Die Abwanderung des Gesundheits-Personals macht den EU-Beitrittsländern die größten
Sorgen
Gastein ( sbg.at) - „Brain Drain“, der Abfluss von Wissen im Gesundheitssektor ins Ausland macht
den EU-Beitrittsländern derzeit die meisten Sorgen: Mit dem EU-Beitritt wollen viele hoch qualifizierte Ärzte,
KrankenpflegerInnen und Therapeuten in die alten europäischen Staaten abwandern, weil sie dort einerseits
dringend gebraucht werden und sich andererseits bessere Arbeitsbedingungen erwarten. Darüber diskutierten
der litauische Gesundheits-Minister, Juozas Olekas, und der slowenische Staatssekretär für Gesundheit,
Dorjan Marusic, beim European Health Forum in Bad Gastein.
Auswandern mit Rückkehr-Garantie
„Die meisten unserer Ärzte werden ins benachbarte Skandinavien, nach England und Deutschland auswandern“,
sagte Litauens Gesundheits-Minister, Juozas Olekas, „aber auch in den USA leben viele Litauer, viele meiner Studienkollegen
haben dort studiert.“ Trotzdem werde der „Brain Drain“ abgefedert, weil nach einer gewissen Zeit im Ausland die
Leute wieder zurückkommen würden; die litauische Regierung wolle versuchen, den wiederkehrenden Ärzten
neue Einrichtungen zu schaffen, die dem westlichen Standard entsprächen. „Es werden aber immer noch mehr Ärzte
abwandern als zurückkommen“, sagte Olekas.
Arbeitskräfte-Mangel in Slowenien
Für Slowenien – als eines der kleinsten Beitrittsländer – stelle sich das Problem nicht in einem so großen
Ausmaß, sagte Dorjan Marusic, der slowenische Gesundheitssekretär. „Nur fünfzig Slowenen arbeiten
als Ärzte im Ausland“. Das Problem für Slowenien wäre, wie schon in den bestehenden EU-Staaten,
der Arbeitskräfte-Mangel im Gesundheits-Sektor: „In den nächsten sieben Jahren benötigen wir 700
Ärzte und 2000 Krankenschwestern“, sagte Marusic. Ausgleichen wollen die Slowenen den Mangel durch Pflegepersonal
aus dem angrenzenden Kroatien, „außerdem ist der Zugang zu einem Arbeitsplatz im Gesundheitswesen relativ
leicht“, sagte Marusic. Es werde dabei eher zu einer täglichen als zu einer ständigen Migration kommen.
Generika-Industrie schützen
Diskussionen gibt es auch über die in den Beitrittsländern beheimatete Pharma-Industrie, die
hauptsächlich Generika herstellt: Slowenien hat laut Marusic eine Liste mit Medikamenten aufgestellt, deren
Preise von den Versicherungen bestimmt werden; Parallel-Medikamente sollen bei der Anpassung an die anderen EU-Länder
helfen.
Litauen habe eine Übergangsfrist für sechs Jahre anberaumt, sagte Olekas, er erwarte sich aber nur im
ersten Jahr Schwierigkeiten mit den Patenten.
Beide wollen auf jeden Fall ihre Pharma-Industrien im Wettbewerb mit den großen Firmen schützen.
Kooperation mit Österreich und Italien
Um das Gesundheitssystem nach dem EU-Beitritt zu verbessern, haben sich die Slowenen schon einige Ziele
gesteckt: So sollen die Rückvergütung und die medizinische Verwaltung überarbeitet und die allgemeine
Gesundheits-Situation der Slowenen gehoben werden. Gemeinsam mit Italien und Österreich sollen Projekte für
das Gesundheitswesen erarbeitet werden. „Der Schwerpunkt liegt auf Italien; mit den Italienern wollen wir medizinisch-technische
Geräte teilen“, sagte Gesundheits-Staatssekretär Marusic.
Von EU-Erfahrung profitieren
„In Litauen wollen wir nach dem Beitritt von der Erfahrung der EU im Gesundheitswesen profitieren“, sagte
Gesundheits-Minister Olekas, „Probleme werden uns der freie Dienstleistungs-Verkehr und die in der EU teureren
Behandlungen machen.“
Auch haben die Litauer zuviel Pflegepersonal und Krankenhausbetten; deshalb solle die Zusammenarbeit im System
verbessert werden, erklärte Olekas. Schon vor dem EU-Beitritt habe sich im litauischen Gesundheitssystem viel
getan: „Wir haben eine niedrigere Neugeborenen-Sterblichkeit als die USA.“ In Zukunft sollen im litauischen Gesundheitssystem
mehr Menschen ambulant behandelt werden und mehr in die Prävention – von Krankheiten genauso wie von Unfällen
und weichen Drogen – investiert werden
Das European Health Forum findet von 1. bis 4. Oktober 2003 in Gastein statt. 550 Teilnehmer aus 43 Nationen diskutieren
unter dem Motto „Health and Wealth“ über die Entwicklungen im Gesundheitssektor. |