Wissenschaft in Europa |
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Elektrogeräte hören aufs Wort Bonn (alphagalileo) - Mit den Segnungen der Informationstechnologie haben nicht nur ältere Menschen und Behinderte ihre liebe Müh’. Hat die gedruckte Gebrauchsanweisung für Computer oder Anrufbeantworter noch viele früher oder später zur Weißglut gebracht, so ist es inzwischen etwas besser geworden: Eingebaute elektronische Handbücher - vielleicht sogar mit Hilfefunktionen - oder ShowView bei Videorekordern erleichtern es, die immer komplexeren Einstellungen vorzunehmen. Wie angenehm wäre eine Schnittstelle, die den Benutzer versteht: »Nimm mir den Krimi heute Abend im ersten Programm auf!« - und er tut’s. Diese Kommunikation zwischen Mensch und Geräten zu verbessern, ist das Ziel von EMBASSI - dem Projekt Elektronische Multimediale Bedien- und Service-Assistenz. Es ist eins von sechs verwandten Leitprojekten, die seit 1999 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Auf der Tagung »Mensch und Computer«, die vom 2. bis 5. September in Hamburg stattfand, zeigten die Projektpartner, was derzeit technisch möglich. Während dieser Veranstaltung konzentrieren sich Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD und ihre Projektkollegen auf elektrische und elektronische Geräte im Haushalt. »Die klassische Fernbedienung haben wir durch Funktionen erweitert, die alle möglichen Geräte steuern können«, erläutert Dr. Thomas Kirste, der das Projekt im Institutsteil Rostock betreut. »Wenn Sie im Sessel sitzen und fernsehen möchten, können Sie alle Lampen einzeln dimmen oder die Rollos herunterlassen ohne aufzustehen.« Möglich wird diese Selektivität durch kleine Infrarotsensoren, die an allen Geräten angebracht sind. Die Richtung, in die die Fernbedienung zeigt, bestimmt das zu schaltende Gerät. In der nächsten Stufe, die ebenfalls in Hamburg vorgeführt wird, ermitteln ein Sprachanalysesystem und eine Kamera mit Bildauswertung, was der Nutzer möchte. »Sitzt er in einer Ecke des Raums und sagt ,Lampe aus´, so versteht das System, dass nur die Leselampe in dieser Ecke gemeint sein kann«. Als weiteres Eingabemedium dient ein bewusst einfach gehaltenes Interface, das auf einem Bildschirm angezeigt wird. Hat beispielsweise die Spracheingabe analysiert, dass der Videorekorder am Abend einen Krimi aufnehmen soll, so werden dort alle Krimis der per Satellit übertragenen Programmvorschau angezeigt. Falls das System nicht längst die Vorliebe des Nutzers für »Tatort« kennt, lässt sich dieser Film über die Fernbedienung auswählen. |
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Mehr Durchblick in der Kristallzucht Bonn (alphagalileo) - Auf dem Weg zu immer feineren mikroelektronischen Strukturen muss die Wellenlänge der eingesetzten UV-Strahlung kürzer werden. Die kommende Generation der Photolithographie arbeitet bei 157 Nanometern - eine Wellenlänge, für die Gläser und selbst Quarzglas nicht oder nur wenig durchlässig sind. Das Material der Wahl ist einkristallines, hochreines und defektarmes Calciumfluorid (mineralogisch Flussspat). In Linsen- oder Prismenform bündelt und lenkt es UV bis etwa 130 Nanometer um. Dabei muss das Brechungsverhalten möglichst gleichmäßig sein, um die Qualität der abgebildeten Chipstrukturen nicht zu verschlechtern. Wer selbst schon einmal versucht hat, aus wässrigen Salzlösungen große und perfekte Kristalle zu züchten, erahnt die Schwierigkeiten. Ungleich anspruchsvoller wird es, wenn ein makelloser Kristall aus einer über 1 400 °C heißen Schmelze gezüchtet werden soll. Um die Bedingungen dafür und die Produktionsanlagen zu optimieren, hat das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS im Bereich Bauelementetechnologie das Computerprogramm CrysVUn entwickelt. Es trug dazu bei, dass der Industriepartner Schott Lithotec seit 1998 zum weltweit führenden Hersteller von Calciumfluoridkristallen aufgestiegen ist. »Ganz wesentlich ist es, die Temperaturverteilung bei der Züchtung zu kennen«, betont Professor Georg Müller, Leiter des Kristalllabors. »Wie bei Gläsern muss die Schmelze sehr kontrolliert abkühlen, damit im Kristall keine thermischen Spannungen zurückbleiben. Denn wie Schlieren vermindern sie die optische Qualität.