. . . Fortsetzung

 
     
Nationalrat einstimmig für Nationalen Sicherheitsrat
Auch Verfassungsgesetz zum Vertrag von Nizza beschlossen
Wien (pk) - Zwei große "europäische Friedensprojekte", der Vertrag von Nizza und die Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrats - standen im Mittelpunkt der ersten Stunden der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats. Unter einem diskutiert wurden ein Koalitionsantrag auf Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats und begleitende Gesetzesnovellen sowie der Nizza-Vertrag und die damit zusammen hängende Änderung der Verfassung. Bei Differenzen im Detail gab es fraktionenübergreifende Einmütigkeit im Grundsätzlichen.

Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte Präsident Dr. Heinz FISCHER für 15 Uhr eine Debatte über einen Dringlichen Antrag der SPÖ betreffend Anpassung der Pensionen zumindest mit der Inflationsrate an. Daran anschließend ist auf Verlangen der SPÖ eine Kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung des Landwirtschaftsministers betreffend Freisetzung von Gen-Saatgut auf Österreichs Feldern vorgesehen.

Abgeordneter Dr. Alfred GUSENBAUER (S) bekräftigte mit Nachdruck die Zustimmung seiner Fraktion zum Nationalen Sicherheitsrat und zum Nizza-Vertrag. Bei allen kritischen Kontroversen sei es notwendig, in einer internationalen Krisensituation für einen möglichst weitgehenden Konsens in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik zu sorgen. Diesen Konsens gebe es in den Grundzügen der Politik, insbesondere auch der Nahost-Politik, nicht aber bei der Koordination der einzelnen Aktivitäten, bemerkte Gusenbauer in kritischer Anspielung an die Reisediplomatie von Bundespräsident und Regierungsmitgliedern der letzten Wochen. Keine Konsensbereitschaft signalisierte der SP-Chef auch hinsichtlich der FP-Vorschläge zur Sicherheitspolitik, die er als Einschränkung der Freiheitsrechte ablehnte. Insgesamt habe die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen seit dem 11. September eher Panikmache und sicherheitspolitischen Aktionismus betrieben, resümierte Gusenbauer.

Abgeordneter Ing. Peter WESTENTHALER (F) begrüßte den Konsens in Sachen Sicherheitsrat und erwartete sich von diesem Gremium neue Ideen in Sicherheitsfragen. Der Rat sollte seiner Meinung nach möglichst rasch zusammentreten, um über die entsprechenden Vorschläge zu diskutieren. Priorität müssten dabei die engere internationale Kooperation zur Terrorbekämpfung, die Aufwertung der Sondereinsatzkräfte von Exekutive und Bundesheer, der Ausbau der Kapazitäten zur ABC-Abwehr, die Evaluierung der aktuellen Zivil- und Katastrophenschutzpläne, aber auch die Umsetzung eines raschen, europaweiten Atomausstiegsszenarios haben. Wichtig war für Westenthaler, dass alle Parteien klare Konzepte in die Debatte einbringen. Bei der SPÖ vermisste er konkrete Vorschläge, den Standpunkt der Grünen in Sachen Überflugsgenehmigungen wiederum hielt er für nicht nachvollziehbar.

Abgeordneter Dr. Andreas KHOL (V) würdigte ebenfalls die Einigung und appellierte an SPÖ und Grüne, ihre soeben gezeigte Konsensbereitschaft nicht sofort wieder aufzugeben. Die Bevölkerung habe ein Recht auf eine gemeinsame, von allen Parteien getragene Sicherheitslinie. Khol trat insbesondere für eine vorurteilsfreie Diskussion über die Vorschläge zum Sicherheitskonzept ein und betonte, zwischen Freiheit und Sicherheit gebe es keine Gegensätze.

