Staßburg (eu.int) - Kommissar Michel BARNIER bedauerte die Folgen der Hitzewelle, der Dürre und
der Katastrophen, die Europa in diesem Sommer erlebt habe. Er unterstrich die Bedeutung des Solidaritätsfonds
der EU, der als Folge der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr geschaffen wurde. Die Abgeordneten Berend (EVP-ED,
D) und Walter (SPE, D) hätten maßgeblich an der Gestaltung des Fonds mitgewirkt. Eine Milliarde Euro
stünden zur Schadensbehebung jährlich bereit. Portugal habe im Zuge der Waldbrände am 14. August
2003 seinen Antrag eingereicht, und die Kommission bereits zwei Wochen später 31,6 Mio. Euro für Futtermittel
und Schadensbehebung bereitgestellt. Der Kommissar unterstrich, dass dieses Jahr bereits für die Schäden
durch Erdbeben, den Ätna-Ausbruch, den Prestige-Untergang und durch die Waldbrände 88 Mio. Eurp gewährt
worden seien. Deutschland habe letztes Jahr 728 Mio. Euro zur Behebung der Flutkatastrophe erhalten. Die Mittelverwendung
werde in Deutschland in diesen Tagen überprüft.
Der Kommissar hob hervor, dass Struktur- und Kohäsionsfonds ebenfalls bei Forst- und Landwirtschaftsschäden
Einsatz finden könnten. Die Trockenheit habe in diesem Jahr große Schäden angerichtet. Allein in
Norditalien habe man 70 Mio. Euro Einbußen im Bereich der Milchproduktion erlitten. Der Solidaritätsfonds
greife hier nicht, im Gegensatz zu den Agrarinstrumenten. So könnten zum Beispiel Brachflächen für
die Tierfütterung freigegeben werden.
Im Bereich des Zivilschutzes verwies er auf die Notwendigkeit einer besseren Koordinie-rung der Mittel. Das Koordinierungs-
und Expertenzentrum habe beim Untergang der Prestige eine gute Arbeit geleistet. Die Kommission wolle nun prüfen,
inwieweit man Kompetenzen und operationelle Mittel auf andere Bereiche ausdehnen könne.
Laut Barnier sind die Katastrophen nicht im-mer reine Naturkatastrophen, sondern unter-liegen menschlichen Einflüssen.
Vorsorge sei immer billiger als Schadensbehebung. Das Kioto-Protokoll müsse daher umgesetzt werden und die
Maßnahmen zum Bürgerschutz flankieren. Portugal habe in diesem Sommer 400.000 Hektar Wald und Acker
durch Brand verloren. Achtzehn Menschen seien in den Flammen umgekommen. Diese Tragödien müsse man durch
Vorbeugung vermeiden. Gegen zehn von fünfzehn Mitgliedstaaten seien Verfahren wegen unzureichender Senkung
der Treibhausgasemissionen eingeleitet worden. Durch die Hitze seien Tausende von Bürgern umgekommen. Die
Volksgesundheit müsse daher in die Vorsorgepolitik integriert werden, schloss der Kommissar.
Carlos COELHO (EVP-ED, P) sieht in der Reise von Kommissar Barnier nach Portugal eine Geste der Solidarität.
Die große Tragödie des Sommers habe besonders Portugal getrof-fen. Fünf Prozent des portugiesischen
Territoriums und elf Prozent der Waldfläche seien zerstört worden. Dies habe große soziale, wirtschaftliche
und ökologische Auswirkun-gen gehabt. Insgesamt seien Schäden in Höhe von über 100 Mio. Euro
entstanden. Europäische Hilfe sei daher dringend notwendig. Die 31 Mio. Euro reichten nicht aus. In Zukunft
müsse man präventiv agieren. Man müsste über Maßnahmen wie Forest Focus nachdenken. Viele
Länder hätten sich sehr solidarisch mit Portugal gezeigt.
Dagmar ROTH-BEHRENDT (SPE, D) erklärte, die betroffenen Länder forderten zu Recht die europäische
Solidarität ein. Es reiche jedoch nicht, über die Höhe des Geldes für die notwendigen Reparaturen
zu sprechen, sondern man müsse auch über die Ursachen nachdenken. Jeder wisse, dass die Klimaänderung
die Ursache sei, jedoch sei man noch nicht bereit, hieraus Konsequenzen zu ziehen. Man sei noch weit von der Erfüllung
der Kioto-Kriterien entfernt und gehe die Verrin-gerung der Treibhausgase beispielsweise im Verkehr nicht konsequent
an. "Wir sprechen über Katastrophen, aber wir wollen keine Maßnahmen ergreifen, um sie zu verhindern."
Neben Begünstigungen und Belohnungen seien auch Strafen wie beispielsweise die Besteuerung schädlicher
Aktivitäten notwendig. Hierbei kneife jedoch auch das Parlament immer wieder. Man müsse nun reparieren
und gleichzeitig verhindern, dass derartige Katastrophen wieder geschehen.
Frédérique RIES (LIBE, B) sagte, die Hitzewelle sei noch nicht vorbei und habe sowohl menschliche
als auch wirtschaftliche Auswirkungen. Die Gemeinschaftsprogramme wirkten gut, seien jedoch noch unzureichend.