« Um die Zusammenhänge zwischen den Herstellungsbedingungen und den Materialeigenschaften besser zu durchblicken, bauten seine Mitarbeiter eine Züchtungsapparatur. Damit untersuchten sie unter anderem, wie die Temperaturverteilung die Güte des Einkristalls beeinflusst. Heraus kam ein verbessertes Rechenmodell, das nur noch ein Prozent von experimentellen Daten abweicht. Müller kennt den Grund dafür: »Im älteren Standardmodell wurde der Wärmetransport durch infrarote Strahlung im Calciumfluorid nicht korrekt beschrieben. Das verbesserte Modell liefert jetzt genauere Aussagen: Selbst die Form der Phasengrenze zwischen Schmelze und wachsendem Kristall, die wesentlich die Kristallqualität beeinflusst. |
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Interaktives Chirurgie-Robotersystem implantiert Hüfte Exakte Ausrichtung der Operationswerkzeuge auch bei Patientenbewegung möglich Frankfurt (pte) - Weltweit erstmals ist in Frankfurt ein interaktives Chirurgie-Robotersystem für eine künstliche Hüftimplantation eingesetzt worden. Bei der Operation wurde einem 54jährigen männlichen Patienten das Kunstgelenk eingesetzt, das aus einer im Beckenknochen verankerten Pfannen- und einer im Oberschenkelknochen verankerten Schaftprothese besteht. Das System wurde im Rahmen einer interdisziplinären Kooperation von Ingenieuren der Universität Siegen und Medizinern der Orthopädischen Universitätsklinik Frankfurt entwickelt. Der Operationsroboter unterstützt eine reproduzierbar genaue Implantation der Pfannenprothese. Dies wird dadurch ermöglicht, da der Roboter kleines Lageveränderungen des Patienten auf dem Operationstisch durch ein 3D-Messsystem erfasst und die Operationswerkzeuge verzögerungsfrei nachführt. Die exakte Ausrichtung der Werkzeuge leibt daher auch bei veränderter Lage des Patienten erhalten. Bisher, so die Entwickler, kann die bei Hüftoperationen eingesetzte Robotertechnik lediglich den Oberschenkelknochen zur Aufnahme der Schaftprothese bearbeiten. Dabei muss die Pfannenprothese in manueller Operationstechnik eingesetzt werden. Der Roboter bewegt die chirurgischen Instrumente mit einer Präzision von Zehntelmillimetern genau in die Positionen, die vom Arzt bei der Operationsplanung festgelegt wurden, und folgt automatisch möglichen Patientenbewegungen während der Operation. Die interaktive Arbeitsweise des Systems mit nur wenigen vollautomatisch ausgeführten Schritten unterscheidet es von bestehenden Operationsrobotern. Der Operateur bedient die vom Roboter genau positionierten Instrumente selbst und behält dadurch die vollständige Kontrolle über den Operationsablauf. Die robotergestützte Implantation wurde von Fridun Kerschbaumer von der Abteilung für Rheumaorthopädie der Orthopädischen Universitätsklinik Frankfurt Stiftung Friedrichsheim durchgeführt. Kerschbaumer leitet auch die medizinische Seite der Forschungsarbeiten Die technische Entwicklung des Operationsroboters wird am Zentrum für Sensorsysteme (ZESS) der Universität Siegen unter der Leitung von Jürgen Wahrburg durchgeführt. Entwicklungsziel ist es, in Verbindung mit neuen Operationstechniken die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit beim Einsetzen von Prothesen und Verschraubungen zu verbessern. |
