NS-Zwangsarbeiter als geschichtliche Quelle
23. Österreichischer Historikertag findet vom Dienstag, 24., bis Freitag, 27. September,
in Salzburg statt
Salzburg (lk) - Die schriftlichen Anfragen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter stellen einen Sonderfall
im Schriftverkehr des Salzburger Landesarchivs dar, da die Briefe oftmals erstaunlich detaillierte Schilderungen
der Erlebnisse der Betroffenen in den Jahren des Zweiten Weltkrieges enthalten. Diesem Umstand wird der Historiker
Mag. Dr. Oskar Dohle vom Salzburger Landesarchiv in seinem Beitrag „Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der NS-Zwangsarbeiter
im heutigen Bundesland Salzburg" beim 23. Österreichischen Historikertag nachgehen.
Der Historikertag findet von Dienstag, 24. September, bis Freitag, 27. September, in der Großen Aula an der
Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg statt und beschäftigt sich mit dem Thema
„Mensch und Arbeit: Umbrüche – Wandel – Kontinuitäten". Der Österreichische Historikertag findet
als Leistungsschau der Österreichischen Geschichtswissenschaften alle drei Jahre statt. Im Turnus der Bundesländer
ist heuer Salzburg Veranstaltungsort. Die Organisation erfolgt durch das Salzburger Landesarchiv.
Laut Dohle trafen alleine seit Jahresbeginn 2001 trafen knapp 1.000 schriftliche Anfragen von ehemaligen Zwangsarbeitern
um Bestätigung ihrer Arbeit bzw. ihres Aufenthalts im Bundesland Salzburg während der NS-Zeit im Salzburger
Landesarchiv ein. Somit erhält das Archiv einen überaus wertvollen, zeitgeschichtlichen Quellenbestand
über die Lebens- und Arbeitsbedingungen einer Personengruppe, über die bislang relativ wenig bekannt
war.
Der Umstand, dass der Großteil der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter in jenen Staaten Mittel- und Osteuropas lebt,
die bis vor etwa einem Jahrzehnt zum so genannten „Ostblock" gehörten, machte es diesen Menschen rund
ein halbes Jahrhundert lang weitgehend unmöglich, mit ihren Anliegen an eine breite Öffentlichkeit zu
treten. Der bedauerlicherweise sehr spät, für viele Betroffene zu spät, einsetzende Wandel im Selbstverständnis
maßgeblicher Kreise in jenen Ländern, die entweder bis 1945 ein Teil des nationalsozialistischen Deutschlands
waren oder mit diesem enge Verbindungen unterhielten, trug außerdem dazu bei, dass die Problematik der in
den Jahren 1939 bis 1945 zwangsweise zum Arbeitseinsatz Verschleppten einer breiten Öffentlichkeit lange Zeit
unbekannt blieb. Dies sind wohl die wichtigsten Ursachen dafür, dass die Betroffenen erst jetzt eine zumindest
materielle Abgeltung des damals erlittenen Unrechts erhalten können.
Unterschiedliche Lebens- und Arbeitsbedingungen
Nach einem allgemeinen Überblick über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte im heutigen
Bundesland Salzburg während des Zweiten Weltkrieges sowie über den diesbezüglichen Schriftverkehr
im Salzburger Landesarchiv soll in Dohles Vortrag ein erster Versuch unternommen werden, die so genannten „Zwangsarbeiter-Anfragen",
als zeitgeschichtliche Quelle zu nutzen. Bei aller Subjektivität der Erlebnisberichte in diesen Briefen ehemaliger
NS-Zwangsarbeiter, die sich alleine schon durch die Begrenztheit des menschlichen Erinnerungsvermögens begründen
lässt, zeigt sich, wie unterschiedlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen für diese Personengruppe während
der Jahre des Zweiten Weltkrieges waren.
Vor allem zwischen den in der Landwirtschaft eingesetzten und auf einzelnen Bauernhöfen untergebrachten Zwangsarbeitern
und jenen, die in Lager wohnten und in der Industrie zur Aufrechterhaltung der Rüstungsproduktion eingesetzt
waren, ist deutlich zu unterscheiden. Ebenso bestanden große individuelle Unterschiede, hauptsächlich
begründet durch Geschlecht, Alter, Herkunft und nicht zuletzt durch das Verhältnis zum jeweiligen Arbeitgeber
bzw. durch dessen Umgang mit den ihm zugeteilten ausländischen Arbeitskräften. Dazu kommen noch klimatisch
und jahreszeitlich bedingte Faktoren, die ebenfalls nicht außer Acht zu lassen sind. Außerdem unterscheidet
sich die Situation in den letzten Kriegsmonaten von jener der Jahre davor. Dies gilt in erster Linie für den
Nahbereich der Stadt Salzburg, wo sich die häufigen Luftangriffe, die angespannte Versorgungssituation und
der langsame Zusammenbruch der Infrastruktur zusätzlich negativ bemerkbar machten.
All dies führt dazu, dass man grundsätzlich weder von „dem Zwangsarbeiter" in der NS-Zeit, noch
von „der Zwangsarbeit" in jenen Jahren sprechen kann. Eines war jedoch all diesen Menschen gemeinsam – „der
Zwang zur Arbeit".
Die Eröffnung des Historikertages wird morgen, Dienstag, 24. September, 10.30 Uhr, von Landeshauptmann Dr.
Franz Schausberger, selbst promovierter Historiker, vorgenommen. Eingerahmt von zwei öffentlichen Vorträgen
am Anfang und am Schluss der Tagung, die sich mit dem Thema grundlegend auseinander setzen, finden an den drei
Tagen die Beratungen in Form von kurzen Vorträgen und daran anschließenden Diskussionen in insgesamt
18 Sektionen statt. Dazu kommen Erörterungen von Spezialgebieten in zwei Schwerpunktthemen mit dem Inhalt
„Arbeit und Migration" sowie „Arbeit in Salzburg". Insgesamt umfasst das Programm rund 100 solcher Kurz-Vorträge.
Alle Veranstaltungen können unentgeltlich besucht werden.
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