Wissenschaft in Europa
der Woche vom 24. 09. bis 30. 09. 2002

   
Neue deutsche Wissenschafts-Suchmaschine eingerichtet
Uni-Hannover errichtet Forschungs-Link-Portal
Hannover (pte) - Die Universität Hannover hat eine neue Web-Suchmaschine installiert. Mit dem ForschungsPortal http://ForschungsPortal.Net soll es einen Fortschritt bei der Internet-Recherche nach Forschungseinrichtungen und -projekten geben, berichtet die Nachrichtenagentur ddp.
Der Datenbestand beträgt zurzeit etwa zehn Mio. Webseiten und wird ständig erweitert. Alle Webseiten stammten ausschließlich von Servern aus dem Wissenschaftsbereich.
Mit der Suchmaschine werde der deutsche Wissenschaftsbereich im Internet für eine breite Öffentlichkeit besser zugänglich, insbesondere als Schnittstelle zu Wirtschaft, Handwerk und Industrie, teilt die Universität mit. Das Portal soll bei der Suche im Web qualifiziert die Flut von Treffern ordnen, die bei herkömmlichen Suchmaschinen regelmäßig auftreten. Vetreten sind neben den Universitäten und ihren Instituten auch die Wissenschaftsorganisationen wie Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft.
Das ForschungsPortal entsteht derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in einem Forschungsprojekt am Regionalen Rechenzentrum für Niedersachsen (RRZN) der Universität Hannover. Die Suchmaschine erfasst den Angaben zufolge auch den Teil des Internets, den bisherige Suchmaschinen gar nicht oder nur sehr unvollständig kennen: das so genannte "invisible web", Webseiten, die erst zum Zeitpunkt ihrer Anforderung aus Datenbanken erstellt werden.

 
Nanopartikel verschleppen Schwermetalle in Fliessgewässern
Zürich (alphagalileo) - Weltweit erstrecken sich die Bergbauaktivitäten über eine Fläche, die dem Sechsfachen der Schweiz entspricht. Insbesondere stillgelegte Bergwerke können drastische Auswirkungen auf die angrenzenden Ökosysteme haben. Fliessgewässer etwa müssen die äusserst sauren Ausflüsse der Bergbauminen aufnehmen.
Diese enthalten extrem hohe Konzentrationen von gelösten Schwermetallen und Aluminium. In der Zone, in der sich die sauren Bergbauabwässer mit neutralen Fliessgewässern mischen, bilden sich weissliche, watteartige Flocken. Diese können sich auf dem Flussbett ansammeln oder mit dem fliessenden Wasser mitgerissen werden.

Flocken haben Lebensdauer von mehreren Wochen
Einem ETH-Forscher des Instituts für Terrestrische Ökologie ist es zusammen mit Wissenschaftlern aus Deutschland und den USA gelungen, die elementare Zusammensetzung, chemische Struktur und Entstehung dieser Flocken aufzuklären. Die Resultate werden in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Science» (Ausgabe vom 27. September) präsentiert. Die Entstehung der watteartigen Substanz verläuft über die Bildung grosser strukturierter Komplexe mit 13 Aluminium-, 40 Sauerstoff- und 48 Wassserstoff-Atomen und deren anschliessender Aggregation. Der Komplex hat ein Molekulargewicht von über 1000 und einen Durchmesser von rund einem Nanometer. Dieses «Nanopartikel» bildet sich in der Mischzone von Bergbauausflüssen und Fliessgewässern innerhalb von Minuten und hat eine Lebensdauer von mehreren Wochen. Die grossen Mengen von giftigen Schwermetallen, die auch in den Abwässern der Bergwerke vorhanden sind, werden an die Nanopartikel chemisch gebunden und können so flussabwärts transportiert werden. Auch in GebieteMit diesen Untersuchungen wurde ausserdem gezeigt, dass Nanopartikel auch in Ökosystemen eine bedeutende Rolle spielen können.

