Brüssel (europarl.eu.int) - Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments
und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
Erklärung der Kommission:
Kommissarin Anna DIAMANTOPOULOU sagte, dass der Kommissionsvorschlag auf eine Vereinfachung der Rechtsvorschriften
zugunsten der EU-Bürger zielt. Es gebe drei Hauptänderungen:
- Der Anwendungsbereich der Verordnung werde auf alle der Sozialversicherung unterliegenden Bürger ausgeweitet;
bisher waren nur Wanderarbeitnehmer betroffen.
- Neue Formen von Leistungen würden erfasst, wie z. B. die Vorruhestandszahlungen.
- Auch die Leistungen bei Arbeitslosigkeit für Pendler zwischen zwei Staaten würden geregelt.
Berichterstatterin:
Jean LAMBERT (GRÜNE/EFA, UK) betonte, dass man mit dem Rechtsakt eine Koordinierung, aber keine Harmonisierung
erreichen wolle. Es gehe darum, Rechte, Pflichten und Gleichbehandlung auch jenseits der Grenzen vollumfänglich
durchzusetzen. "Das Parlament muss helfen, zwischen den sozialen Systemen eine Brücke zu schlagen."
Personen, die dem Ehepartner in ein anderes Land folgen, dürfen nicht Sozialleistungen verlieren. Auch gelte
es, Fragen der Vorruhestandsregelung zu behandeln, Leistungen bei Mutterschaft zu definieren und gleichgeschlechtliche
Partnerschaften anzuerkennen. An diesem Rechtsakt habe man zehn Jahre gearbeitet. Sie hoffe, noch in dieser Parlamentsperiode
zu einem Abschluss zu kommen. Für die behinderten Menschen habe man Fortschritte erreicht, jedoch bleibe man
bei den Grenzarbeitnehmern hinter den Erwartungen zurück. Man wolle die Regeln der Besteuerung nicht harmonisieren,
aber die Mitgliedstaaten für die Problematik sensibilisieren. Die Krankenversorgung gelte es hierbei besonders
zu beachten. Die Arbeitgeber müssten in die Pflicht genommen werden.
Vertreter der Fraktionen:
Ria OOMEN-RUIJTEN (EVP-ED, NL) erklärte, die Verordnung sei ein Meilenstein in der Geschichte. Man
habe viel erreicht: Gleichbehandlung, eine klare Regelung des Exportes von Rechten im Bereich der sozialen Sicherheit
und eine starke Vereinfachung der Pensionsregeln. Mehr Klarheit gebe es auch bzgl. der Rechte bei Krankheit im
Ausland. Familienangehörige von Grenzgängern erhielten bessere Rechte. Aufgrund der großen Zahl
an Grenzgängen gebe es eine Sonderregelung für Luxemburg. Ein Fortschritt sei es, dass Behinderte ihre
Unterstützung bei einem Umzug ins Ausland nicht mehr verlieren würden. Problematisch sei Änderungsantrag
20, der die gesamte Verordnung in Gefahr bringe. Sei die Koordinierungsverordnung wirklich der richtige Ort, die
gleichgeschlechtliche Ehe zu regeln?
Barbara WEILER (SPE, D) wies darauf hin, dass es in der Praxis in einigen Mitgliedstaaten vielfältige Hindernisse
für die Mobilität gibt. Die Reform sei überfällig, und eine Vereinfachung der Verordnung im
Sinne der Bürger. Die Urteile des EuGH über medizinische Leistungen würden eingearbeitet. Es gebe
auch qualitative Reformen: Arbeitslose könnten sich bis zu sechs Monate in der EU aufhalten. Die Verordnung
werde auf Familienangehörige und Menschen, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen, ausgedehnt. Sie hoffe auf
einen Kompromiss für eine Sonderregelung für Menschen mit Behinderungen. Die Definition der Familie sei
in den Mitgliedstaaten unterschiedlich. Man wolle keinem der Mitgliedstaaten eine bestimmte Definition aufoktroyieren.
Die Verordnung müsse auch im Hinblick auf die Erweiterung offen bleiben.
Auch Johanna BOOGERD-QUAAK (LIBE, NL) zeigte sich erfreut über die Förderung der Mobilität durch
das Gesetzesvorhaben. Man könne noch immer nicht in jedem Fall empfehlen, jenseits der Grenze zu arbeiten,
da die Sozialversicherungssysteme nicht harmonisiert sind. Sie zitierte das Beispiel einer Frau, die ihre Rentenansprüche
verlieren würde, wenn sie jenseits der Grenze eine Arbeit aufnehmen würde.
Sylviane AINARDI (KVEL/NGL, F) sagte, die unter dem Druck der Maastricht-Kriterien in einigen Mitgliedstaaten,
darunter Frankreich und Italien, eingeleiteten Reformen gefährdeten die gesellschaftliche Solidarität.
15 % der Einwohner der EU lebten nach
EUROSTAT in Armut. Es drohten 24 % zu werden. Die Sozialsysteme müssten alle von Ausgrenzung Bedrohten schützen.
Deswegen müssten die Maastricht-Kriterien überprüft werden.
Theodorus BOUWMAN (GRÜNE/EFA, NL) lobte die Fortschritte der Koordinierungsverordnung, die in Zusammenarbeit
mit Rat und Kommission erreicht wurde. Staatenlose habe man in den Rechtsakt miteingebunden und bürokratische
Hemmnisse für Grenzgänger beseitigt. "Wenngleich auch Grenzgänger nur 2 % der erwerbstätigen
Bevölkerung ausmachen, handelt es sich doch um eine Gruppe mit grenzenlosen Problemen", sagte der Abgeordnete.
Er verwies auch auf Schwierigkeiten bei der Definition von Familien und den Sozialleistungen an Familienmitglieder.
Brian CROWLEY (UEN, IRL) unterstrich die Bedeutung der Freizügigkeit als eine der Achsen des Binnenmarkts.
Die sozialen Leistungen müssten daher grenzüberschreitend beibehalten werden, wenn der Binnenmarkt funktionieren
solle. Die Richtlinie habe den Behörden die Schwierigkeit bei der Auslegung von Sozialleistungen erleichtert.
Dennoch sei eine weitere Koordinierung der nationalen Systeme notwendig.
Vertreterin der Kommission:
Kommissarin Anna DIAMANTOPOULOU nahm abschließend zu einzelnen Änderungsanträgen Stellung.
Arbeitslose werden zukünftig Arbeitslosengeld von dem Staat erhalten, in dem sie zuletzt tätig waren.
Da Luxemburg sehr viele Grenzgänger beschäftige, müsse man die vorgeschlagene Übergangsregelung
für Luxemburg akzeptieren.
Jean LAMBERT (GRÜNE/EFA, UK)
Dok.: A5-0226/2003
Verfahren: Mitentscheidung (1. Lesung), ***I
Aussprache: 02.09.2003
Abstimmung: 03.09.2003
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