Der Bestand an Löschflugzeugen sei ebenfalls nicht ausreichend. Es müsse ein europäischer Katastrophenschutz
aufgebaut werden. Die Information der Bürger sei zu verstärken, um z. B. das Entfachen von Bränden
durch Zigaretten zu verhindern.
Ilda FIGUEIREDO (KVEL/NGL, P) listete Statistiken zu den Schäden in Portugal auf und forderte höhere
EU-Hilfen. Es müsse ein Solidaritätsfonds eingerichtet werden, aber auch andere Programme sollten flexibel
genutzt werden. Die Agrarpolitik habe zur Brandgefährdung beigetragen. Diese Situation zeige die Irrationalität
des Stabilitätspakts.
Claude TURMES (GRÜNE/EFA, L) sieht in der Katastrophe eine letzte Warnung an die Politiker in Sachen Klimapolitik.
Seine Frak-tion fordere in einem Brief an Prodi mehr Solidarität bei der Erfüllung der Klimaziele insbesondere
durch südliche Mitgliedsländer. Auch müsse die Verkehrspolitik mehr auf die Schiene setzen. Die
Energieerzeugung müsse dezentraler werden und die Kraft-Wärme-Kopplung nutzen, um die Atmosphäre
nicht zu erhitzen.
José Duarte de Almeida RIBEIRO E CASTRO (UEN, P) lobte die schnelle Hilfe durch Kommission und Parlament
bei der Brandkatastrophe in seinem Land. Mehr als drei Wochen lang sei Portugal ungewöhnlich hohen Temperaturen
und Brandkatastrophen ausgesetzt gewesen. Fünf Prozent des Territoriums und elf Prozent der Forstflächen
seien zerstört worden. Eine Finanzhilfe von 50 Mio. Euro durch die EU wäre daher nach portugiesischen
Berechnungen notwendig, um die Schäden zu beheben. Abschließend setzte er sich dafür ein, dass
die Mittelaufstockung bei Forest Focus, die man in erster Lesung bereits gefordert habe, auch weiterhin einge-fordert
werden müssen.
Georges BERTHU (FL, F) verwies auf die Anfälligkeit der französischen Gesundheitsversorgung, die er teilweise
mit der Arbeitszeitverkürzung erklärte. Weiterhin hielt er die Koordinierung von Energie- und Umweltpolitik
für notwendig, um den Treibhauseffekt besser bekämpfen zu können. Abschließend forderte er
eine Gebühr für die Nutzung der Straßeninfrastruktur, um die Mittel zum Wohle der Umwelt einzusetzen.
Hedwig KEPPELHOFF-WIECHERT (EVP-ED, D) äußerte sich zur Dürresituation in Deutschland. Es habe
schon häufiger derartig trockene Sommer gegeben. Bei der angespannten finanziellen Situation in den Betrieben
sei es aber schwer, die Dürre nur als Berufsrisiko zu behandeln. Deutschland und andere europäische Staaten
hätten extreme, durch die Dürre bedingte Ernteeinbußen erlitten. Ermutigend sei es, dass die Kommission
die Direktzahlungen schneller und früher leisten wolle. Könne man darüber hinaus nicht auch noch
die nicht abgerufenen Gelder im EU-Agrarhaushalt für eine schnelle Hilfe verwenden?
Vertreter der Kommission
In Beantwortung der Abgeordnetenfragen betonte Kommissar Michel BARNIER, dass die 31,6 Mio. Euro Hilfe
für Portugal für Dring-lichkeitsmaßnahmen bestimmt seien. Wenngleich diese Summe auch von einigen
Abgeordneten als unzureichend betrachtet werde, dürfe man nicht vergessen, dass ihre Auszahlung nur durch
den Solidaritätsfonds möglich sei. Die Mittelüberweisung sei - zügige Stellungnahme des Rates
vorausgesetzt - für Oktober vorgesehen.
Die Aufforstung könne bis zu 40 Jahre dauern. Man müsse sich hier überlegen, Strukturfondsmittel
einzusetzen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Abwanderung zu vermeiden. Zehn Prozent der Mittel des
Strukturfonds seien allein für die Aufforstung bestimmt. Eine Mittelanpassung von Forest Focus an die bestehenden
Erfordernisse sei noch möglich. Die Kommissarin Wallström werde sich bald im zuständigen EP-Ausschuss
mit dem Thema auseinanderset-zen.
Barnier verwies darauf, dass er sich auch im Falle von Portugal an die von EP und Rat festgelegten Kriterien halten
müsse, auch wenn er selbst andere Kriterien vorgeschlagen habe. Eine Überprüfung der Kriterien stehe
jedoch an.
Es sei kein Zufall, dass die Überschwemmungen, Dürren und Stürme zunähmen: Dies sei auf die
Klimaveränderung zurückzuführen. Die Treibhausgase müssten also vermindert werden. Eine ausgewogene
Politik zugunsten der Schiene müsse greifen. Die neuen Mitgliedstaaten dürften nicht die Irrtümer
der alten wiederholen. Der neue Kohäsionsfonds müsse dies berücksichtigen. Die 90er Jahre seien
die wärmsten in den letzten 1.000 Jahren gewesen; weitere Forschungen zum Klimawandel seien daher notwendig. |