Abgeordneter Dr. Peter PILZ (G) kritisierte hingegen das Sicherheitspaket der FPÖ und unterstrich, Sicherheitspolitik sei kein Grund, Verfassung und Menschenrechte aufzukündigen. Kein Verständnis zeigte er für die Besuchsdiplomatie einzelner Regierungsmitglieder und des Bundespräsidenten in den letzten Wochen, die, wie er meinte, keinerlei Ansätze zu einer Konfliktlösung gebracht haben. Pilz drängte auf österreichische Initiativen zur Bekämpfung des Flüchtlingselends und zur Unterbrechung des US-Bombardements und meinte, es gehe nun darum, konkrete Solidarität mit der betroffenen Bevölkerung zu zeigen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang SCHÜSSEL dankte für den Konsens beim Sicherheitsrat und bei der Ratifikation des Nizza-Vertrages. Viele einzelne Maßnahmen gegen den Terror stehen außer Streit, bemerkte er. Der von der Regierung angesagte Kampf gegen Drogenhandel, Menschenschmuggel und Missbrauch des Bankgeheimnisses sei ein Beitrag zu mehr Sicherheit, unterstrich Schüssel und wies in diesem Zusammenhang den Vorwurf der Panikmache scharf zurück.

Was die AKW-Frage betrifft sei es der Bundesregierung immerhin gelungen, europaweite Sicherheitsstandards für die Erweiterungskandidaten aufzustellen, gab der Kanzler zu bedenken. Nun gehe es darum, auf Basis des Dialoges mit Tschechien zu einem Abschluss des Temelin-Problems zu kommen. Dazu brauche Österreich aber eine gemeinsame Linie, betonte Schüssel an die Adresse der Opposition gerichtet.

Schließlich bekannte sich der Bundeskanzler zu einer aktiven Rolle Österreichs im Friedensprozess für den Nahen Osten und sicherte allen Fraktionen die Bereitschaft der Bundesregierung zu, einander umfassend zu informieren - es gehe ihm um den Frieden im Nahen Osten und um mehr Stabilität in der Welt.

Verteidigungsminister Herbert SCHEIBNER sprach von einem guten Tag für eine gemeinsame österreichische Sicherheitspolitik, da ein, wie er hoffe, einstimmiger Beschluss über die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates bevorstehe. Dieser Rat müsse mehr darstellen, als eine Zusammenfassung bisheriger Räte. Er soll ein Gremium zur umfassenden Diskussion sicherheitspolitischer Themen, ohne Parteipolitik, im Interesse der Bevölkerung sein.

Umfassende Sicherheitspolitik berücksichtige alle ihre außen-, verteidigungs-, innen- und justizpolitischen Komponenten. "Wir stehen vielfältigen Bedrohungen gegenüber und brauchen daher die umfassende Kooperation aller Institutionen, die sich mit Sicherheitspolitik befassen." Dabei sei der nationale Konsens wichtig, der die Sicherheitspolitik moderner Demokratien auszeichne. Er, Scheibner, trete dafür ein, alle gesellschaftlichen Gruppierungen in diesen Konsens einzubinden, sofern sie dazu bereit seien.

Im Unterausschuss zur Sicherheitsdoktrin registrierte Scheibner diesen Konsens, warnte aber davor, sich auf die Frage zu beschränken, wie viel Neutralität oder wie wenig Nato für die österreichische Sicherheitspolitik notwendig sei. Es gehe vielmehr darum, ohne Scheuklappen notwendige Maßnahmen zu ergreifen und parteipolitische Spielereien" aus dieser wichtigen Frage für Österreich herauszuhalten.

Erfreut zeigte sich der Verteidigungsminister über den ausgezeichneten Ruf, den Österreich im Nahen Osten genieße - "Diesen Ruf müssen wir nützen und eine Brückenfunktion zwischen der arabischen Welt und der EU wahrnehmen". Nicht ohne Stolz berichtete der Minister, dass erste, zunächst geheime Verhandlungen zwischen Vertretern der Palästinenser und Israels nach Wiederbeginn der Gewalttätigkeiten im Palästinensergebiet im Verteidigungsministerium in Wien stattgefunden haben.

