Wissenschaft und Technik
der Woche vom 30. 10. bis 05. 11. 2001

   
Kremser Unternehmen heilt Kniegelenke
Krems (nöwpd) - Das Biotechnologie-Unternehmen Educell mit Firmensitz im neuen Regionalen Innovationszentrum (RIZ) Nord in Krems hat ein Verfahren zur Behandlung von Kniegelenksdefekten entwickelt. Die neue Methode der orthopädischen Chirurgie wird verwendet, um Knorpeldefekte, vor allem im Kniegelenk, zu beheben. "Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Kultivierung menschlichen Gewebes aufzubauen, das Märkte in Europa, Südamerika und Asien versorgt", so der Geschäftsführer des elf Mitarbeiter starken Unternehmens, Dipl.-Ing. Dr. Matthias Eder im Gespräch mit dem NÖ Wirtschaftspressedienst.
Educell wurde im Juli 1997 in Laibach, Slowenien gegründet und ist seit dem Frühjahr auch in Österreich ansässig. Vor zwei Monaten "mutierte die slowenische Mutter zur Tochter" ­ die Firmenzentrale befindet sich nunmehr in Krems, während sich Laibach ausschließlich der Forschung widmet. Eder bezifferte den zu erwartenden kumulierten Jahresumsatz der beiden Unternehmen mit circa sieben Millionen Schilling.
Das RIZ-Gründerzentrum Krems beheimatet Betriebe, die in den Bereichen Biotechnologie, Medizintechnik und Informationstechnologie-Dienstleistungen tätig sind; es wurde im Dezember 2000 eröffnet. Die Gesamtkosten für das Gründerzentrum beliefen sich auf 68 Millionen Schilling. Die Finanzierung wurde vom Land NÖ und der Stadt Krems zu je 50 Prozent getragen.

 

Klein, kleiner, Nano - ARC Seibersdorf research erforscht Anwendungen der Nanotechnologie
Seibersdorf (arc) - Was in der Materialforschung vor kurzem noch bei Mikro endete, wird jetzt schon im Maßstab Nano, also einem Millionstel Millimeter, gemessen. Die Ergebnisse der Forschung in praktikable, am Markt verkaufbare Anwendungen zu überführen, ist eines der Ziele im Geschäftsbereich Werkstoffe und Produktionstechnik der ARC Seibersdorf research. Etliche Verwendungen sind bereits angedacht, so etwa für Biosensoren, Beschichtungen, Implantate oder in der Umwelttechnik. In einem Workshop am 19. November will der Geschäftsbereich Werkstoffe jetzt die Industrie auf den Nano-Geschmack bringen.
Nano-Werkstoffe sind Materialien, die so hergestellt werden, dass ihr struktureller Aufbau gezielt aus Molekülen oder Körnern im Nanomaßstab (zwischen 1 und 100nm) erfolgt. Dadurch verändern auch herkömmliche Werkstoffe ihre physikalischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften. Sie können z.B. wesentlich höhere Festigkeiten in Verbindung mit besserer Dehn- und Formbarkeit erreichen. Von der Nanotechnologie verspricht sich die Werkstoff-Forschung revolutionäre Ergebnisse, vorausgesetzt, die bislang noch nicht zur Gänze verstandenen Ursachen für die Eigenschaftsänderungen werden vollständig erforscht und dieses Wissen wird für praktische Anwendungen eingesetzt. Die Forscher denken bereits an verschiedendste Einsätze nanostrukturierter Materialien, etwa in der Medizintechnik, in der Elektronik und in der Biotechnologie.

