grund der Terroranschläge in den USA einberufen wurde, Stellung. Bundeskanzler
Schüssel erklärte dazu, dass der UN-Sicherheitsratsbeschluss Nr.1368, der eine scharfe Verurteilung der
Anschläge vornimmt, sehr klar gefasst sei und auch einen Auftrag an uns darstelle, die Maßnahmen zur
Aufspürung der Massenmörder mit unseren Mitteln zu unterstützen. Schüssel präzisierte
damit, dass Österreich zwar an keinen militärischen Aktionen teilnehmen könne, jedoch Überflugsanträge
positiv entscheiden würde. Diese Auffassung bestätigten auch Gutachten des Verfassungsdienstes und des
Völkerrechtsbüros, wonach die UN-Sicherheitsresolution im Zusammenhang mit der Erklärung der EU
sowie im Zusammenhang mit dem Truppenaufenthaltsgesetz und den internationalen Verpflichtungen zur Sicherung des
Luftraums eine solche Genehmigung durch Österreich legitimiere.
Präsident Fischer ergänzte dazu, dass die Sicherheitsresolution eine Übereinstimmung der Maßnahmen
mit der UNO-Charta normiere, was eine wesentliche Begrenzung darstelle, die für die Beurteilung durch Österreich
wichtig sei. Auch Abgeordneter Peter Schieder (S) nannte die Resolution einen "interessanten und weisen Beschluss",
der deutlich zum Ausdruck bringe, dass der Sicherheitsrat gewillt sei, das Gesetz des Handelns bei sich zu behalten
und nicht zu delegieren. Er unterstütze daher die Haltung der Bundesregierung in Bezug auf Überflugsgenehmigungen.
Auch Andreas Khol (V) schloss sich dieser Einschätzung an und meinte, dass die Resolution eine taugliche Grundlage
für die Unterstützung von internationalen Polizeimaßnahmen sei. Es handle sich hier nicht um einen
Krieg im Sinne des Völkerrechts, sondern um Maßnahmen im Sinne der UNO-Satzungen. Auch der Dritte Nationalratspräsident
Werner Fasslabend unterstützte die Position der Bundesregierung.
Die Abgeordneten widersprachen damit der Auffassung der Grünen, dass die vorliegende Resolution des Sicherheitsrates
nicht ausreiche, um Gewaltmaßnahmen gegen einen Staat zu ergreifen. Abgeordnete Eveline Lichtenberger (G)
befürchtete das Kippen der Terrorismusbekämpfung in eine Eskalationsspirale eines konventionellen Krieges.
Sie plädierte daher für einen friedenspolitischen Ansatz, der von der Logik des Krieges weg und zur Logik
der Terrorismusbekämpfung hin führe. Eva Glawischnig (G) kritisierte die "Oberflächlichkeit"
in Bezug auf die Überflugsgenehmigungen und warnte vor einer Destabilisierung von Weltregionen durch Militarisierung.
Die Grünen verlangten daher auch in einem Antrag auf Stellungnahme, dass jede zukünftige Maßnahme
nur auf Grund von weiteren Beschlüssen des Sicherheitsrates erfolgen dürfe. Dieser Antrag wurde von S,
V und F nicht mitgetragen und blieb somit in der Minderheit.
Der kommende außerordentliche informelle EU-Rat werde, so der Bundeskanzler, eine gemeinsame Botschaft
an die USA formulieren, die klar ausdrücken werde, dass Europa absolut an der Seite Amerikas stehe. Es würde
auch die Unterstützung der UNO-Beschlüsse, der NATO-Beschlüsse und der Beschlüsse anderer Staaten,
die eine Allianz von 180 Länder bilden, bekräftigt, sagte Schüssel weiter. Aufbauend auf die Schlussfolgerungen
der Innen- und Justizminister, die morgen tagen würden, werde man über einen international verzahnten
Kampf der Sicherheits- und Justizbehörden gegen der Terror beraten. Dies werde einen europäischen Haftbefehl
und europäische Auslieferungsbedingungen erforderlich machen sowie eine Kooperation der Nachrichtendienste
und Staatspolizeien. Man werde auch über eine Erhöhung der Sicherheitsstandards auf den Flughäfen
diskutieren, wobei der Flughafen Schwechat zu jenen gehöre, die die höchsten Sicherheitsvorkehrungen
treffe.