Verwunderung äußerte der Verteidigungsminister über die Kritik an der Erteilung von Überfluggenehmigungen. Hätte Österreich diese Genehmigungen nicht erteilt, hätte es sich außerhalb der demokratischen Staatenwelt gestellt.

Abschließend bekannte sich Minister Scheibner nachdrücklich zum EU-Erweiterungsprozess sowie dazu, die Erweiterung nach definierten Richtlinien stattfinden zu lassen. Das gelte für die Kernkraftwerke ebenso wie für Menschenrechtsstandards, wobei er auf die Probleme Benes-Dekrete und Avnoj-Bestimmungen hinwies.

Abgeordneter Dr. Josef CAP (S) brachte noch einmal den Brief von EU-Kommissar Verheugen an den Bundeskanzler zur Sprache und zeigte sich empört über die Formulierung Verheugens, es bestehe "kein Spielraum mehr, den Abschluss des Melker Prozesses hintanzustellen". Er würde sich erwarten, dass der österreichische Bundeskanzler nicht in solchem Ton mit sich reden lasse, und forderte vom Bundeskanzler einen umfassenden Bericht zum Thema Temelin ein. Befremdet zeigte sich der SP-Klubobmann auch darüber, dass von einem Atomausstieg nicht mehr gesprochen werde. Er verlangte von den anwesenden Regierungsmitgliedern, sich bei den EU-Partnern für einen Atomausstieg im Sinne der diesbezüglichen Entschließung des Nationalrates einzusetzen.

Das 13 Punkte-Sicherheitspaket der Koalitionsparteien ist für Cap nicht mehr als ein "Anti-Terror-Placebo". Die wirklich wichtigen Punkte seien in diesem Programm nachrangig behandelt: der Atomausstieg sowie der Ausbau des Katastrophenschutzes und der ABC-Kapazitäten. An erster Stelle stehe dagegen die Verschärfung des Asylrechts, obwohl keiner der Terroristen vom 11. September ein Asylant war. Statt gegen den Terror vorzugehen, wollen FPÖ und ÖVP den gläsernen Menschen und einen Orwellschen Staat. "Für Sie sind 8 Millionen Österreicher potenzielle Kriminelle", kritisierte Klubobmann Cap und machte darauf aufmerksam, dass Spanien, das die Erfassung der Fingerabdrücke schon vor 20 Jahren eingeführt habe, damit keinerlei Erfolge im Kampf gegen den ETA-Terror erzielen konnte.

"Langsam unterwegs" sei die Koalition hingegen bei den wirklich wichtigen Punkten, etwa bei der Austrocknung der Finanzquellen des Terrors. "Das ist der falsche Weg, den sie in der Sicherheitspolitik einschlagen", sagte Josef Cap.

Abgeordneter Mag. Karl SCHWEITZER (F) erinnerte den SP-Klubobmann daran, wie sehr seine Partei noch 1978 für die Nutzung der Kernenergie eingetreten sei und erst nach der Volksabstimmung mit dem Umdenken in der Kernenergie begonnen habe. Die zahlreichen Ankündigungen Vranitzkys für eine kernenergiefreies Mitteleuropa seien leere Versuche und "Verbalakrobatik ohne Ergebnis" geblieben.

Auf den Nizza-Vertrag eingehend äußerte Abgeordneter Schweitzer seine Genugtuung darüber, dass die Bundesregierung ein Direktorium der großen Staaten in der EU verhindert habe. "Wir wollen gleichberechtigte Mitspieler in der EU sein", nicht Mitglieder eines "B-Teams", wie die kleinen EU-Mitglieder neben den großen drei - Deutschland, Großbritannien und Frankreich - bezeichnet werden. Schweitzer wandte sich gegen den Vorschlag der SPÖ, das Europaparlament zu stärken. Zu stärken seien seiner Meinung nach die nationalen Parlamente. Solange die Gefahr eines Kerneuropa bestehe, sei es wichtig, dass die nationalen Parlamente das Sagen haben. Die Nationalstaaten müssen die Herren über die Verträge bleiben, sonst drohe die Gefahr der Fremdbestimmung, sagte Karl Schweitzer.

