Auf der Suche nach neuen musealen Räumen – Begegnungen mit Realität und Virtualität
Wien - Das Leopold Museum im Wiener MuseumsQuartier zeigt im Rahmen der vom ORF veranstalteten Langen
Nacht der Museen am Samstag, dem 20. September 2003 von 19 Uhr bis 1 Uhr ein Spannungsfeld von traditioneller und
virtueller Kunst: Meisterwerke von Gustav Klimt bis Henri de Toulouse-Lautrec, das virtuelle Museum "thecrystalweb"
und die neue Schau "fiat:: radikale individuen - soziale genossen" des Medienkünstlers Thomas Feuerstein.
Ausgehend von der klassischen Kunst mit Werken aus der Wiener und Pariser Jahrhundertwende, die in ihrem realen
Umfeld besichtigt werden können, erfährt das traditionelle Museum mit dem virtuellen Museum "thecrystalweb"
anhand der neu eröffneten Ausstellung "fiat:: radikale individuen - soziale genossen" von Thomas
Feuerstein eine digitale Verlängerung, Erweiterung, Kontextualisierung und Neuinterpretation.
Ein Erlebnis der besonderen Art und nur in dieser Nacht. Hin>Schauen..
"thecrystalweb" ist ein virtuelles Museum, das Inhalte von über 300 Institutionen vernetzt und im
Medium Liquid - einem erstmals zur Anwendung gebrachten Informationssystem - experimentell darstellt und vernetzt.
Zentrum ist der Kristall in verschiedensten Fachbereichen: Von Musik über Architektur, Literatur und Alltagsgegenständen
über die Bildende Kunst und die Naturwissenschaft hin zur Popkultur. Neben der umfassenden Darstellung kultureller
und kulturwissenschaftlich relevanter kristalliner Inhalte, die chronologischen und ideologischen Aufschluss über
Verortungen, Facetten und Perspektiven gegenwärtiger Diskurse geben, strebt thecrystalweb eine Neudefinition
des Verhältnisses so genannter "virtueller" und "physischer" musealer Bestände an.
Neben dem online-Auftritt www.thecrystalweb.org unternimmt thecrystalweb mit LIQUID-Installationen einen Schritt
in Richtung "reale Virtualität". Die Präsentation finden erstmals und exklusiv im Rahmen dieser
LANGEN NACHT DER MUSEEN im LEOPOLD MUSEUM statt.
"fiat:: radikale individuen - soziale genossen" Im Mittelpunkt der Ausstellung fiat stehen zwei korrespondierende
Installationen, die das gesellschaftliche Spannungsfeld zwischen Individualität und Sozietät untersuchen.
Über zwei biologische Metaphern werden Fragen nach der Zukunft des Menschen, seines physischen und sozialen
Körpers im Kontext von Genetik und Politik, Technologie und Mythos aufgeworfen. Die Arbeit Leviathan - eine
Staatsqualle als Metapher für einen sozialen Metaorganismus - bezieht sich zum einen auf das biblische Seeungeheuer,
zum anderen auf Thomas Hobbes gleichnamiges Werk und zitiert darüber hinaus einen Hydrozoenkörper, der
sich in der Natur aus Tausenden Polypen aufbaut. Das von Swarovski produzierte Objekt setzt sich aus über
zehntausend Kristallsteinen zusammen und verweist u.a. über seine Materialität auf die älteste Beschreibung
von Gesellschaft als Netzwerk: Das Netz der Göttin Indra. Gesellschaft wird in diesem hinduistischen Mythos
als ein Netz begriffen, das aus einer Vielzahl facettengeschliffener individueller Kristalle gebildet wird. Nur
im gegenseitigen Wechselspiel der Reflexionen erstrahlt die Singularität im Glanz der Sozietät. Komplettierend
zur Arbeit Leviathan wird eine Video-DVD präsentiert, die ein Interview mit Antonio Negri zeigt, der u. a.
sein gesellschaftspolitisches Theorem der Multitude anhand des kristallinen Netzes erläutert. Die Arbeit Behemoth
als Heifer zeigt die chimärenhafte Gestalt eines Laboranten vor dem Schriftzug fiat, dessen Lettern sich aus
speziellen Bioreaktoren zusammensetzen, in denen sich immortale Körper- bzw. Krebszellen als radikalste Form
mutierter Individualität reproduzieren.
Mit freundlicher Unterstützung von D. Swarovski & Co., thecrystalweb, Galerie E.&K. Thoman, Innsbruck,
ARGE Museumsgalerie, Bozen |