Wenn Amerika seine Sicherheitskräfte bündeln sollte und sich aus Krisengebieten, etwa aus dem Kosovo,
zurückziehen sollte, müssten hier die Europäer die Lücke schließen. Dazu bedürfe
es jedoch eines Beschlusses, stellte Schüssel fest.
Der Bundeskanzler sprach sich für einen klaren Friedensappell an die Konfliktparteien im Nahen Osten aus
und unterstrich, dass man alles daran setzen müsse, den Dialog der Zivilisationen fortzusetzen. Keinesfalls
dürfe es zu einem "clash of civilisations" kommen, weshalb er besonders die Bemühungen der
Religionsvertreter in Österreich hervorhob, diesen Dialog in nächster Zeit zu intensivieren. Schüssel
warnte auch davor, falsche Emotionen zu schüren und sprach sich für ein bedachtes Vorgehen aus. Diese
Aussage wurde später von Abgeordnetem Caspar Einem (S) besonders unterstrichen und unterstützt. Dennoch
ließ der Bundeskanzler keinen Zweifel daran, dass nun Schritte gegen den Terror und die in letzter Zeit dramatisch
angestiegenen Selbstmordattentate gesetzt werden müssen. Selbstverständlich, bekräftigte er, dürften
Bürgerrechte nicht beschnitten werden, im Kampf gegen Massenmörder seien jedoch alle Mittel zum Aufspüren
notwendig und legitim. Täter, Organisationen und Unterstützer seien zur Verantwortung zu ziehen, und
das betreffe eben auch Staaten. Am Ende der Kette dürfe man daher nicht zurückschrecken und auf notwendige
Mittel verzichten. Notfalls müsse man eben Schlupflöcher und Netze mit militärischen Mitteln zerstören.
Im Zusammenhang mit der Terrorbekämpfung steht laut Schüssel auch die Geldwäsche, daher stelle
sich hinsichtlich des Bankgeheimnisses die Frage, inwieweit bei Vorliegen eines internationalen Verdachtes, der
sich zu erhärten scheint, nationales Handeln erforderlich sei.
Sowohl Abgeordneter Josef Cap (S) als auch Abgeordneter Karl Schweitzer (F) sprachen sich vehement dafür
aus, die wirtschaftlichen und sozialen Wurzeln des Terrors ernsthaft zu bekämpfen. Cap betonte, dass die öffentliche
Diskussion, die sich in erster Linie mit Sicherheitsmaßnahmen beschäftige, einfach zu kurz greife. Schweitzer
warf ein, dass Rache und Vergeltung nach dem Motto, "der Zweck heiligt die Mittel", nicht stattfinden
dürften. Man müsse bedächtig reagieren und die islamischen Staaten in der Koalition gegen den Terror
halten. Die jüngsten Ereignisse sollten ein Startschuss zur Überprüfung internationaler Politiken
sein und dabei sei es auch legitim, etwa die Rolle der USA im Nahen Osten zu diskutieren.
Abgeordneter Andreas Khol (V) zeigte sich insbesondere über das gute Zusammenwirken von Bundesregierung
und Nationalrat zufrieden und dankte für den regelmäßigen Informationsfluss an die vier Klubobleute.
Die jüngsten Ereignisse machten, so Khol, auch deutlich, dass die Grenze zwischen Außen- und Innenpolitik
in einer vernetzten Welt fließend sei.
Atom- und Verkehrspolitik weiterhiin Streitpunkt zwischen Regierung und Opposition im Zusammenhang mit
der EU-Erweiterung
Die Abgeordneten befassten sich darüber hinaus auch mit dem Arbeitsprogramm der belgischen EU-Präsidentschaft
auf dem Gebiet der Erweiterung, wobei die Themen Ausstieg aus der Atomenergie und europäische Verkehrspolitik
im Mittelpunkt der Debatte standen. Dazu wurden vier Anträge auf Stellungnahme von der Opposition eingebracht,
die keine Mehrheit fanden.