In einem Vier-Parteien-Entschließungsantrag, den der Abgeordnete schließlich einbrachte, wird die Bundesregierung hinsichtlich des Post-Nizza-Prozesses unter anderem ersucht, bei der weiteren Reform der EU für ein Konventmodell und für eine umfassende Demokratie-, Institutionen- und Verfahrensreform der EU einzutreten und dabei auf die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, die Vereinfachung der Verträge, die Präzisierung der europapolitischen Rolle der nationalen Parlamente sowie die Stärkung des demokratischen Prinzips im institutionellen Gefüge der EU hinzuwirken. Hinwirken soll die Regierung auch darauf, dass die Zusammensetzung des Konvents eine starke parlamentarische Vertretung gewährleiste und die Kommission ein Konzept zu Struktur, Moderation und Auswertung der öffentlichen Debatte entwickelt.

 

Die vorliegende Verfassungsgesetz-Novelle mit der Ermächtigung zum Abschluss des Nizza-Vertrages war für Abgeordneten Dr. Michael SPINDELEGGER (V) der Anlass, das entschiedene Eintreten der Volkspartei für die EU-Erweiterung zu unterstreichen, weil sie es für wichtig hält, dieses Projekt für Frieden und Wohlstand auf viel mehr Länder, insbesondere auf die österreichischen Nachbarstaaten, auszudehnen. Es sei bekannt, dass die Erweiterung große Vorteile für Österreich bringe, zugleich sei die Bundesregierung aber bemüht, den Menschen die Sorgen um ihre Arbeitsplätze, um die AKW-Sicherheit, die Umweltbestimmungen und die Zukunft der Landwirtschaft zu nehmen. In diesem Zusammenhang wies Spindelegger einmal mehr auf die siebenjährige Übergangsfrist bei der Arbeitskräftefreizügigkeit hin, die den Arbeitsmarkt in den Grenzregionen schützen werde.

Ein nachdrückliches Bekenntnis legte Spindelegger auch für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik ab, zu der auch gehöre, die 60.000 Mann umfassende Bereitschaftstruppe einsetzen zu können, wenn dies notwendig sei. Europa müsse auch in der Sicherheitspolitik handlungsfähig sein. Als unerfreulich und widersprüchlich bezeichnete Spindelegger hingegen, was die Grünen in der Neutralitätspolitik an den Tag legen. Österreich würde sich mit einem Verlangen nach einer weiteren UN-Resolution lächerlich machen, sagte der außenpolitische Sprecher der ÖVP und wies darauf hin, dass die Grünen einerseits Überfluggenehmigungen kritisieren, andererseits aber gegen die Luftraumüberwachung auftreten. Es könne keine Neutralität zwischen dem Terrorismus und den Opfern des Terrors geben, schloss Michael Spindelegger.

Abgeordnete Dr. Evelin LICHTENBERGER (G) sah dringenden Bedarf an einer die Parteigrenzen überschreitenden gemeinsamen österreichischen Haltung in der Anti-AKW-Politik und schlug einen Temelin-Gipfel der österreichischen Parteien vor. Ziel sollte die Einberufung einer Ausstiegskonferenz sein. Gleichzeitig wandte sie sich dagegen, den Temelin-Prozess zu benützen, um den Erweiterungsprozess zu blockieren. Die weltweite Koalition gegen den Terror sollte aufrecht bleiben, sie sei aber keine Koalition gegen Afghanistan und das afghanische Volk, daher sei es dringend notwendig, den Menschen, insbesondere den Frauen, in Afghanistan zu helfen.