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Mit Kunststoffen Bakterien angeln Bonn (alphagalileo) - Wer im warmen Urlaubsland eine Lebensmittelvergiftung durchlitten hat, konnte am eigenen Leib erfahren, wie wichtig Hygienevorkehrungen und mikrobielle Lebensmitteltests sind. Viele Bakterienarten wie Salmonellen vermehren sich in der Wärme auf Fleisch oder in Milchprodukten derart rasant, dass eine relativ langwierige Laboruntersuchung kaum Auskunft über die akute Gefahr gibt. Daher bieten verschiedene Hersteller Test-Kits für die Hosentasche an. Doch wie erkennen solche Tests, welche der vielen Mikroben pathogen sind? Eine hohe Spezifität liefern Antigen-Antikörper-Reaktionen, wie sie auch bei der Immunabwehr im lebenden Organismus ablaufen. Für ein Test-Kit wird der Antikörper chemisch an ein Trägersubstrat fixiert und mit der Probelösung versetzt. Wie ein Schlüssel nur in das zugehörige Schloss passt, so bleiben Antigene wie Bakterien, Viren oder toxische Proteine nur an ihrem zugehörigen Antikörper haften. Nach dem Spülen wird ein Färbereagenz zugesetzt. Die Tiefe des Farbtons kann mit kleinen, tragbaren Die technologische Crux besteht vor allem darin, Antikörper oder andere große Biomoleküle so schonend am Träger zu verankern, dass möglichst viele von ihnen ihre biologische Aktivität beibehalten, wie Dr. Andreas Holländer vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP erläutert: »Wir behandeln Trägerkörper aus Polyethylen, -propylen oder gar Teflon chemisch derart, dass sich reaktive Molekülgruppen an ihrer Oberfläche bilden. Daran koppeln wir die Erkennungsschlüssel richtig orientiert und besonders fest.« Gegenüber älteren Testverfahren ergeben sich daraus zwei wesentliche Vorteile: »Die richtige räumliche Orientierung der Antikörper auf dem Substrat sorgt für eine erhöhte Empfindlichkeit des Tests«, weiß Dr. Michael Keusgen, der an der Universität Bonn die biologische Seite des Projekts betreut. »Denn Moleküle, die - bildlich gesprochen - ihre Köpfe in das Substrat stecken, tragen zum Test nicht bei.« Die Festigkeit der Bindung verhindert, dass die Antikörper oder ihr Koppelprodukt von großen Volumina der Probelösungen fortgespült werden. Bisher mussten Anreicherungskulturen angesetzt werden, um höhere Bakterienkonzentrationen zu erbrüten. Auf diesen zeitraubenden Schritt kann nun meist verzichtet werden. Komplette Test-Kits für verschiedene Anwendungen vermarktet inzwischen das Unternehmen Biognosis GmbH in Jülich. |
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Birkenrinde gegen Krebs Ulmer Kinderonkologin erhält hohe Auszeichnung für Entdeckung Ulm (pte) - Mit Birkenrindenextrakt will die Ulmer Kinderonkologin Simone Fulda http://www.uni-ulm.de krebskranke Kinder heilen. Betulinsäure, ein Naturstoff aus der Birkenrinde, ist möglicherweise in der Lage, bisher unverwundbare Krebszellen zerstörbar zu machen. Die meisten der heute gängigen Krebsmedikamente wirken so, dass sie in den Krebszellen das natürliche zelleigene Selbstmordprogramm, den programmierten Zelltod (Apoptose), auslösen. In Krebszellen ist dieses Programm aber häufig genetisch außer Betrieb gesetzt, da dieser Defekt den Fortbestand des Tumors sichern soll. Betulinsäure ist nach den Forschungsergebnissen im Stande, das zelluläre Todesprogramm zu reparieren und damit die Resistenz der Tumorzelle zu durchbrechen. Das funktionierte bei den bisherigen Experimenten besonders gut bei Tumoren des Nervensystems, einem Tumortyp, der normalerweise besonders schwer zu behandeln ist. Allerdings liegt bis zur effektiven Krebstherapie noch ein weiter Weg. Dennoch eröffnen die Erkenntnisse