Thema Neuwahlen – 11. September 2002

     
 Schüssel: Handlungsfähigkeit der Regierung steht nicht in Frage
Verantwortung für Österreich unabhängig von Wahlkampf wahrnehmen
Wien (bpd) - "Die Handlungsfähigkeit der Regierung steht in keiner Weise in Frage", erklärte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel am Dienstag (10. 09.) zur aktuellen Lage in der Bundesregierung. Jetzt würden die Parteigremien entsprechend informiert, um im Nationalrat gemeinsam den Antrag auf Neuwahlen zu stellen. Dieser könne dann "sehr schnell" beschlossen werden. Als möglicher Wahltermin nannte Schüssel den 24. November.
Es sei gestern mit dem interimistischen FPÖ-Chef Herbert Scheibner vereinbart und auch heute klargestellt worden, dass das Regierungsprogramm und auch die Prozeduren weiterhin gelten würden. "Wir wollen die Verantwortung für Österreich unabhängig von einem - hoffentlich kurzen und sachlichen - Wahlkampf wahr nehmen. Dazu gehört vor allem, die Opfer- und Wiederaufbauhilfe ernst zu nehmen sowie die österreichische Rolle in Europa. Bei den Verhandlungen über eine Verkehrslösung und die Gespräche über den europäischen Katastrophenfonds etwa brauchen wir eine starke Stimme in Europa - und wir werden diese Stimme auch gern sein", betonte Schüssel.
Zum Weiterverbleib der FPÖ-Mitglieder in der Bundesregierung meinte der Kanzler, er habe seine Meinung dazu klar gesagt. "Österreich braucht jetzt eine handlungsfähige Regierung mit Profis - diese Regierung hat bewiesen, sie kann das", betonte Schüssel. Bei Verhandlungen auf europäischer Ebene etwa über Verkehrsfragen müsse man bedenken, welcher Netzwerke es auf dabei bedürfe. "Man muss bedenken, was es heißt, wenn hier ein Neuer kommt", so der Kanzler.
Es sei klug, wenn man Regierungs- und Parteiarbeit trenne. "Wahlkampf, das Werben um Stimmen, ist Eines. Die Wahrung von österreichischen Interessen ist etwas Anderes", betonte Schüssel. Er würde dies auch den Kollegen auf der anderen Seite verdeutlichen. Die Sacharbeit in der Regierung müsse weitergehen, so der Kanzler. Als Parteichef werde er sich darauf konzentrieren, "dass es keinen sozialistischen Bundeskanzler in Österreich gibt. Als ÖVP-Obmann ist es jetzt mein Hauptjob, möglichst viel Zustimmung für meine Partei der Mitte zu bekommen", sagte Schüssel.
   
 ÖVP-Parteivorstand nimmt Neuwahlantrag für 24. 11. einstimmig an
Steirer Reinhold Lopatka zum Wahlkampfmanager bestimmt
Wien (övp-pd) - Einstimmig nahm am Dienstag (10. 09.) der ÖVP-Bundesparteivorstand den Vorschlag von Parteiobmann Wolfgang Schüssel an, am 19. September im Parlament einen Antrag auf ehebaldigste Neuwahlen am 24. November einzubringen. Es habe "eine kurze, sehr harmonische und entschlossene" Sitzung gegeben, so der Kanzler. Dabei wurde der ÖVP-Klubobmann im steirischen Landtag, Reinhold Lopatka, zum Wahlkampfmanager der ÖVP bestimmt.
"Reinhold Lopatka kann auf eine gewisse Erfolgsbilanz verweisen", so Schüssel, anspielend auf den klaren Wahlsieg der steirischen ÖVP bei der Landtagswahl im Jahr 2000. "Wir wollen zwar nicht nach den Sternen greifen, aber ein bisschen was ist schon drin."
Weiters wurde eine Programmkommission unter dem Vorsitz von Klubobmann Andreas Khol beschlossen, der auch Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, Landwirtschafts- und Umweltminister Wilhelm Molterer sowie Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein angehören werden. Zum Wahlziel sagte der Bundeskanzler: "Wir treten als eigenständige Partei der Mitte an, mit dem Ziel eines Bundeskanzlers, den die ÖVP stellt." Er selbst sei, sagte der Parteichef, in seiner Abwesenheit einstimmig zum Spitzenkandidaten für die Wahl bestimmt worden. "Ich werde diese Herausforderung gerne annehmen", so Schüssel.
Die Volkspartei trete als geeintes und professionelles Team an. Auch das ist ein Unterscheidungsmerkmal zu den anderen Parteien. Wir bringen Erfahrung, frischen Wind und Reformbereitschaft mit", so Schüssel. Zu den Pensionen sagte Schüssel, "selbstverständlich werden wir dafür eintreten, dass noch in dieser Handlungszeit unserer Bundesregierung die Pensionisten ihren Anteil am wohlerworbenen Wohlstand bekommen. Die Zeitabläufe werden ganz genau eingehalten und auch diese Bundesregierung wird das ihre dazu beitragen." Mit GÖD-Vorsitzendem Fritz Neugebauer habe es "ein sehr gutes Gespräch" gegeben. Ein hochqualitativer und effizienter Öffentliche Dienst sei, wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl zu sagen pflege, ein sehr wichtiger Bestandteil - auch für den Standort Österreich.
   