Einmal mehr erneuerte Abgeordnete Lichtenberger die Kritik der Grünen an dem aus ihrer Sicht schlechten Vertrag von Nizza und betonte die Notwendigkeit einer Demokratisierung der EU als Voraussetzung für die Identifizierung der Bürger mit dem Projekt der friedlichen Integration Europas. Für zentral hielt die Abgeordnete auch die Abhaltung eines Konvents zur Entwicklung eines demokratischeren Europas und tat in diesem Zusammenhang ihr Bedauern darüber kund, dass sich die Koalitionsparteien nicht dazu verstehen konnten, eine bindende Stellungnahme des Hauptausschusses zu verabschieden. Lichtenberger warf den Regierungsparteien vor, das demokratische Instrument Hauptausschuss in der Europapolitik zu entmachten.

Außenministerin Dr. Benita FERRERO-WALDNER zitierte einleitend die Worte ihres US-Kollegen Colin Powell, "mit dem 11.9.2001 ist nun auch die postkommunistische Zeit zu Ende gegangen". Vor diesem Hintergrund erläuterte Ferrero-Waldner die jüngsten außenpolitischen Initiativen der Bundesregierung, berichtete von ihrer eigenen Reise nach Syrien, Jordanien und Ägypten und sagte, sie habe mit dazu beitragen können, dass sich Syrien vorsichtig in die Anti-Terror-Front eingereiht habe. Die Ministerin unterstrich die Bedeutung der Friedensentwicklung im Nahen Osten und wies die Meinung als eindeutig falsch zurück, wonach diese Reisen nicht angebracht gewesen wären. Die Ministerin berichtete auch von ihrer jüngsten Japan-Reise, auf der sie Japan eine Botschaft der EU-Präsidentschaft im Zusammenhang mit den internationalen Anstrengungen gegen die Geldwäsche überbracht habe. Zum Schluss erinnerte die Außenministerin, dass bereits Alois Mock den christlich-islamischen Dialog begonnen habe, ihr Amtsvorgänger Wolfgang Schüssel und sie selbst haben diesen Dialog im Sinne von Konfliktprävention und Konfliktverhinderung fortgesetzt. Diese Initiative finde international Anerkennung.

Justizminister Dr. Dieter BÖHMDORFER wies den für ihn sehr überraschenden Vorwurf eines "sicherheitspolitischen Aktionismus" zurück. Der Minister führte aus, dass der Terrorismus, der neuerdings den Selbstmord als Waffe einsetze, völlig neue Bedrohungen mit sich bringe. Er räumte ein, dass die Europäische Union nach dem 11.9. zunächst geschockt gewesen sei. Die Justizminister haben aber rasch Treffen vereinbart, um den Terrorismusbegriff und neue Tatbestände zu definieren und einen europäischen Haftbefehl zu begründen. Böhmdorfer will dabei vom Prinzip der doppelten Strafbarkeit nicht abgehen und zudem dafür Sorge tragen, dass eigene Staatsbürger nicht ausgeliefert werden. Es gelte sicherzustellen, dass Terrorismus in Europa nach Möglichkeit nicht mehr stattfinde. Dazu gehöre auch, dass Täter, die sich vom Terrorismus lossagen, Milderung bis hin zur Strafbarkeit erhalten können. Böhmdorfer trat für eine erweiterte Kronzeugenregelung ein, weil es notwendig sei, im Kampf gegen den Terrorismus bereits im Vorfeld erfolgreich zu sein. Böhmdorfer verwahrte sich aber gegen Regelungen, die zur Belohnung kriminellen Vorlebens führen könnten.

Er sei froh darüber, dass es einen Konsens gebe, aber dies heiße nicht, dass nur die Opposition dazu beitrage, betonte Abgeordneter Peter SCHIEDER (S). Kritik übte der Redner am neuen Entwurf zur Sicherheitsdoktrin, der seiner Ansicht nach eine Verhöhnung der konsensbereiten Opposition darstelle. Nicht eingegangen wurde auch auf die Sorgen der Opposition, was das Sicherheitspaket betrifft, da nicht gleichzeitig über entsprechende Begleitmaßnahmen (demokratische Kontrolle, Verhinderung von Missbrauch etc.) diskutiert wurde.

