Thema Neuwahlen – 09. September 2002

     
 Gusenbauer zu Neuwahlen: SPÖ ist bereit
Wien (sk) - "Es ist in der derzeitigen Situation der beste Weg, Neuwahlen zu veranstalten und die Bevölkerung über das blau-schwarze Experiment abstimmen zu lassen, das eine Rekordarbeitslosigkeit, eine schlechte Wirtschaftssituation, hohe Steuern und erstmals eine massive Jugendarbeitslosigkeit gebracht hat", sagte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer Montag (09. 09.) im Anschluss an das SPÖ-Parteipräsidium. Die SPÖ sei auf diese Wahlen gut vorbereitet. Man habe sich zweieinhalb Jahre darauf vorbereitet und aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sich programmatisch neu vorbereitet. So stehe für die SPÖ der Mensch im Mittelpunkt. Das Parteipräsidium sei sich auch völlig einig, dass er, Gusenbauer, als Spitzenkandidat in die Wahlauseinandersetzung gehe, unterstrich der SPÖ-Vorsitzende.
Das nun gescheiterte blau-schwarze Experiment habe ÖVP-Chef Schüssel aus persönlichen "Machtgelüsten" veranstaltet, so Gusenbauer. Eine Alternative zu diesem gescheiterten Experiment könne es nur mit der Sozialdemokratie geben. Die Bundesregierung habe immerhin jetzt in zweieinhalb Jahren gezeigt was sie kann, und herausgekommen sei eben diese Rekordarbeitslosigkeit, die Rekordsteuersätze und die schlechte Wirtschaftssituation. Gusenbauer schloss in diesem Zusammenhang eine Koalition mit der FPÖ nach den Wahlen aus. "Es besteht keine Veranlassung, mit der FPÖ in eine Koalition zu gehen. Sie hat alle ihre Wahlversprechen gebrochen. Jetzt ist aber zuerst einmal der Wähler am Wort", bekräftigte der SPÖ-Chef. Alle anderen demokratischen Möglichkeiten schloss Gusenbauer nicht aus.
Die SPÖ sei das soziale Gewissen in Österreich. Sie stehe für faire Chancen für alle, für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, für eine Gesundheitspolitik, die wie eine möglichst gute Bildung für alle zugänglich sein müsse. Und natürlich müssen auch die Pensionen sicher sein, so Gusenbauer.
   
 Schweitzer appelliert zur maximalen Geschlossenheit auf allen Ebenen
Wien (fpd) - Mit großem Bedauern nahm FPÖ-Generalsekretär Karl Schweitzer die Rücktritte von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubobmann Peter Westenthaler zur Kenntnis. "Mit diesen drei Persönlichkeiten sind sehr erfolgreiche Politiker der Freiheitlichen zurückgetreten. Persönlichkeiten, die maßgeblichen Anteil am gelungenen Wendeprojekt haben und denen das Wohlergehen und die Zukunft der österreichischen Bevölkerung am Herzen lag", betonte Schweitzer am Montag (09. 09.).
"Insbesondere der Vizekanzlerin und dem Finanzminister ist dafür zu danken, daß sich beide bereit erklärt haben, ihre Arbeit bis zur Regelung der Nachfolge fortzuführen." Schweitzer betonte in diesem Zusammenhang, daß weder die Wende noch die FPÖ gescheitert sei. "Ich versichere allen unseren Funktionären, Mitgliedern, Sympathisanten und Wählern, daß wir mit voller Kraft weiterarbeiten werden", so der FPÖ-Generalsekretär.
"Die interimistische FPÖ-Führung unter Herbert Scheibner wird ein Garant dafür sein, daß alle weiteren Schritte wohl überlegt gesetzt werden. Damit dieses so erfolgreiche Reformprojekt fortgeführt werden kann, bedarf es jetzt einer maximalen Geschlossenheit auf allen Ebenen", schloß Schweitzer.
   
