. . . Fortsetzung

 
     

Grußworte von Dr. Benita Ferrero-Waldner
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

Anläßlich der Tagung des Weltbundes der Österreicher im Ausland am 1. Oktober 2001 in Eisenstadt *)

Sehr geehrter Herr Erster Landtagspräsident !
Sehr geehrter Herr Präsident des Weltbundes !
Sehr geehrte im Ausland lebende Österreicherinnen und Österreicher!

Johann Wolfgang von Goethe meinte: ,,Wer sein Vaterland nicht kennt, hat keinen Maßstab für fremde Länder." Sie, meine Damen und Herren, die als Österreicher im Ausland leben, kennen und schätzen beides, Ihre alte Heimat und Ihr neues Zuhause. Daher stellt jeder Einzelne von Ihnen eine wertvolle Stütze für die Beziehungen Österreichs mit Ihrem Gastland beziehungsweise Ihrer neuen Heimat dar, sozusagen einen informellen Botschafter bzw. Botschafterin. Der Weltbund der Österreicher im Ausland seinerseits fungiert als eine unserer Brücken zur Welt und gleichzeitig auch als Ihre Interessensvertretung in Österreich.

Ich freue mich daher sehr über Ihre Einladung, bei Ihrem heutigen Festakt zu Ihnen zu sprechen, und möchte Präsident Dr. Chlestil und Ihnen allen dafür danken. Eine besondere Freude ist es auch für mich, so viele alte Bekannte und Freunde unter Ihnen heute wieder zu treffen.

Ich bin darüber hinaus wie immer sehr gerne nach Eisenstadt gekommen, weil ich die Gastfreundschaft dieses Bundeslandes sehr schätze und weil das Burgenland, wie Sie sicherlich wissen, heuer einen besonderen Grund zum Feiern hat - und wir mit ihm - nämlich das 80-jährige Jubiläum als jüngstes österreichisches Bundesland.

Ich halte es für sehr richtig, dass Sie regelmäßigen persönlichen Kontakt mit ihrem Heimatland und dessen Vertretern halten. Im Zeitalter modernster Informationstechnologie fällt es zwar um vieles leichter als früher, sich über Entwicklungen zu Hause auf dem Laufenden zu halten. Nichts kann aber nach wie vor den persönlichen Besuch und die persönlichen Begegnungen ersetzen.

Nächstes Jahr wird der Weltbund sein 50-jähriges Bestehen feiern - und Grund zum Feiern besteht zu Recht. Denn der Weltbund festigt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl der Auslandsösterreicher und Auslandsösterreicherinnen untereinander und auch deren Verhältnis zu Österreich im Allgemeinen. Der Weltbund und seine Mitglieder tragen wesentlich dazu bei, dass auch ehemalige Österreicher, Herzensösterreicher und Freunde Österreichs an diesem Gemeinschaftsgefühl teilhaben können. Damit helfen Sie uns natürlich bei unserer Aufgabe, Österreichs Freundschaften in der Welt zu pflegen und neue Freunde zu gewinnen.

Dafür möchte ich als Außenministerin meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Gerade im vergangenen Jahr, als Österreich im Zusammenhang mit der Regierungsbildung heftiger und unfairer Kritik unterzogen worden war, war es besonders wichtig, dass Sie Ihr Vertrauen in dieses Land und in die österreichische Demokratie unter Beweis gestellt haben.

Österreich hält die demokratischen Werte, die Menschenrechte, die Rechte von Minderheiten und die Werte der Menschlichkeit hoch und stellt sich auch heiklen Fragen aus seiner Geschichte. So hat die österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Schüssel rasch und effizient Lösungen für bislang offen gebliebene Fragen aus Österreichs schwieriger Vergangenheit gefunden, wie die Schaffung des Versöhnungsfonds für Opfer der NS-Zwangs- und Sklavenarbeit sowie für bis dahin ungelöst gebliebene Arisierungsfragen. Für diese Maßnahmen haben uns viele Betroffene und auch deren Regierungen durchaus Anerkennung gezollt, wie dies zum Beispiel Präsident Bush in einem Schreiben an den Herrn Bundeskanzler getan hat. Auch mit unseren Partnern in der EU gestalten sich die Beziehungen heute absolut normal und freundschaftlich.