Abgeordneter Wolfgang JUNG (F) äußerte sich zum Nationalen Sicherheitsrat, der als zentrales Koordinierungsinstrument geschaffen werden soll. Schon seit einem Jahr werde nun an einem entsprechenden Gesetz gefeilt, aber es sei sehr schwierig, mit der SPÖ zu verhandeln, da sie nicht nur einen Sicherheitssprecher, einen Europasprecher sondern auch einen Verteidigungssprecher sowie einen "Störfaktor", nämlich den Kollegen Fischer, habe. Die steigende Unsicherheit sei ein zentrales Problem jeder modernen Gesellschaft und die Politik müsse darauf eine Antwort geben, unterstrich Jung.

Abgeordneter Mag. Helmut KUKACKA (V) hob die Bedeutung der Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates hervor. Die Anschläge vom 11. September sehen wir als einen Bündnisfall für die Demokraten und die freie Welt, sagte er. Aus diesem Grund müsse auch der Luftraum für jene geöffnet werden, die nun handeln bzw. handeln müssen, denn es gebe das Verteidigungsrecht der freien Welt. Die Haltung der Grünen bezeichnete Kukacka als unglaubwürdig und als einen Akt der Realitätsverweigerung. Der Staat müsse seine Kontrollrechte ausüben und verhindern können, dass jemand seine Identität verschleiert.

Abgeordnete Mag. Ulrike LUNACEK (G) wehrte sich dagegen, dass von einem Kampf gegen die Unzivilisierten gesprochen werde. Die G-Mandatarin verteidigte die Position der Grünen und wies darauf hin, dass auch der Völkerrechtler Professor Rotter die Meinung vertritt, dass es jetzt einen Krieg gebe, weil der Staat Afghanistan angegriffen wird. Was die Initiativen der österreichischen Außenpolitik angeht, so vermisse sie ein schlüssiges Konzept der Bundesregierung in Sachen Konfliktprävention bzw. -verhinderung; einzelne Reisen seien zu wenig. Zudem trat sie dafür ein, dass das Außenministerium als koordinierende Stelle für alle Außenbeziehungen fungiert.

Schließlich brachte Lunacek einen Abänderungsantrag betreffend die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes. Es solle folgender Satz eingefügt werden: An Kampfeinsätzen zur Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen wirke Österreich nur dann mit, wenn ein entsprechendes Mandat der UNO vorliegt. In einem Entschließungsantrag forderte sie weiters, dass die österreichischen Beiträge für das UNHCR drastisch erhöht werden und dass zudem ein Sonderbeitrag für die afghanischen Flüchtlinge, denen noch vor Wintereinbruch geholfen werden müsse, bereitgestellt wird.

Auch Abgeordnete Inge JÄGER (S) erachtete die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates für eine wichtige Angelegenheit, da die Welt nach dem 11. September eine andere sei. Sie warnte jedoch davor, dass nun - mit dem Argument, die Freiheit zu verteidigen - die Bürgerrechte untergraben werden. Jäger wehrte sich auch vehement gegen Aussagen, wonach Asylwerber mit Mördern und Verbrechern gleichgestellt werden; dies sei absolut unzumutbar. Wir müssen auch bereit sein, den Blick auf die wirklichen Probleme zu lenken, forderte Jäger, die für einen Marshall-Plan für den Süden eintrat.

Ohne Sicherheit gebe es keine Freiheit, entgegnete Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen BÖSCH (F) seiner Vorrednerin. Er zeigte sich erfreut darüber, dass in der Frage des Nationalen Sicherheitsrates eine Vier-Parteien-Einigung zustande gekommen sei, was beweise, dass der Nationalrat seine Verantwortung wahrnehme. Was die Kritik der SPÖ am Entwurf der Bundesregierung zur Sicherheitsdoktrin betrifft, so könne er sich den Bedenken nicht anschließen. Anhand von Beispielen zeigte er auf, dass die Einwände der Sozialdemokraten sehr ernst genommen werden.