 
Chili gegen Arthritis
US-Forscher: Knackpunkt in Schmerztherapie entdeckt
London (pte) - Chili-Pfeffer verleiht Speisen nicht nur eine scharfe Note, sondern soll auch als Heilmittel gegen Arthritis unschlagbar sein, meinen amerikanische Forscher. Capsaicin, der Stoff, der für die Schärfe verantwortlich ist, hat eine positive Wirkung gegen die Gelenkschmerzen, berichtet BBC-Online.
Clifford Woolf und Ru-Rong Ji vom Massachusetts General Hospital haben entdeckt, dass der Schmerz nach dem Genuss von Chili und arthritische Beschwerden ähnlich sind. Die Forscher sehen damit die Chance neue Medikamente gegen Schmerzen zu entwickeln. Als interessante Nebenwirkung würden diese Präparate die Patienten dann unempfindlich gegen scharfe Chilis machen. Woolf und Ji berichten, dass sie in Nervenzellen einen Signalweg entdeckt haben, der bei chronischen Schmerzen überaktiv ist. Die Signale sorgen dafür, dass im entzündlichen Gewebe auf Nervenzellen mehr TRPV1-Proteine gebildet werden. "Das sind die gleichen Eiweiße, die im Mund auf Chili ansprechen und das Brennen verursachen", so Woolf.
Entzündliches Gewebe wird durch diese Proteine gegen Wärme und andere Reize überempfindlich. Besonders betroffen davon sind zum Beispiel die Gelenke bei Arthritis-Patienten. Zur Überraschung der Wissenschaftler sind keine Gene für eine vermehrte Synthese des Proteins verantwortlich, sondern ein anderes Eiweiß regt die Produktion an. Genau an diesem Eiweiß, das die Forscher p38 genannt haben, könnten eventuelle Medikamente wirken.
Bereits vor zwei Jahren hatten Mediziner der Hautklinik in Münster Patienten mit Juckreiz und Schmerzen durch eine Salbe erfolgreich behandelt, die den Wirkstoff Capsaicin enthält. Mit dem Wirkstoff haben sich auch Wissenschaftler der Universität von Kalifornien und der Universität Würzburg beschäftigt. Sie züchteten Mäuse, die auf Capsaicin nicht mehr reagierten.

 
Zahnpasta aus Krabbenschalen gegen Zahnbelag
Zermahlener Chitinpanzer soll auch Mundinfektionen vorbeugen
London (pte) - Wertlose Krebs- und Krabbenschalen könnten schon bald zu Zahnpasta verarbeitet werden, wenn es nach Wissenschaftlern der Universität von Portsmouth geht. Sie haben im Chitinpanzer der Krustentiere wertvolle Substanzen gefunden, die Zahnbelag vermindern und Infektionen im Mund verhindern. Das berichtet BBC-Online.
Die Zahnpaste beinhaltet eine klebrige chemische Substanz, die Bakterien töten kann. Im Mund soll die Paste verhindern, dass es zur Kariesbildung oder zur Entwicklung von Bakterien kommt. Chitosan, so heisst der Wirkstoff, der aus den Chitinschalen der Krebse und Krabben stammt. Die Wissenschaftler haben das Chitosan mit einer Glycerol-Basis vermengt und dann eine Zahnpasta konzipiert. Nach Ansicht der Forscher soll die neue Zahnpasta bereits innerhalb eines Jahres in den Läden zum Verkauf angeboten werden. Der große Vorteil der Zahnpasta, die übrigens nicht aromatisiert ist, ist die Tatsache, dass die aktiven Partikel bis zu vier Stunden im Mund bleiben. Die Forscher wollen diese Zeit bis auf 24 Stunden verlängern.
Die neue Zahnpasta wurde bei der British Pharmaceutical Conference in Manchester vorgestellt. Die British Dental Association (BDA) hatte sich anfangs noch zögerlich über die neue Zahnpasta geäußert. "Das einzige, was wir den Menschen raten ist, dass sie sich zwei Mal täglich die Zähne mit einer Fluorzahnpasta putzen", erklärte ein Sprecher der BDA.