 Van der Bellen: Schwarz-blaue Wende am Ende
Alexander Van der Bellen sprach sich angesichts der jüngsten Rücktritte in der freiheitlichen Partei für Neuwahlen aus
Wien (grüne) - Gegenüber der Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, die am Sonntag (08. 09.) ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte, zollte er Respekt. Jörg Haider habe sie über Wochen und Monate ständig gedemütigt und nun habe sie endlich die Konsequenzen aus diesen Demütigungen gezogen. Allerdings könne es nun nicht nur um eine personelle Umbildung der Regierung gehen - zu schwerwiegende Divergenzen stünden hinter den Rücktritten Riess-Passer, von Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubchef Peter Westenthaler.

Nach Neuwahlen zwei Alternativen
Nach Neuwahlen gibt es aus Sicht der Grünen zwei Alternativen: Einmal den Rückschritt in eine "große, starre Koalition" oder die "spannende Variante Rot- Grün". Eine grün-schwarze Koalition schloss Van der Bellen für die nächste Legislaturperiode aus. Schließlich müsse die ÖVP die Konsequenzen aus einer Regierungsbeteiligung der FPÖ ziehen. Mittel- bis langfristig gesehen, könne er sich aber sehr wohl eine derartige Koalition vorstellen.
Dies deshalb, weil es in vielen Bereichen mit der ÖVP mehr Gemeinsamkeiten gebe als mit der SPÖ. Wenn sich die ÖVP wieder auf ihre christlichsozialen Werte besinne, könne es in Zukunft auch eine grün-schwarze Regierungsvariante geben, stellte Van der Bellen fest. Die Chancen für die Grünen stünden bei baldigen Wahlen sehr gut, meinte Van der Bellen, der aber immer noch nicht aufatmen könne. Denn erst wenn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) ausgesprochen habe, dass die blau-schwarze Regierung beendet sei und demnächst Neuwahlen kommen, könne er wieder frei aufatmen. "Dann hat endlich der blau-schwarze Spuk ein Ende", erklärte Van der Bellen.
Eine Fortsetzung der Koalition mit dieser FPÖ ist für Van der Bellen völlig undenkbar. In dieser Partei hätten die "Rechtsradikalen, die Ewiggestrigen" die Macht übernommen. Dass sich Schüssel solange Zeit für seine Erklärung lasse, zeige seine Entscheidungsschwäche. "Ich möchte endlich aufatmen können", meinte Van der Bellen, der in Richtung "weltoffenes, liberales Österreich" blicken möchte.
In der nächsten Legislaturperiode müsse die EU-Erweiterung im Vordergrund stehen. "Das ist eine große Sache, hier ist Pathos angebracht", erklärte der Grüne Bundessprecher. Außerdem müssten wichtige Investitionen im Bereich der Bildung, der Arbeitsmarktpolitik und des Klimaschutzes getätigt werden. Eine neue Regierung müsse auch Signale der Öffnung aussenden. "Damit der Mief der letzten zweieinhalb - vor allem der FPÖ-Minister - entweichen kann", forderte Van der Bellen.
Der Grünen-Chef forderte die Regierungsparteien auf, den Vertrag über den Ankauf der Abfangjäger jetzt nicht mehr zu unterzeichnen. Wenn "eine Regierung im Koma liege", könne eine derartige Entscheidung nicht mehr getroffen werden. Das wäre ein demokratiepolitischer Affront, so Van der Bellen. Hingegen müssten noch wichtige Entscheidungen über die Entschädigung der Hochwasseropfer, im Bereich des vorbeugenden Katastrophenschutzes sowie im Klimaschutz getroffen werden. Die Grünen wären bereit, an all diesen Maßnahmen mitzuarbeiten. "Unsere Chancen stehen sehr gut, aber wir dürfen nicht zu optimistisch sein, jede einzelne Stimme muss erst gewonnen werden", erklärte Van der Bellen.
   