Anwendungen in Medizintechnik, Biotechnologie oder Elektronik möglich
Das an Universitäten erarbeitete Grundlagenwissen der Nanotechnologie in Technologie umzusetzen ist das erklärte Ziel des Geschäftsfeldes "Materials Microengineering" des Bereiches Werkstoffe und Produktionstechnik von ARC Seibersdorf research. So wurde ein Labor aufgebaut, das Keramikpulver mit Korngrößen zwischen 10 und 60nm als Ausgangsmaterial für nanostrukturierte Keramik entwickelt. Dieses keramische nano-Pulver setzen Forscher in weiterer Folge auch zur Beschichtung anderer Materialien ein, wie in der Lichttechnik zur gezielten Veränderung optischer Eigenschaften, etwa zur Steigerung des Reflexionsgrades.
Einen anderen Anwendungsbereich der Nanotechnologie sieht Wolfgang Lacom, Leiter des Geschäftsfeldes Materials Microengineering, in der Medizintechnik. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit Russland soll ein Verfahren zur Überführung von herkömmlichem Titan in nanostrukturiertes Titan auf seine Praxistauglichkeit geprüft werden. Gelingt dies, sind Implantate, etwa Hüftgelenke aus reinem Titan herstellbar. Patienten, die die bislang üblichen Legierungen von Titan mit anderen Metallen nicht vertragen, könnte so geholfen werden.
Keramisches Nanopulver könnte auch den Umweltschutz verbessern helfen. Da die Gesamtoberfläche dieses Pulvers mit der Korngröße abnimmt und besser in Böden eingebracht werden kann, laufen Versuche gemeinsam mit dem ebenfalls bei ARC Seiberdorf research ansässigen Bereich Umwelt und Leben, um keramisches Nanopulver zur Sanierung belasteter Böden zu entwickeln.
Weitere Einsatzgebiete sind für Lacom die Elektronik und die Biotechnologie. Letzteres umso mehr, da sich die Nanotechnologie vermehrt die für die Biotechnologie wichtigen Bauprinzipien der Natur zum Vorbild nimmt und Werkstoffe sowie Beschichtungen im Weg der "Selbstassemblierung", also quasi der eigenständigen Zusammensetzung durch die Materialien selbst, entwickelt. Mithilfe dieser Methode könnten Biosensoren, die mit Nanotechnologie produziert wurden, zum Beispiel im Körper eingesetzt werden, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und leichter behandeln zu können. In der Elektronik wird die Nanotechnologie die weitere Miniaturisierung mikroelektronischer Bauteile und damit Leistungssteigerungen von Computern ermöglichen. Für Quanten-Computer können mittels Nanotechnologie winzig kleine, Drähte mit Durchmessern in der Größenordnung der Moleküle hergestellt werden.

Nanotechnologie eröffnet große wirtschaftliche Chance für KMU
Große Chancen in der Nanotechnologie sieht Lacom für Klein- und Mittelständische Unternehmen: "Wie internationale Beispiele zeigen, liegen in dieser Technologie vor allem für innovative und flexible kleinere Unternehmen große wirtschaftliche Möglichkeiten, wenn diese rechtzeitig das an Universitäten und Forschungseinrichtungen erarbeitete Basiswissen aufgreifen und in marktfähige attraktive Produkte umsetzen. Die ARC als Österreichs größte außeruniversitäre und anwendungsorientierte Forschungseinrichtung sind der Industrie dabei gerne Partner".

Workshop für Industrie zur Demonstration der Möglichkeiten
Um Industriebetrieben in Österreich den aktuellen Entwicklungsstand der Nano-Werkstoffe und deren Anwendungspotenzial näherzubringen, organisiert der Geschäftsbereich Werkstoffe und Produktionstechnik mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten und TecNetArea am 19. November 2001 einen Workshop im ARC-Kompetenzzentrum ECHEM in Wiener Neustadt. Im Kompetenzzentrum, das vom Geschäftsbereich Werkstoffe aufgebaut wurde, arbeiten 20 Unternehmen, die Technischen Universitäten Wien und Graz sowie die Universität Wien vor allem an der Optimierung von Beschichtungen. Gerade dort eröffnen sich weite Einsatzmöglichkeiten für die Nanotechnologie. Bei der Demonstration der möglichen Anwendungen der Nanotechnologie werden Experten aus Großbritannien, Deutschland, Russland und Österreich die ForscherInnen von ARC Seibersdorf research unterstützen.
Ziel des Workshops ist es,

  • einen Überblick über Grundlagen und den bereits erreichten Status der nano-strukturierten Werkstoffe zu vermitteln,
  • die künftigen großen Entwicklungslinien und wirtschaftlichen Möglichkeiten aufzuzeigen,
  • ein Forum für die Kontaktaufnahme und Diskussion mit F&E-Partnern zu bieten, und letztlich
  • Themen und Vorgangsweisen für weiterführende Aktivitäten auf den Ebenen Österreichs und der EU zu diskutieren.