 
Kristalle züchten aus Urin
Wissenschaftler der Urologischen Klinik der Universität Bonn können Harnsteinrisiko sehr schnell und genau abschätzen
Bonn (alphagalileo) - Die Symptome sind dramatisch: Unerträgliche Schmerzen, blutroter Urin, Brechreiz. Etwa 5 Prozent aller Deutschen machen mindestens einmal in ihrem Leben eine Harnleiterkolik durch. Ursache sind Steine, die sich aus dem Nierenbecken lösen und im Harnleiter stecken bleiben.
Wer einmal einen Harnstein hatte, muss damit rechnen, dass er sehr bald erneut eine Kolik erleidet. Durch eine geeignete Umstellung der Ernährung oder durch Medikamente lässt sich das Risiko aber drastisch senken. Wissenschaftler der Urologischen Klinik der Universität Bonn haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Harnsteinrisiko sehr schnell und genau abschätzen lässt. Die Forscher können mit Hilfe des von ihnen entwickelten „BONN Risk Index“ den Erfolg der eingeschlagenen Behandlungsstrategie überprüfen und ihr Therapiekonzept optimieren; das Risiko weiterer Harnsteine wird so drastisch gesenkt.
Ist die Konzentration von Kalzium und anderen Substanzen im Harn zu hoch, können sich kleine Kristalle bilden, die mit der Zeit zu immer größeren „Steinen“ heranwachsen. Bislang bestimmen die Wissenschaftler aus der Urinprobe des Patienten eine Handvoll biochemischer Werte, aus denen sich erfahrungsgemäß das Steinrisiko ungefähr abschätzen lässt. Diese – indirekte – Methode ist aber nicht zuverlässig: Der Harn enthält hunderte von Substanzen, die die Kristallbildung beeinflussen können. „Wir gehen daher einen anderen Weg“, erklärt Dr. Norbert Laube aus der Abteilung Experimentelle Urologie der Bonner Klinik und Poliklinik für Urologie: „Wir züchten aus der Urinprobe Kristalle. Je schwerer das ist, desto geringer das Steinrisiko.“
Dazu geben die Bonner Wissenschaftler der Probe tropfenweise eine Triggerlösung zu, mit der sie die Steinbildung anregen. Sobald sich die ersten Mikrokristalle bilden, trübt sich der Urin. Der Vorgang ist für das unbewaffnete Auge kaum sichtbar, mit einem Spezialgerät, einem Photometer, können die Experten aber sicher feststellen, wann die Kristallbildung einsetzt. Je weniger Triggerlösung sie bis zu diesem Zeitpunkt zutropfen mussten, desto höher das Harnsteinrisiko. Dr. Laube: „Wir berechnen daraus und aus der Konzentration der Kalziumionen im Urin den BONN Risk Index, der genau sagt, wie hoch das aktuelle Risiko des Patienten ist.“
Die neue Methode, die in der Arbeitsgruppe des Bonner Professors Dr. Albrecht Hesse entwickelt wurde, ist der biochemischen Analyse weit überlegen – und funktioniert zudem außerordentlich schnell: Bereits 15 Minuten nach Abgabe der Harnprobe liegen die Messwerte aus dem Tisch. „Der Arzt kann so deutlich schneller und genauer erkennen, ob die Medikamente anschlagen, ob er die Dosis erhöhen oder senken muss oder ob eine andere Diät angebracht ist“, erklärt Dr. Laube. Die Wissenschaftler bestimmen den BONN Risk lndex getrennt für den tagsüber und nachts gebildeten Urin, da das Harnsteinrisiko zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich hoch sein kann. „Das verbessert noch die individuelle Prophylaxe für unsere Patienten.“
Die Bonner Wissenschaftler wollen nun die Messung automatisieren und die Apparatur weiter verkleinern. Dazu suchen sie noch nach lndustriepartnern. Die Chancen stehen nicht schlecht – schließlich haben sich Harnsteine zu einer wahren Volkskrankheit entwickelt: Die Zahl der Patienten hat in den letzten zwei Jahrzehnten um 25 Prozent zugenommen, so eine epidemiologische Studie der Deutschen Gesellschaft für Urologie unter Federführung von Professor Dr. Albrecht Hesse in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Sozialwissenschaft (INFAS). Im Jahr 2000 waren etwa 1,2 Millionen Bundesbürger betroffen – meist Männer zwischen 25 und 50 Jahren. Die Ergebnisse der Studie sowie der Arbeiten zum BONN-Risk-lndex wurden auf dem diesjährigen Deutschen Urologenkongress in Wiesbaden (18. bis 21. September) erstmals gemeinsam vorgestellt.

 
Gentherapie bei Gefäßverengung
Zusatzbehandlung soll vor Rückfällen schützen
Kuoppio (pte) - Forscher der finnischen University of Kuoppio sind auf neue Erkenntnisse bei der Behandlung von Blutgefäßerkrankungen gestoßen: Eine zusätzliche Gentherapie soll neuerliche Verschlüsse von Arterien verhindern. Bei Gefäßverengungen wird üblicherweise die Arterie gedehnt und ein Metallkatheter eingesetzt.
Bei einigen Patienten wurden aber immer wieder neuerliche Verengungen beobachtet. Wie BBC-Online berichtet hat, könnte die neue Gentherapie Rückfälle nach der Behandlung verhindern. Erfolge wurden bereits in Tierversuchen bestätigt.
Verengungen der Blutgefäße können zu Herzattacken und Schlaganfällen führen. Bei der herkömmlichen Behandlungsmethode ist es unvermeidbar, dass die Blutgefäße durch das Einführen des Katheters leicht beschädigt werden. Bei diesem Vorgang wird ein "Gefahrensignal" ausgesendet. Daraufhin produziert der Körper chemische Stoffe, sogenannte "freie Radikale". Weitere Zellen werden geschädigt und es kommt zu einer neuen Verengung der Gefäße. Normalerweise werden in dieser Situation Stoffe ausgeschüttet die den freien Radikalen entgegenwirken. Doch bei einigen Patienten funktioniert dieser Mechanismus nicht und es kann zu neuerlichen Arterienverschlüssen kommen.
Die Wissenschafter sind überzeugt, dass eine Geninjektion dies verhindern könnte. Dabei wird jenes Gen verabreicht, dass vor den freien Radikalen schützen soll. Versuchstiere die eine Injektion bekamen wiesen nach zwei Wochen eine zehn Mal niedrigere Anfälligkeit für eine erneute Verengung auf. Nach vierwöchiger Therapie konnte das Risiko 20 Mal niedriger gehalten werden. Nach Abschluss der klinischen Studien sind die Forscher zuversichtlich, in zwei Jahren mit einer Versuchsreihe am Menschen zu starten.