Die wichtigste außenpolitische Aufgabe, der sich Österreich derzeit gegenüber sieht und die ich mit Nachruck verfolge, ist die Erweiterung der EU, wahrscheinlich die bedeutendste Entwicklung in Europa seit der Initiierung des europäischen Integrationsprozesses in der Nachkriegszeit. Die EU-Erweiterung bedeutet für Europa die Ausdehnung der Zone des Friedens, der Sicherheit und der Stabilität auf die zu lange durch einen Stacheldraht von uns getrennte östliche Hälfte des Kontinents. Die erweiterte EU wird mit fast 30 Mitgliedsländern und einer Bevölkerung von ca. 500 Millionen Menschen den größten und dynamischsten Integrationsraum der Welt darstellen. Dies bedeutet für uns, die wir heute die Verantwortung für Europa tragen, große Chancen und natürlich auch große Herausforderungen. Wir wollen die Chancen ergreifen und die Herausforderungen annehmen. Ich trete im Interesse der Zukunft Österreichs und Europas für eine rasche, aber optimal vorbereitete Erweiterung ein. Schon bisher haben sich bei einigen heiklen Verhandlungskapiteln, wie zum Beispiel bei der Personen- und die verantwortungsbewussten und fairen Positionen Österreichs betreffend Übergangsfristen durchgesetzt. Wir werden mit derselben Seriosität, Fairness und Flexibilität den Verhandlungsprozess zu einem guten und für alle vorteilhaften Ergebnis führen.

Offene bilaterale Fragen mit unseren zentral- und osteuropäischen Nachbarn, wie rechtlich-historische Fragen und die Sicherheit von Kernkraftwerken, wollen wir noch vor der EU-Erweiterung Lösungen zuführen.

Dabei binden wir, damit in diesem Prozess auch alle Meinungen, Vorschläge und auch Besorgnisse berücksichtigt werden können, die österreichische Bevölkerung mit Hilfe der Österreich-Plattform in einen intensiven Dialog ein, der sich an alle richtet, die daran Interesse haben können. Ich lade natürlich auch die Auslandsösterreicher ein, sich an der Österreich-Plattform zu beteiligen.

Mit wachsender Komplexität der internationalen Zusammenhänge wird es immer wichtiger werden, einen derartigen Dialog mit der eigenen Bevölkerung zu führen. Dies hat zum Beispiel das irische Referendum über den Vertrag von Nizza gezeigt, aber auch Demonstrationen am Rande einer Reihe von internationalen Konferenzen durch Menschen, die auf diese Weise ihre Sorgen über die Globalisierung zum Ausdruck bringen wollten. Als Österreicher, die im Ausland leben, die sowohl positive als vielleicht auch negative Erfahrungen mit der internationalen Verflechtung gemacht haben, werden Sie gut verstehen, dass ich mich von Anfang an dafür eingesetzt habe, diese Fragen im In- und im Ausland in den dafür geschaffenen Gremien möglichst offen zu diskutieren und die Bevölkerung umfangreich zu informieren.

Die wichtigste und unveränderliche Aufgabe der Außenpolitik stellt die Vertretung der Interessen Österreichs und der Österreicher im Ausland dar. Als Österreicher, die im Ausland leben, werden Sie wahrscheinlich häufiger als die meisten Landsleute die Dienste der österreichischen Vertretungsbehörden in Anspruch nehmen. Ich bin überzeugt davon, dass die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland, unsere Botschaften und Konsulate, diese Aufgaben in der Regel mit großer Sorgfalt und Umsicht ausführen. Ich freue mich auch, dass viele von Ihnen gesellschaftlich, beruflich oder auch ganz einfach nur privat mit unseren diplomatischen und konsularischen Vertretern in Kontakt stehen.

Vielleicht das größte Plus Österreichs im Ausland stellen sein reiches kulturelles Erbe dar, ebenso wie die hervorragenden Leistungen zeitgenössischer Kunstschaffender und Interpreten. Ich freue mich daher ganz besonders, mich heute unter die Gratulanten für Maestro Franz Welser-Möst einreihen zu können, den der Weltbund zum Auslandsösterreicher des Jahres erkoren hat. Hier im Land Joseph Haydns ist die Wahl eines weltberühmten österreichischen Musikers besonders passend. Franz Welser-Möst repräsentiert österreichische Kultur im In- und Ausland auf eindrucksvollste Weise, sowohl durch sein Wirken in Zürich, sein künftiges Wirken als Musikdirektor des Cleveland Orchesters sowie durch die Begeisterung, die ihm sein Publikum in aller Welt entgegenbringt. Besonders spricht für Maestro Welser-Möst, dass er sich neben seinem musikalischen Schaffen auch sehr engagiert international anerkannten philanthropischen Projekten widmet.