 
Waneck: Anthraxspray ist in Erprobung - Untersuchungsreihen laufen
Wien (bmsg) - "In Bezug auf die Pressemeldungen zu einem Spray mit Wirksamkeit gegen Anthraxsporen in der Umwelt, wird seitens der Experten des Allgemeinen Krankenhauses und des Staatssekretariates für Gesundheit bedauert, dass hier eine Erwartungshaltung entstanden ist, die noch nicht verifiziert werden konnte", sagte heute FP-Staatssekretär Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck. "Es gibt erste vielversprechende Ergebnisse, aber noch kein endgültiger Beweis der Wirksamkeit."
"Es handelt sich hier um einen Bericht über die Untersuchung eines antimikrobiell wirksamen Präparates, welches in der Ölbohrindustrie verwendet wird, um Bohrrohre vor mikrobiellem Wachstum zu schützen, auf Anwendbarkeit gegen Anthraxsporen. Erste Ergebnisse haben gezeigt, dass eine gewisse Wirksamkeit zu erwarten ist. Eine sichere Aussage darüber, ob dieser Spray einen Fortschritt gegenüber den bisher verwendeten Desinfektionsmitteln darstellt, ist noch nicht möglich", so Waneck.
Diesbezügliche Untersuchungsreihen werden im Zusammenwirken zwischen dem Klin. Institut für Hygiene der Universität Wien, Vorstand Prof. Dr. Rotter, Prof. Dr. Georgopoulos von der Klin. Abteilung für Infektionen und Chemotherapie, Leiter Prof. DDr. Graninger, und externen Partnern durchgeführt.
Wir alle hoffen, so Waneck abschließend, dass sich die Vermutungen bestätigen und ein Mittel gefunden wurde, mit dem Milzbrandbakterien wirksam bekämpft werden können. Bis zur endgültigen Bestätigung werden wir allerdings noch einige Zeit warten müssen.

 
Innovation aus Österreich rettet Neugeborene
Protein C-Konzentrat noch heuer am Markt - Seltener Gen-Defekt
Wien - Lange Zeit bestand für Neugeborene mit einem schweren, angeborenen Protein-C-Mangel keine Hoffnung. Sie starben innerhalb weniger Wochen. Der erste Bub, dem eine Neuentwicklung der Baxter AG, damals Immuno, das Leben rettete, wurde heuer 12 Jahre alt. Im Juli dieses Jahres erhielt das von Baxter entwickelte Protein C-Konzentrat als weltweit einzige Substanz die europaweite Zulassung für die Behandlung des angeborenen Protein-C-Mangels. Noch heuer kommt die Substanz in Österreich auf den Markt.
Schwerer genetischer Protein-C-Mangel war bis vor wenigen Jahren unbehandelbar und verlief tödlich. Protein C ist im Körper unbedingt nötig, um eine überschießende Blutgerinnung zu verhindern. Steht es nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, dann bilden sich Thromben - Verklumpungen von Blutkörperchen - , welche die kleinen Blutgefäße verstopfen: zuerst in der Haut, dann in der Netzhaut des Auges, in der Niere, dem Gehirn und in weiteren lebenswichtigen Organen. Die dramatischen Folgen sind - neben dem Absterben der Haut - Blindheit, schwere Hirnschäden und letztendlich der Tod.
1989 kam in Paris ein kleiner Bub auf die Welt, dem genau dieses Schicksal drohte. Er verdankt sein Leben seiner Mutter, einem engagierten Ärzteteam und konzentriertem Protein C von Immuno.