 Leitl zur Koalitionszukunft: Im Mittelpunkt steht Frage nach Sacharbeit in Regierung
Anerkennung für scheidende FP-Regierungsmitglieder – Positive Zukunft des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes für Menschen und Betriebe entscheidend
Wien (pwk) - „Die entscheidende Frage für den Weiterbestand der Koalition ist, ob der Abschied der FP-Regierungsmitglieder Riess-Passer, Grasser und nun auch Reichhold ein Abschied der FPÖ vom Regierungsprogramm und von einer Sach- und Reformpolitik für Österreich ist. Wenn nun aber bereits der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider von unvermeidbaren Neuwahlen spricht, so scheint klar, wohin die FPÖ steuert.“ Für Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, scheint sich mit dieser Aussage eine eindeutige Richtung innerhalb der FPÖ zu formieren, „auch wenn man Nachrufe nicht vor der Zeit halten soll.“
Nun gelte es, so Leitl, die Gespräche von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit dem Koalitionspartner, mit dem Bundespräsidenten und mit anderen politisch Verantwortlichen abzuwarten. Auf Basis dieser Gesprächsergebnisse werde dann in der ÖVP rasch eine Entscheidung im Interesse Österreichs getroffen. Leitl: „Dann steht die Beantwortung der Frage im Vordergrund, ob innerhalb der Regierung noch Sacharbeit etwa in den Bereichen Konjunkturmaßnahmen, Arbeitsmarkt oder EU-Erweiterung möglich ist oder ob nur mehr ein überlanger Wahlkampf droht, der den Österreichern nicht zumutbar ist.“
Grundsätzlich bedauert Leitl, dass es in einer national – Stichwort: Konjunkturdelle – und international schwierigen Zeit – Stichwort: Irak-Krise, Turbulenzen an den Finanzmärkten etc. – zur aktuellen politischen Krisensituation gekommen ist: „Der Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich hat in Wahrheit andere Sorgen als parteiinterne Grabenkämpfe. Gerade ein kleines Land wie Österreich sollte den Blick auf das Große und Ganze nicht verlieren.“
Anerkennung zollt Leitl der Arbeit der abtretenden FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer aber auch der Politik von Finanzminister Karlheinz Grasser und Verkehrsminister Mathias Reichhold: „Alle drei haben erfolgreich versucht, konstruktive Regierungsarbeit zu leisten. Zuletzt war ihnen eine Fortsetzung der Sacharbeit aber offenkundig nicht mehr möglich.“
   
 ÖGB-Verzetnitsch: "Neuwahl ist die beste Lösung"
Rasche Handlungen im Interesse Österreichs; Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darf im Wahlkampffieber nicht untergehen
Wien (ögb) - "Man soll nicht mit Gewalt an etwas festhalten, das nicht mehr funktioniert. Angesichts der großen Probleme, die dringend gelöst werden müssen - wie etwa die Arbeitslosigkeit oder die EU-Erweiterung - sind Neuwahlen und damit eine rasche Klärung der künftigen Verantwortlichkeiten die beste Lösung." Das erklärte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch zur Erklärung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Montag (09. 09.). Verzetnitsch fordert, dass jetzt im Interesse Österreichs rasch gehandelt wird: "Die akuten Probleme und Herausforderungen dürfen im Wahlkampffieber nicht untergehen."
Seit Wochen liegt die Arbeit der Bundesregierung wegen der koalitionsinternen Streitereien lahm. Dabei hätte sie jetzt alle Hände voll zu tun: 200.000 Arbeitslose - darunter Tausende Jugendliche - haben ein Recht auf ein schnell wirksames Beschäftigungsprogramm. Die EU-Erweiterung bedarf intensiver Vorbereitungen und angesichts der höchsten Steuerquote in der Zweiten Republik brauchen wir dringend eine Entlastung der ArbeitnehmerInnen. Ein erster Schritt dazu wäre die Rücknahme der Belastungen wie etwa die Unfallrentenbesteuerung, die Ambulanz- oder Studiengebühren. Weiters haben die PensionistInnen einen Anspruch auf eine faire Abgeltung der Teuerungsrate und auch die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst brauchen einen Arbeitgeber", der ihre Leistungen entsprechend honoriert.
Der ÖGB beurteilt traditionell jede Regierung danach, was sie für die ArbeitnehmerInnen tut. Eine kurze Übersicht der Leistungen" dieser Bundesregierung für die ArbeitnehmerInnen: Eine der höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1945, ein dramatischer Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit, die höchste Belastungsquote in der Zweiten Republik, Unfallrentenbesteuerung, Ambulanz- und Studiengebühren, parteipolitisch motivierter Putsch im Hauptverband und Finanzierungsprobleme in den Krankenkassen, Verscherbelung des Volksvermögens in der ÖIAG. Einzig und alleine das von den Sozialpartner ausgearbeitete Abfertigungsmodell wurde von der Bundesregierung übernommen und hat ArbeitnehmerInnen Vorteile gebracht.
   