Drei Anträge befassten sich mit der Atompolitik, wobei sich die SozialdemokratInnen dafür aussprachen,
sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen im Kapitel Energie für die Festlegung konkreter Ausstiegsszenarien
einzusetzen und die vom Europäischen Parlament beschlossene Ausstiegskonferenz zum AKW Temelin tatsächlich
einzuberufen. Abgeordneter Josef Cap (S) erläuterte dazu, dass die bisherigen Aktivitäten zu kurz griffen
und angesichts der terroristischen Angriffe die Frage der Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken nicht zu tatsächlicher
Sicherheit führten. Der Melker Prozess sei gescheitert, und daher seien nun Schritte für den Ausstieg
aus der Atomenergie das Gebot der Stunde. Er wurde darin von Abgeordnetem Georg Oberhaidinger (S) unterstützt,
der die neue Dimension der Sicherheitsfrage bei AKWs nochmals unterstrich. Abgeordneter Schieder (S) brachte in
diesem Zusammenhang auch seine Skepsis gegenüber einem Veto bei den Erweiterungsverhandlungen zum Ausdruck,
da dieses nicht mehr Sicherheit bringe.
Auch die Grünen forderten in einem Antrag EU-interne Maßnahmen für einen Ausstieg aus der Atomenergie
und wandten sich vor allem gegen weitere Zusagen zu EURATOM-Anleihen. Sie wollen, dass im EURATOM-Vertrag der Förderzweck
gestrichen wird. In einem zweiten Antrag ersuchen sie die Außenministerin, einem vorläufigen Abschluss
der Verhandlungen des Energiekapitels mit Tschechien nur zuzustimmen, wenn das AKW Temelin den höchsten Stand
der Technik entspricht. Auch sie treten für die Abhaltung einer internationalen Ausstiegskonferenz ein und
fordern genau so wie die SozialdemokratInnen für die Hochrisikoreaktoren Kozloduy 3 und 4 und Ignalina 2 verbindliche
Schließungsdaten. Für alle anderen Reaktoren soll die Bundesregierung darauf drängen, dass alle
Vorschläge der EU, die im Bericht über die nukleare Sicherheit im Kontext der Erweiterung angeführt
werden, rasch und vollständig umgesetzt werden. Abgeordnete Eva Glawischnig G) wies dabei auf die bestehenden
Entschließungen des Nationalrates hin.
Dem gegenüber führten die Abgeordneten Schweitzer (F) und Josef Trinkl (V) ins Treffen, dass es ohnehin
klare Linie der Bundesregierung sei, das Energiekapitel mit Tschechien nicht abzuschließen, solange Temelin
nicht hohen Standards entspreche. Man müsse aber den Dialog fortsetzen. Auch Bundeskanzler Schüssel sprach
sich für den Dialog aus und meinte, dass dieser bisher insofern erfolgreich gewesen sei, als er auf die europäische
Ebene gehoben worden sei und man durch die Hintertür Standards verankern konnte, die es bisher nicht gab.
Er räumte zwar ein, dass die Antworten der tschechischen Regierung bislang nicht befriedigend und die Gespräche
schwierig seien, ein Abbruch würde jedoch dazu führen, dass Tschechiens Energiepolitik so bleibt, wie
sie ist.
Bundeskanzler Schüssel ging auch auf die Problematik Transitvertrag ein, nachdem die Verhandlungen des
Verkehrskapitels vor der Tür stehen. Österreich habe mittlerweile eine Klage beim EuGH eingebracht und
Mitte Oktober werde die zuständige Kommissarin Loyola de Palacio nach Wien kommen. Der Bundeskanzler sprach
die Hoffnung aus, dass man bei Abschluss der Verhandlungen die anderen 14 EU-Staaten von der eigenen Position überzeugen
könne und man eine Nachfolgeregelung für den Transitvertrag erreichen werde. Jedenfalls wolle man dieses
Thema nicht an das Verkehrskapitel koppeln.
Die Grünen brachten auch dazu einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem verlangt wird, dem Ausbau des
Schienennetzes zwischen den EU-15 und den Beitrittskandidaten zeitliche und finanzielle Priorität gegenüber
der Erweiterung des Straßennetzes einzuräumen. Dagegen erhob Abgeordneter Khol (V) insofern Bedenken,
als er die Konzentration auf das Schienennetz als zu kurz gegriffen bezeichnete, da man ein umfassendes Verkehrskonzept
benötige. Auch Abgeordneter Anton Wattaul (F) äußerte eine diesbezügliche Skepsis, da bei
einem nationalen Ausbau des Schienennetzes darauf geachtet werden müsse, dass die Nachbarländer daran
anschließen können.
Abgeordnete Lichtenberger (G) unterstützte aber ausdrücklich das Vorgehen der Bundesregierung im Zusammenhang
mit der Nachfolgeregelung für den Transitvertrag.
|
|
|