Rettung in letzter Minute
Seine Mutter entdeckte die kleinen Punkte auf der Haut zuerst. Als Ursache für die Purpura fulminans identifizierte die behandelnde Ärztin Dr. Marie Dreyfuss einen schweren, angeborenen Protein-C-Mangel. Ein Defizit, das mit keinem zugelassenen Medikament ausgeglichen werden konnte. Dr. Dreyfuss wusste aber, was damals nur in Expertenkreisen bekannt war: dass in Österreich zu Forschungszwecken ein hochkonzentriertes Protein C hergestellt wurde, mit dem der Protein-C-Mangel beseitigt werden könnte. Dann ging alles ganz schnell. Ein Anruf bei Immuno genügte und am nächsten Tag stand Protein C in Paris zur Verfügung. Der Erfolg überraschte sogar die behandelnden Ärzte. Die Veränderungen am Auge verschwanden innerhalb einer Woche, die teilweise bereits abgestorbenen Hautteile regenerierten sich innerhalb von drei Wochen, der kleine Bub war gerettet. Es war das erste Mal, dass ein Protein-C-Konzentrat therapeutisch eingesetzt wurde - damals in enger Zusammenarbeit mit Fachleuten von Immuno. „Heute stellt eine solche Behandlung für uns kein Problem mehr dar“, so Dreyfuss.
Obwohl der Therapieerfolg durchschlagend war, vergingen vom ersten Einsatz von Protein C in dieser Indikation bis zur Zulassung noch Jahre. Das hat einen einfachen Grund: Es gibt nur wenige Neugeborene, die mit diesem genetischen Defekt auf die Welt kommen. Daher dauerte es mehrere Jahre, bis die Wirksamkeit und Sicherheit der Substanz anhand einer ausreichend großen Fallzahl dokumentiert werden konnte.
Mittlerweile wissen Fachärzte in der ganzen Welt über diese einzigartige Therapiemöglichkeit Bescheid. Aber noch immer ist die Zeit ein wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg. Daher richtet die Baxter Vertriebs GmbH , Wien einen „Notfalldienst“ ein, der gewährleistet, dass das lebensrettende Protein C innerhalb weniger Stunden dort hingelangt, wo es gebraucht wird.

Die Forschung geht weiter
Die Forschungsbemühungen erstrecken sich wie bei manchen anderen Entwicklungen von Baxter auch bei Protein C auf den Bereich der „Orphan Drugs“ - also Medikamente, die nur für einen kleinen Patientenkreis bestimmt sind. Mit der Entwicklung von Protein C-Konzentrat stellt Baxter wieder einmal die Umsetzung seines Bekenntnisses zu Forschung und Innovation unter Beweis. Angeborener Protein-C-Mangel ist aber nicht die einzige Erkrankung, bei der zu wenig körpereigenes Protein C zur Verfügung steht und wo eine Substitution dringend nötig sein könnte. Die Forschung bei Baxter geht weiter.

 
Medikament gegen Multiple Sklerose in Sicht
900 Patienten testen Copaxone – erste Ergebnisse in drei Jahren
London (pte) - Krankenhäuser in Großbritannien testen derzeit ein Medikament, das bei Zulassung weltweit die erste medikamentöse Behandlungsform gegen Multiple Sklerose (MS) darstellen könnte. Für Patienten mit einer primär chronisch progredienten Multiple Sklerose gibt es derzeit noch keine Behandlungsmöglichkeit. Diese Form betrifft 15 Prozent aller MS-Erkrankten.
Das Medikament Copaxone wurde im vergangenen Dezember in Großbritannien ursprünglich zur Behandlung der schubhaften Multiplen Sklerose eingesetzt. Dabei treten zwischenzeitlich Phasen von vorübergehender Stabilisierung oder sogar leichter Besserung auf. Copaxone wird dabei als Alternative zu Beta-Interferon-Medikamenten eingesetzt, um die Zahl der Schübe zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern. In Mäuseversuchen wurden mit Copaxone gute Erfolge erzielt. "Mäuse sind zwar keine Menschen. Aber wirkt das Medikament bei Menschen nur Ansatzweise effektiv wie im Mäuseversuch bedeutet das für die Behandlung der Patienten ein enormer Fortschritt", erklärte Phil Wood, Medizinischer Direktor von Teva Pharmaceuticals gegenüber BBC Online.
Das Medikament basiert auf drei Aminosäuren und wird 900 Patienten mit einer primären progredienten Erkrankungsform in Großbritannien, den USA und Frankreich verabreicht. Mit den ersten Ergebnisse ist in drei Jahren zu rechnen. Sowohl Copaxone als auch Beta-Interferone stehen derzeit unter Kritik in der Behandlung von Patienten mit einer schubhaften MS. Das National Institute for Clinical Excellence (NICE) hat einstweilig geraten, beide Medikamente nicht mehr zu verabreichen. Die Kosten der Medikamente stünden mit der Wirksamkeit im Ungleichgewicht. In Laufe dieser Woche wird eine endgültige Empfehlung von NICE erwartet.