Erster Tätigkeitsbericht des neuen Bundesvergabeamtes  

erstellt am
09. 09. 03

Verfahren beschleunigt und Akzeptanz der Entscheidungen erhöht
Wien (pk) - Die enorme wirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Aufträge wird auch deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Gesamtvolumen der öffentlichen Bestellungen von Waren und Dienstleistungen im Jahr 2001 einen Wert von 35,23 Mrd. Euro oder 17,9 % des BIP ausmachte. Die Zahl stammt aus dem ersten Tätigkeitsbericht des Bundesvergabeamtes, den Wirtschaftsminister Bartenstein dem Nationalrat kürzlich vorgelegt hat (III-46 d.B.). Der rechtliche und praktische Fortschritt im öffentlichen Vergabewesen wird mit dem Hinweis darauf dokumentiert, dass der Wert der öffentlichen Aufträge, die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gemacht wurden, von 2,46 Mrd. Euro im Jahr 1999 auf 4,76 Mrd. Euro im Jahr 2000 stieg. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der Auftraggeber, die im Amtsblatt veröffentlichten, von 477 auf 486 und die der Vergabeverfahren von 2.515 auf 2.729 zu.

Erste Erfolg des neuen Bundesvergabeamtes, das aufgrund der letzten Novelle des Bundesvergabegesetzes am 1.9.2002 seine Tätigkeit aufgenommen hat, dokumentiert der Bericht mit folgenden Daten: Die neue Behörde hat vom früheren BVA 370 Akte (330 "Altverfahren" sowie 40 kanzleitechnisch noch nicht abgeschlossene Akte) übernommen und konnte davon bis Ende des Vorjahres bereits 185 Akte abschließen. Von den 79 neuen Verfahren, die im Berichtszeitraum anfielen, wurden 45, davon 35 mit Bescheid, erledigt, sodass die neue Behörde in den ersten vier Monaten ihrer Tätigkeit von 449 offenen Akten 230 abschloss. Die Verfahrensdauer konnte gegenüber der früheren Organisationsform des Bundesvergabeamtes deutlich beschleunigt und zugleich die Akzeptanz der Entscheidungen bei den Verfahrensparteien deutlich erhöht werden. Es gab keine Vorlagen an den EuGH, die Zahl der Beschwerden an den VfGH wurde deutlich gesenkt.

Die Geschichte des Bundesvergabeamtes
Über eine erste statistische Bilanz der praktischen Arbeit des neuen Bundesvergabeamtes hinaus beschreibt der Bericht in seinem historischen Teil die wichtigsten Schritte in der jüngeren Entwicklung des Bundesvergabewesens: Mit dem Bundesvergabegesetz 1993, das am 1.1.1994 in Kraft trat, war die Bundes-Vergabekontrollkommission zur effektiven Kontrolle der (Bundes-) Vergaben sowie als Schlichtungsstelle und für die Erstellung von Gutachten eingerichtet worden. Das Bundesvergabeamt - eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag - wurde damals als Behörde mit Hoheitsrechten geschaffen, die in Dreiersenaten über die Anträge der Bewerber und Bieter entscheidet. Sie kann per Bescheid Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers nichtig erklären, einstweilige Verfügungen erlassen und feststellen, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde.

Zunächst bestanden fünf nebenberuflich tätige Senate, jeweils mit einem Richter als Vorsitzendem. Beschwerdeinstanzen waren der EuGH und der VfGH. Die Novelle des Jahres 1997 hielt an der Systematik des Vergaberechtsschutzes grundsätzlich fest, erweiterte aber den Anwendungsbereich auf Dienstleistungs- und Sektorenauftragsvergaben und richtete dafür zusätzliche Senate ein.

Eine grundlegende Änderung in der Struktur des Bundesvergabeamtes brachte die jüngste Novelle des Bundesvergabegesetzes, die, wie schon angeführt, am 1.9.2002 in Kraft trat. Nunmehr ist das Bundesvergabeamt eine unabhängige Bundes(kontroll)behörde eigener Ausprägung. Ihre Bescheide können nunmehr nicht nur beim Verfassungsgerichtshof, sondern auch beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden. An die Stelle nebenberuflicher Richter traten Verwaltungsbeamte (Senatsvorsitzende), denen hauptberuflich und inhaltlich weisungsfrei die nachprüfende Kontrolle über die Vergaben nach dem Bundesvergabegesetz obliegt. Somit entspricht das neue Bundesvergabeamt dem Gerichtsbegriff der Menschenrechtskonvention.

Derzeit gehören dem Bundesvergabeamt 16 Senatsvorsitzende und 33 sonstige Mitglieder an, die gemeinsam die Vollversammlung bilden. Der Vorsitzende und die Senatsvorsitzenden wurden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung am 1.9.2002 bestellt. Die sonstigen Mitglieder werden aus dem Kreis der Auftraggeber und Auftragnehmer für die Dauer von fünf Jahren bestellt, wobei Vorschlagsrechte der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und der Bundesarbeitskammer zukommen. Auch die sonstigen Mitglieder werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt.

Die Ausweitung des Rechtsschutzes hat den Personalbedarf erhöht. Mit 1.9.2002 wurden 17 Senatsvorsitzende ernannt und das Kanzleipersonal verdreifacht. Raumprobleme wurden im April 2002 durch die Übersiedlung der Behörde aus dem dritten Wiener Bezirk in das "Galaxy-Gebäude", ihrem neuen Amtssitz in der Praterstraße 21 gelöst.

Am 1.1.2003 ist mit dem Artikel 14b der Bundesverfassung erstmals eine explizite kompetenzrechtliche Regelung des öffentlichen Auftragswesens in Kraft getreten, die dem Bund die vergaberechtliche Gesetzgebung zuweist. Den Ländern verbleibt die legistische und die Rechtsschutzkompetenz in der Nachprüfung der Vergaben von Aufträgen durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände.
     
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