 Reichhold: Stelle Amt beim Parteitag zur Verfügung
Volles Bekenntnis zum Regierungsübereinkommen
Wien (bmvit) - "Meine Entscheidung ist bereits gestern gefallen. Nach Rücksprache mit meiner Familie und meinen engsten Mitarbeitern gebe ich nun bekannt, dass ich mein Amt am Parteitag zur Verfügung stellen werde. Dort wird sich zeigen, ob in der FPÖ für mich noch eine Arbeitsgrundlage besteht. Denn ich stehe voll inhaltlich zur Umsetzung des Regierungsprogrammes und zur Koalition", erklärte Bundesminister Mathias Reichhold am Dienstag (10. 09.) vormittag.
"Selbstverständlich werde ich, solange ich im Amt bin, meinen Aufgaben und meiner Regierungsverantwortung mit vollem Einsatz nachkommen. Morgen schon beginnt beispielsweise in Brüssel die heiße Phase der Transitverhandlungen mit der EU".
"Den Rücktritt von Susanne Riess-Passer, Karl-Heinz Grasser und Peter Westenthaler halte ich für einen schweren Verlust für dieses Land und damit für die laufenden Reformen", zeigte sich Reichhold tief betroffen über die jüngsten Vorgänge.
   
 Kuntzl: Erneute Schüssel-Haider-Koalition ist "abenteuerliche Drohung" für Österreich
Schüssel ist "Wegbereiter und Garant für politische Instabilität im Land"
Wien (sk) - Eine "abenteuerliche Drohung" stellt für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl die gestrigen (09. 09.) Aussagen von Bundeskanzler Schüssel dar, wonach für ihn auch nach Neuwahlen eine Fortsetzung des blau-schwarzen Experiments vorstellbar sei. "Schüssels Weg ist offensichtlich von absoluter Uneinsichtigkeit gezeichnet. Eine erneute Schüssel-Haider Regierungskonstellation würde "weitere Jahre der innenpolitischen Instabilität und der unsozialen Belastungspolitik und der falschen Prioritätensetzung für Österreich bedeuten", so Kuntzl am Dienstag (10. 09.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst.
Schüssel habe nach dem Motto "Kanzlerschaft um jeden Preis" bar jeder Verantwortung mit einem unberechenbaren Koalitionspartner einen Pakt geschlossen. Die FPÖ habe wiederholt vor Augen geführt, dass mit ihr kein Staat zu machen ist, sagte die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin. Nun denke der ÖVP-Obmann offenbar neuerlich darüber nach, durch eine Neuauflage der Schüssel-Haider-Koalition" dem Land weiteren gravierenden Schaden zuzufügen".
Kuntzl erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Schüssel-Haider Koalition Österreich in nicht einmal drei Jahren Regierungszeit in die Massenarbeitslosigkeit geführt und zum Schlusslicht bei Wirtschafts- und Einkommenszuwachs in der EU-gemacht. Dem Nulldefizit-Fetischismus sei alles untergeordnet worden. Zuletzt sei die Regierung auch bei diesem Prestigeprojekt" gescheitert - "alles was vom Nulldefizit für die Bevölkerung übrig geblieben ist, sind 30 Steuererhöhungen und die Aussicht auf sündteure Kampfflugzeuge für das Bundesheer, die niemand braucht", unterstrich Kuntzl.
Zudem habe die Regierungsbeteiligung der FPÖ der internationalen Reputation Österreichs "tiefe Kratzer" zugefügt. Freiheitliche haben allzu oft Österreich im Ausland zur Lachnummer gemacht, Entsetzen und Kopfschütteln ausgelöst", verwies Kuntzl etwa auf die unsäglichen Besuche von Jörg Haider bei Diktator Saddam Hussein. "Für all das haben Schüssel und die ÖVP voll die Verantwortung zu tragen. Der Schweigekanzler hat sich damit wiederholt selbst als Wegbereiter und Garant für politische Instabilität bestätigt", schloss Kuntzl.
   
 Heftige Kritik an Schüssel, der Neuauflage von Blau-Schwarz nicht ausschliesst
Schüssel & Khol setzen Haider-Kurs fort
Wien (grüne) - Mit dem Bundessprecher der Grünen Alexander Van der Bellen war am Dienstag (10. 09.) auch der letzte Parteichef der vier Parlamentsparteien bei Bundespräsident Thomas Klestil. Besprochen worden seien mögliche Szenarien bis zur Wahl, sagte Van der Bellen nach der Unterredung. Auf Details wollte er sich nicht einlassen. Er übte allerdings heftige Kritik an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V), weil dieser eine Neuauflage von schwarz-blau gestern nicht ausschließen wollte.
Nach der Bekanntgabe von Neuwahlen durch Schüssel habe er gehofft, dass er nun "aufatmen" könne, meinte Van der Bellen. Das sei nun aber nicht geschehen, weil Schüssel eine neuerliche Koalition mit dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider nicht ausgeschlossen habe. Und das obwohl schwarz-blau gescheitert sei und Haider mit den "ewig Gestrigen" in der FPÖ Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer gestürzt habe.
Für die Grünen bedeutet das nun, im Wahlkampf ein Angebot an alle bürgerlichen Wähler, die mit den Schüssel-Khol-Kurs nicht einverstanden seien, zu richten. "So kann es in Österreich nämlich nicht weitergehen", kritisierte Van der Bellen die schwarz-blaue Regierung. Eine mögliche Koalition mit der ÖVP schloss er erneut aus. Das sei nicht möglich, so lange Schüssel versuche, die Haider-Linie weiterzuführen.