Abgeordneter Dr. Caspar EINEM (S) befasste sich mit der Ratifizierung des Vertrages von Nizza. Seine Partei stelle dazu zwei Bedingungen, erläuterte der Redner. Die SPÖ verlange, dass die Regierung bereit sei, für einen Konvent zur Vorbereitung der institutionellen Reform einzutreten. Außerdem müssen auch konkrete Schritte zur Vorbereitung der EU-Erweiterung in Österreich gesetzt werden.

Wir befinden uns derzeit im Post-Nizza-Prozess, in dem sich die einzelnen Staaten mit wesentlichen Zukunftsfragen des Kontinents befassen müssen, stellte Abgeordneter Dr. Gerhard KURZMANN (F) fest. Als Beispiele nannte er die möglichst präzise Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der europäischen und der nationalen Ebene unter strikter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, die Weiterbehandlung der Grundrechts-Charta, die Vereinfachung der europäischen Vertragswerke sowie die Stärkung des Einflusses der nationalen Parlamente auf die europäische Integration. Gerade die Entwicklung in den letzten Woche zeige jedoch, dass Theorie und Praxis sehr weit auseinander klaffen. Denn ohne eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik droht die Außenpolitik einzelner Mitgliedstaaten zu einem diplomatischen Aktionismus auszuarten, gab Kurzmann zu bedenken.

Im Nationalen Sicherheitsrat, der auf der Basis eines breiten nationalen Konsenses zustande kommt, werden alle sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen koordiniert, erklärte Abgeordneter Anton GAAL (S). Besonders die Ereignisse in den letzten Wochen haben die Notwendigkeit eines effizienten und glaubwürdigen Gremiums noch unterstrichen. Die Sozialdemokraten sind immer von einem umfassenden Sicherheitsbegriff ausgegangen, der weit über den militärischen Begriff hinausgeht, führte Gaal weiter aus. Denn gerade wirtschaftliche und soziale Probleme sowie ungelöste regionale Konflikte seien oft Ursache für militärische Auseinandersetzungen.

Abgeordneter Dr. Michael KRÜGER (F) vertrat den Grundsatz, dass bei Vorliegen einer außenpolitischen Bedrohung eine Oppositionspartei so reagieren sollte, als ob sie in der Regierung wäre. In diesem Sinn begrüßte er, dass zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates ein Vier-Parteien-Konsens erzielt werden konnte.

Kein Verständnis äußerte Krüger hingegen für die Position der Grünen, wonach die Überflugsgenehmigungen für die NATO gegen die Neutralität und gegen die österreichische Verfassung verstoßen würden. Zur Neutralitätsdebatte merkte er außerdem an, es solle nicht vergessen werden, dass die Neutralität durch Art. 23f B-VG in Teilbereichen bereits außer Kraft gesetzt sei.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) betonte, dass mit dem Vertrag von Nizza die Voraussetzung für die Erweiterung der EU und damit für eine erweiterte Sicherheitszone in Europa geschaffen werde. Die Ausdehnung des Raumes von Frieden und Stabilität in Europa kann ihrer Ansicht nach aber nur erreicht werden, wenn die bevorstehenden Beitritte zur EU sorgfältig vorbereitet werden. Großes Augenmerk muss ihr zufolge dabei auch auf die soziale Sicherheit gelegt werden. Gerade in dieser Frage sieht sie jedoch große Versäumnisse der Regierung.

Das Bundesgesetz zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates und das Bundesgesetz zur Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik wurden von den Abgeordneten einstimmig angenommen. Gleiches gilt für das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza.

Die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes erhielt die Zustimmung von SPÖ, FPÖ und ÖVP, der von den Grünen eingebrachte Zusatzantrag wurde abgelehnt.

Einstimmig nahmen die Abgeordneten darüber hinaus den Vier-Parteien-Entschließungsantrag betreffend Einrichtung eines Konvents für den Post-Nizza-Prozess an. Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Erhöhung der österreichischen UNHCR-Beiträge erhielt hingegen lediglich die Unterstützung der Opposition und blieb daher in der Minderheit.