 Industriellenvereinigung für Neuwahlen
IV-GS Fritz: Europaskeptischer Flügel der FPÖ hat gesiegt
Wien (pdi) - "Wir begrüßen, dass das wochenlange Tauziehen in der FPÖ über den zukünftigen Kurs dieser Partei nicht weiter prolongiert wurde. Die Industrie zollt dem bisherigen FPÖ-Regierungsteam - und damit auch Vizekanzlerin Riess-Passer und Finanzminister Grasser - für die geleistete Arbeit Respekt", betonte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Dkfm. Lorenz Fritz am Montag (09. 09.).
"Angesichts der Neuausrichtung der FPÖ, bei der der europaskeptische und populistische Flügel der Partei die Oberhand gewonnen hat, kann es aus Sachgründen jetzt eigentlich nur Neuwahlen geben", so der IV-Generalsekretär.
Mit Blick auf die Interessen Österreichs am Vorabend der entscheidenden EU-Erweiterung stellt für die Industrie ein Regierungspartner FPÖ, der nicht klar und transparent für die Erweiterung der Europäischen Union steht, ein unkalkulierbares Risiko dar.
   
Möglicher parlamentarischer Fahrplan zu Nationalratswahl
Präsidialkonferenz tritt kommenden Freitag zusammen
Wien (pk) - Nationalratspräsident Heinz Fischer sagte am Montag (09. 09.), dass der Fahrplan für eine vorzeitige Beendigung der Gesetzgebungsperiode – falls eine solche von einer Mehrheit des Nationalrates gewünscht wird – in der Präsidialsitzung am Freitag dieser Woche festgelegt werden könnte.

Theoretisch stehen dafür zwei Möglichkeiten zur Verfügung, und zwar:
1.
Es könnte der Verfassungsausschuss einberufen werden, um einen dem Verfassungsausschuss bereits zugewiesenen Auflösungsantrag der SPÖ zu behandeln und zu verabschieden. Der Ausschussbericht könnte der Plenarsitzung des Nationalrates am 19. September zur Entscheidung und Beschlussfassung vorgelegt werden.

2. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, am 19. September einen allenfalls Vier-Parteien-Antrag auf vorzeitige Beendigung der Gesetzgebungsperiode einzubringen und einem Ausschuss zuzuweisen. In diesem Fall würde es voraussichtlich auch Konsens darüber geben, auf die 24-stündige Auflagefrist zu verzichten und nach Vorliegen des Ausschussberichtes in einer Plenarsitzung am Freitag, dem 20. September, über diesen Antrag zu befinden. Beide Vorgangsweisen sind von der Geschäftsordnung her möglich. Die zweitgenannte Vorgangsweise müsste sinnvollerweise auch mit einem Konsens über den Wahltermin verbunden werden. Hinsichtlich des Wahltermins ist festzustellen, dass aus Gründen des Fristenlaufes bei einem Auflösungsbeschluss am 20. September voraussichtlich der 24. November als Wahltermin in Frage kommt. Der 17. November wäre unter Umständen mit Fristenproblemen verbunden.
Der exakte Wahltermin ist in Zusammenwirken zwischen Bundesregierung und Hauptausschuss des Nationalrats festzulegen, d.h. es bedarf eines Vorschlags der Bundesregierung und der Zustimmung des Hauptausschusses zu diesem Terminvorschlag.
Nach dem Wahltag ist der Bundespräsident verpflichtet, den Nationalrat spätestens innerhalb von 30 Tagen zu seiner konstituierenden Sitzung einzuberufen, wobei die Konstituierung (wiederum aus Fristengründen) auch nicht weniger als 25 Tage nach der Wahl vorgenommen werden kann. Dies bedeutet, dass der neue Nationalrat voraussichtlich relativ knapp vor Weihnachten zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten würde.