Nationalratspräsident Khol empfängt den Trientiner Landeshauptmann
Wien (pk) - Nationalratspräsident Andreas Khol begrüßte am Dienstag (09.
09.) Mittag den Landeshauptmann der autonomen Region Trient, Lorenzo Dellai, sehr herzlich im Parlament
und bat ihn nach einem Vier-Augen-Gespräch zu einem Gedankenaustausch mit Mitgliedern des Südtirol-Unterausschusses
des Nationalrates.
Präsident Khol leitete das Gespräch mit der Feststellung ein, dass sich die Situation in der Europa-Region
Tirol in eine ganz andere Richtung entwickelt habe, als sie noch vor 15 Jahren bestanden habe. War früher
stets von einem Dualismus zwischen Provinzen und Regionen die Rede gewesen, bestehen heute hervorragende Beziehungen
zwischen Südtirol und Welschtirol und auch mit dem Bundesland Tirol. In Rom stehen Trient und Bozen auf derselben
Seite. "Daher kann man heute über die wirklichen Probleme der Menschen reden, über Verkehr, Wissenschaft
sowie darüber, was uns verbindet", sagte der Nationalratspräsident.
Landeshauptmann Dellai erinnerte an das Zehn-Jahres-Jubiläum zum Abschluss des Südtirol-Pakets und zur
internationalen Streitbeilegung. "Was allerdings nicht beendet worden sei, ist die Rolle, die Österreich
weiterhin für den Dialog und für die Beziehungen mit unserer Region spielt", sagte Landeshauptmann
Dellai und betonte, dass Österreichs Rolle in Trient positiv gesehen werde.
Das Gruber-De Gaspari-Abkommen, das in erster Linie dazu gedient habe, die Südtirol-Frage zu lösen, erweise
sich als sehr weitsichtiges Abkommen, mit dem ein institutioneller Rahmen für den gesamten Grenzbereich Tirol
– Italien geschaffen worden sei.
Auch Lorenzo Dellai charakterisierte die Beziehungen zwischen Trient und Bozen als ausgezeichnet, noch nie habe
so großes Vertrauen und so intensive Zusammenarbeit zwischen Trient und Bozen geherrscht, sagte Dellai und
informierte über die Absicht, weitere Schritte in Richtung "Europaregion" zu setzen. In diesem Zusammenhang
lautete Dellais Wunsch an das österreichische Parlament, das Zusatzabkommen zum Madrider Abkommen bald zu
ratifizieren. Dies sei wichtig, um Themen, die für die Brenner-Achse relevant sind, mit größerer
Schlagkraft zu verfolgen: die Lösung von Verkehrs- und Umweltproblemen und die Kooperation in Kultur und Wissenschaft.
Hinsichtlich der notwendigen Regelung der Verkehrsströme bezeichnete es Dellai als wichtig, ein Netz der Beziehungen
zwischen Wien, Rom und Brüssel zu schaffen.
Für Präsident Khol war es bemerkenswert, dass sein Trientiner Gast die Schutzmachtrolle Österreichs
nicht nur als defensive Rechtshilfe, sondern unter dem Aspekt der Förderung der Autonomie und der Zusammenarbeit
zur Lösung der Probleme an der Brenner-Achse sehe. Der Nationalratspräsident informierte den Landeshauptmann
von Trient darüber, dass das Zusatzabkommen zum Madrider Abkommen dem Nationalrat bereits vorliege, und versprach
ihm eine Ratifikation noch im Laufe dieses Jahres.
Auch Abgeordneter Klaus Wittauer (F) bekannte sich zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Trient, Südtirol
und Tirol, um die Probleme in den Bereichen Verkehr und Umwelt zu lösen, und erkundigte sich zudem nach der
Umsetzung der Alpenkonvention in Trient.
Landeshauptmann Dellais Antwort lautete, der Basistunnel sei unverzichtbar, weil seine Region eine starke Zunahme
des Verkehrs von den Häfen am adriatischen und thyrennischen Meer erwarte. Nicht nur der Bau des Brenner Basistunnels
sei notwendig, sondern auch der Ausbau der Strecke München - Verona. Über Geld von der Europäischen
Union und den Staaten hinaus denke er an eine Querfinanzierung aus Mitteln der Autobahnmaut. Gewinne der Autobahnen
sollen in die Bahn investiert werden, wie dies einem italienischem Gesetz entspreche, das Investitionen von Gewinnen
aus der Autobahnmaut in die Bahn steuerfrei stelle. - Trient sei sehr bemüht, an der Umsetzung der Alpenkonvention
mitzuwirken und dabei lokale Strukturen in die Verantwortung einzubeziehen, fügte Landeshauptmann Dellai hinzu.
Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) erkundigte sich danach, wie die italienische Regierung den Vorschlag der Umschichtung
von der Straße zur Bahn sehe und erfuhr von Problemen mit der europäischen Gesetzgebung. Voraussetzung
für die Investition von Mautgewinnen in die Bahn sei die Verlängerung der Autobahnkonzessionen, da Dellai
sich nicht vorstellen könne, dass nach einer europäischen Ausschreibung private Investoren bereit sein
könnten, in die Bahn zu investieren. Er blicke aber vertrauensvoll in die Zukunft, weil er wisse, dass die
Lösung der Verkehrsprobleme auf der Brenner-Achse in der EU Priorität habe.
Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) konzentrierte sich auf die Beschäftigungssituation in Trient und erfuhr,
dass die ökonomische Situation in Trient sehr gut sei und die Arbeitslosenrate nur 3,5 % betrage. Landeshauptmann
Dellai nannte es als Ziel seiner Region, die Erwerbsquote der Frauen zu erhöhen, den Internationalisierungs-
und Innovationsgrad zu erhöhen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Identität der Region erhalten
bleibe. Denn ohne die Bewahrung lokaler Identitäten und eine stärkere Rolle der Regionen werde Europa
nicht funktionieren können.
Abgeordneter Johann Ledolter (V) fragte nach den Erfahrungen Trients mit grenzüberschreitenden Regionalprojekten
und nach der Teilnahme am EU-Programm "Interreg III". - Landeshauptmann Dellai erinnerte daran, dass
Trient, die Heimat Alcide de Gasparis, traditionell europäisch eingestellt sei und jahrhundertelange Beziehungen
mit Zentraleuropa habe. Die europäische Erweiterung sei eine große Chance für alle, betonte Dellai
und unterstrich die Bereitschaft Trients, mit allen europäischen Ländern zusammenzuarbeiten.
Abschließend sagte Nationalratspräsident Andreas Khol seinem Trientiner Gast zu, ihn in den Fragen Investition
von Autobahnmauten in die Bahn, Autobahnkonzessionen und in Verbindung damit bei der Wegekostenrichtlinie in Brüssel
zu unterstützen. |