der Wissenschaftlerin eine vielversprechende neue Perspektive, berichtet der Deutsche Wissenschaftsinformationsdienst idw. Die Wissenschaftlerin erhielt für ihre Forschungsarbeit zu Apoptosemechanismen in der Krebstherapie den mit 10.000 Euro dotierten Kind-Philipp-Preis für pädiatrisch-onkologische Forschung. Die Kind-Philipp-Stiftung für Leukämieforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vergibt diesen Preis jährlich für die beste wissenschaftliche Arbeit auf dem Gesamtgebiet der pädiatrisch-onkologischen Forschung im deutschsprachigen Raum. |
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Genetische Ursache von Fieberkrämpfen Bonn (alphagalileo) - Rund 5 Prozent aller Kinder erleiden mindestens einmal im Leben einen Fieberkrampf. Der eigentliche Anfall ist meist ungefährlich; manche der betroffenen Kinder haben aber ein erhöhtes Risiko, später an einer Epilepsie zu erkranken. Fieberkrämpfe treten familiär gehäuft auf; Mediziner der Universität Bonn wollen nun entschlüsseln, welche Gene für die Erkrankung verantwortlich sind – und ob sie auch bei der Entstehung von Epilepsien eine Rolle spielen. Dazu suchen sie nach Familien, in denen mindestens zwei Geschwister schon einmal einen Fieberkrampf hatten. Ein Anfall versetzt die Eltern in Angst und Schrecken: Das Fieber steigt rasch an, das Kind verdreht die Augen und beginnt, an Armen und Beinen zu zucken, mitunter fällt es für Sekunden oder Minuten in Bewusstlosigkeit oder bildet Schaum vor dem Mund. So lebensbedrohlich die Anfälle auch aussehen können, so harmlos sind sie in den allermeisten Fällen. "Doch gerade Kinder mit wiederholten oder langandauernden Fieberkrämpfen erkranken später häufiger als normal an einer Temporallappen-Epilepsie – mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 bis 5 Prozent“, erklärt Dr. Armin Heils von der Bonner Klinik für Epileptologie. Die Krampfanfälle treten meistens bei mäßigem bis hohem Fieber auf – und auch nur bei Kindern unter sieben Jahren. "Das hängt wahrscheinlich mit der Hirnreifung zusammen“, so Dr. Heils, "das kindliche Gehirn scheint besonders anfällig zu sein.“ Zur Prophylaxe verabreichen die Ärzte fiebersenkende Mittel oder valiumhaltige Zäpfchen; andere lehnen die Gabe von Medikamenten ganz ab. Die Geschwister eines kleinen Fieberkrampf-Patienten erleiden im Laufe ihrer Kindheit mit 20prozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls einen Anfall – ein viermal so hohes Risiko wie normal. "Es gibt also deutliche Hinweise auf eine genetische Komponente“, folgert Dr. Heils. "Wir suchen nach den Erbanlagen, die für die Erkrankung verantwortlich sind.“ Für ihre Studie sind die Mediziner auf die Hilfe von Familien angewiesen, in denen mindestens zwei Kinder schon einmal einen Fieberkrampf erlitten haben. Dr. Heils: "Die Teilnehmer müssen lediglich einige Fragen nach den genauen Symptomen beantworten; außerdem Die Ergebnisse könnten auch die Frage klären, warum einige der kleinen Patienten ein erhöhtes Risiko haben, später eine Epilepsie zu entwickeln. "Vielleicht vermitteln die Fieberkrampf-Gene gleichzeitig eine höhere Anfälligkeit für Epilepsien“, vermutet Dr. Heils. Für diese Theorie spricht, dass die Symptome beider Erkrankungen sehr ähnlich sind – vor der Erfindung des Fieberthermometers wurden die Krämpfe häufig fälschlicherweise als Epilepsien diagnostiziert. Aus Versuchen mit Ratten ist bereits bekannt, dass künstlich hervorgerufene Krampfanfälle die Temporallappen des Gehirns so sehr schädigen können, dass die Tiere epileptische Anfälle bekommen. "Möglicherweise können schwere Fieberkrämpfe im kindlichen Gehirn ähnliche Schäden verursachen.“ |
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