Der Weltbund hat die Idee lanciert, aus Anlass seines nächstjährigen runden Geburtstages, dem fünfzigsten, das Jahr 2002 offiziell zum Jahr der Auslandsösterreicher zu erklären. Ich unterstütze diese Initiative sehr. Es ist daher eine Reihe von Aktivitäten in Aussicht genommen, wofür auch das Außenministerium bereits mit den Vorbereitungen begonnen hat.

Ein mir wichtiges Ziel ist die Zusammenlegung der beiden Organisationen für Auslandsösterreicher: des Weltbunds der Österreicher im Ausland einerseits und des Auslandsösterreicherwerks anderseits. Beide Institutionen arbeiten seit mehreren Jahrzehnten parallel zueinander, wenn auch mit teilweiser unterschiedlicher Aufgabenstellung. Einige Tätigkeiten werden jedoch von beiden Organisationen gleichermaßen wahrgenommen. Ich unterstütze daher die Idee der Zusammenlegung, um Duplizierungen zu vermeiden und eine einheitliche Organisation für die so wichtige Vertretung der im Ausland lebenden Österreicherinnen und Österreicher schaffen. Ich möchte Sie ermuntern, den entsprechenden Vorschlägen der Führungsgremien Ihrer Vereinigung ihre Zustimmung zu geben.

Wie Sie vermutlich wissen, hat die Bundesregierung ein Ihnen sehr wichtiges Anliegen in Angriff genommen: die Novellierung des Auslandsösterreicherwahlrechtes in Richtung einer wesentlichen Erleichterung. Die seit langem geforderte Briefwahl wird es sicherlich einer noch größeren Zahl von Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern ermöglichen, ihr Wahlrecht - ihre Mitgestaltung der Politik ihres Heimatlandes - auszuüben. Ich hoffe - und unterstütze die Bestrebungen -, dass ein entsprechender Parlamentsbeschluss noch in diesem Jahr zustande kommt.

Ich möchte auch erwähnen, dass es mir ein großes Anliegen ist, dass die vielen jüngeren Österreicher, die heute im Ausland studieren und in den verschiedensten, oft sehr zukunftsträchtigen Branchen tätig sind, in Ihre Arbeit mit einbezogen werden. Ich darf Ihnen für die Bemühungen Ihrer Organisation danken, sich auch diesem Personenkreis, dem für das österreichische Ansehen im Ausland eine so große Multiplikatorfunktion zukommt, als Serviceorganisation anzubieten, und Sie ermuntern, diese Bemühungen fortzusetzen. Maestro Welser-Möst ist sicherlich ein hervorragender Vertreter der jüngeren Generation der Auslandsösterreicher.

Lassen Sie mich abschließend noch erwähnen, dass heuer auf Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen das ,,Internationale Jahr der Freiwilligeninitiativen" begangen wird. Österreich zeichnet sich durch eine Vielfalt von Vereinen und Freiwilligenverbänden aus. Die österreichische Bundesregierung hat daher beschlossen, in der Zeit zwischen dem 1. September und dem 26. Oktober in besonderem Maße die Ziele des Freiwilligenjahres zu unterstützen. Es freut mich, dass die Tagung des Weltbundes der Auslandsösterreicher so gut in dieses Konzept passt und gewissermaßen als Auftakt zu dieser Initiative stattfindet.

Nachdem ich meine Ausführungen mit einem Klassiker begonnen habe, darf ich sie auch mit einem solchen beenden. Friedrich Schiller meinte: ,,Der Österreicher hat ein Vaterland und liebt's und hat auch Ursach' es zu lieben." Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Tagung, viel Vergnügen beim umfangreichen Programm im Burgenland und einen schönen Aufenthalt in Österreich.


Es gilt das gesprochene Wort!

*) Es hat einige Zeit gedauert, Ihnen dieses Transkript zur Lektüre bieten zu können. Dessen Inhalt ist aber – nicht nur wegen des Themas ,,Briefwahl" – auch heute noch von großem Interesse. Quelle: Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten