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Parlamentarischer Hauptausschuss: Aktuelle Aussprache über EU-Konvent
Österreichische Mitglieder mit Fortgang grundsätzlich zufrieden
Wien (pk) - Grundsätzlich zufrieden mit dem Fortgang der Verhandlungen im EU-Konvent äußerten sich die österreichischen Vertreter dieses Gremiums bei einer Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrates am Freitag (11. 10.) zu diesem Thema.
Zwar stoßen nicht alle bisher vorgelegten konkreten Vorschläge auf Zustimmung der österreichischen Konventsmitglieder. Hannes Farnleitner, Vertreter der Bundesregierung im Konvent, wies aber beispielsweise darauf hin, dass man in einigen Bereichen Lösungen gefunden habe, über die man bereits jahrelang in der EU diskutiere, etwa was die Frage einer eigenen Rechtspersönlichkeit der EU betrifft. Nach Meinung von Grün-Abgeordneter Evelin Lichtenberger, Ersatzmitglied im EU-Konvent, hat sich die Diskussion über die künftige Architektur der EU besser entwickelt als ursprünglich befürchtet, Einwände gegen die vorgeschlagene Zusammenführung der EU-Verträge und die Einbindung der Grundrechtscharta seien allerdings noch nicht vom Tisch.

Eingangs der Sitzung berichtete SPÖ-Abgeordneter Caspar Einem, Mitglied des Konvents, dass der Konvent nunmehr in die Phase konkreter Entscheidungen übergehe. Ihm zufolge haben drei Arbeitsgruppen - die Arbeitsgruppe Rechtspersönlichkeit, die Arbeitsgruppe Grundrechtscharta und die Arbeitsgruppe Subsidiarität - bereits Berichte vorgelegt, die Ende Oktober diskutiert werden. Dabei habe es in der zuständigen Arbeitsgruppe weitgehenden Konsens darüber gegeben, dass die EU eine eigene Rechtspersönlichkeit erhalten soll. Zudem wird vorgeschlagen, die EU-Verträge zu fusionieren und zusammenzufassen, wobei es allerdings hinsichtlich der Einbeziehung des Euratom-Vertrages noch Widerstände gibt. Einem selbst hält diese Einbeziehung für unbedingt notwendig, um von der, wie er sagte, einseitigen Förderung von Nuklearenergie wegzukommen.

Was die Grundrechtscharta betrifft, ist die Mehrheit der entsprechenden Arbeitsgruppe nach Auskunft Einems dafür, diese in die Verfassung der EU so zu integrieren, wie sie ist. Gleiches gilt für den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Dritter Nationalratspräsident Werner Fasslabend (V) äußerte in diesem Zusammenhang allerdings Bedenken, dass es zu Doppelgleisigkeiten bei der Rechtsprechung kommen könnte, wenn der rechtliche Status von EMRK und Grundrechtscharta nicht eindeutig geklärt wird.

Als nicht befriedigend wertete Einem den Vorschlag der Arbeitsgruppe Subsidiarität, wonach die nationalen Parlamente künftig mittels einer Art Frühwarnsystem von der Europäischen Kommission über Vorhaben informiert werden sollen und innerhalb von sechs Wochen verlangen könnten, die Vorschläge wegen Verletzung der Subsidiarität zu ändern. Nach Ansicht Einems wird dadurch das Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene weiter verkompliziert, zudem seien die Nationalstaaten ohnehin über den Rat in die Gesetzgebung eingebunden.

 
Ähnliche Bedenken äußerte auch Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G), die generell die Meinung vertrat, dass das Thema Subsidiarität zwar auf breiter Ebene diskutiert worden sei, aber für Föderalisten zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hat. Lichtenberger befürchtet, dass viele Parlamente präventiv Einsprüche gegen EU-Vorhaben erheben könnten, aus der Angst heraus, sonst möglicherweise Kompetenzen zu verlieren. Als positiven Aspekt des Vorschlages sieht sie allerdings, dass sich die nationalen Parlamente stärker mit der Rechtsmaterie der EU beschäftigen würden.

Positiver bewertete hingegen FPÖ-Abgeordneter Reinhard Bösch, Mitglied des EU-Konvents, das Frühwarnsystem. Er sieht darin einen Fortschritt gegenüber dem Status quo und machte geltend, dass die nationalen Parlamente damit direkte Einflussmöglichkeiten auf EU-Vorhaben bekämen. Da zudem vorgesehen sei, auch den zweiten Kammern der Parlamente entsprechende Einspruchsrechte zuzubilligen, könnten - via Reform des Bundesrates - die österreichischen Bundesländer an der "Gesetzesmaschinerie" der Union beteiligt werden, skizzierte der Abgeordnete. Bösch zeigte sich auch insgesamt über den Fortgang des Konvents "sehr zufrieden" und wies darauf hin, dass der Zeitplan für den Konvent inzwischen fixiert worden ist und die Sitzungstermine bis Juni 2003 feststehen.

EP-Abgeordnete Maria Berger (S), Ersatzmitglied des EU-Konvents, informierte die Mitglieder des Hauptausschusses darüber, dass man in der Konvents-Arbeitsgruppe Nationale Parlamente relativ schnell überein gekommen sei, dass es den nationalen Parlamenten vor allem darum gehen müsse, die Entscheidungen im Rat stärker zu beeinflussen. Die Idee einer "dritten Kammer", also eines weiteren gesetzgebenden EU-Organs neben Europäischem Parlament und dem Rat, sei nicht auf den Tisch gekommen. Da es allerdings schwierig sei, in die Verfassung der einzelnen EU-Mitgliedstaaten einzugreifen, liege nun der Vorschlag vor, dass die COSAC, die Konferenz der Europaausschüsse der EU-Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments, "Best-Practice-Modelle" in Bezug auf die innerstaatliche Mitwirkung der nationalen Parlamente an EU-Vorhaben ausarbeiten soll.

Zudem seien, so Berger, in der Schlussphase weitere Ideen aufgebracht worden, wie die Einrichtung eines Forums oder eines Kongresses, wo Vertreter der nationalen Parlamente über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission oder die Wahl des Kommissionspräsidenten diskutieren könnten. Weiters vorgeschlagen wurde die Einrichtung von Konventen auch für künftige "Verfassungsänderungen" der EU und die Abhaltung einer "europäischen Woche" in den nationalen Parlamenten, um in allen Mitgliedstaaten das Arbeitsprogramm der EU zu diskutieren.

EP-Abgeordneter Reinhard Rack (V), Ersatzmitglied des EU-Konvents, regte in diesem Zusammenhang an, im österreichischen Parlament künftig regelmäßig eine Diskussion über das jeweilige Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission abzuhalten, was von Nationalratspräsident Heinz Fischer, Vorsitzender des Hauptausschusses, grundsätzlich positiv aufgenommen wurde. Man könnte sich zu Beginn der nächsten Gesetzgebungsperiode auf eine solche Vorgangsweise verständigen, meinte er. Konventsmitglied Farnleitner wies darauf hin, dass es zahlreiche Stimmen im EU-Konvent gebe, die dafür plädierten, dass die EU-Kommissare in Zukunft häufiger in den nationalen Parlamenten "auftreten".

Konvent wird sich auch mit dem Thema Sozialunion befassen
Wie Abgeordneter Einem berichtete, wird der Konvent auf Verlangen einiger Konventsmitglieder auch das Thema Sozialunion behandeln, wobei allerdings umstritten ist, inwieweit hier Vorschläge vorgelegt werden sollten. Ex-Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner machte darauf aufmerksam, dass diese Frage in engem Zusammenhang mit der Frage der künftigen Kompetenzverteilung zwischen der EU auf der einen Seite und den Mitgliedstaaten auf der anderen Seite stehe und die Mehrheit des Präsidiums des Konvents die Auffassung vertrete, dass hier, sollte der Bereich soziale Sicherheit in der ausschließlichen Kompetenz der Mitgliedstaaten bleiben, wenig zu diskutieren sei.

Dieser Sichtweise widersprachen sowohl Abgeordneter Einem als auch Abgeordnete Lichtenberger. Es gehe nicht darum, die Sozialleistungen zu vereinheitlichen, betonte Einem, sondern darum, dass die EU im Sozialbereich nationalstaatliche Eigenheiten akzeptiere. So dürften etwa Kollektivverträge nicht durch das Wettbewerbsrecht gefährdet werden. Einem äußerte die Sorge, dass, sollte es hier keine Fortschritte geben, Österreich durch strikte Anwendung des Prinzips des Binnenmarktes "in Not kommen" könnte. Lichtenberger hielt fest, dass die Dominanz des Binnenmarktes nicht durch eine Neuordnung der Spielregeln beseitigt werden könne, sondern es zusätzlich einer inhaltlichen Umorientierung bedürfe. 

 
Für EP-Abgeordneten Rack ist es, wie er sagte, wichtig zu klären, was Europa im Bereich Soziales tun kann und was nicht. Auch er habe den Antrag unterschrieben, das Thema Sozialunion zum Gegenstand einer ausführlichen Diskussion im Konvent und eventuell einer Arbeitsgruppe zu machen, meinte er, man müsse sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass es im Konvent in erster Linie um Strukturreformen gehe.

Abgeordneter Gottfried Feurstein (V) räumte ein, dass Bereiche wie Beschäftigungspolitik oder Armutsbekämpfung europäische Anliegen sein sollten. Man müsse im Zusammenhang mit einer Diskussion über eine stärkere Vereinheitlichung der Sozialpolitik der EU-Staaten aber darauf achten, dass wichtige Grundprinzipien der österreichischen Sozialpolitik wie Selbstverwaltung, Pflichtversicherung und das System der Altersversorgung erhalten bleiben, mahnte er.

Effizientere gemeinsame Außenpolitik?
Breiten Raum in der Diskussion im Hauptausschuss nahm auch die Frage der gemeinsamen Außenpolitik der EU ein, wobei sich die Konventsmitglieder und Abgeordneten weitgehend einig über den Vorschlag zeigten, die Funktion des so genannten Hohen Vertreters der EU für außenpolitische Fragen und die Funktion des EU-Kommissars für Außenbeziehungen zu fusionieren. So meinte etwa Abgeordneter Einem, eine solche Fusionierung sei sowohl aus Kosten- als auch Effizienzgründen geboten, es mache wenig Sinn, hier zwei Verwaltungsstrukturen aufzubauen, eine seitens der Kommission und eine seitens des Rates. FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Jung unterstützte den Vorschlag ebenfalls, hielt in diesem Zusammenhang allerdings fest, dass die betreffende Person oberster Außen-Beamter der EU bleiben müsse und nicht EU-Außenminister werden dürfe. Seiner Ansicht nach sollte man in dieser Frage auch nicht zu überhastet vorgehen.

Dritter Nationalratspräsident Werner Fasslabend (V) wertete es - abgesehen von der Fusionierung - als entscheidende Frage, inwieweit es der EU künftig gelingen wird, gemeinsame Interessen weltweit zu vertreten und durchzusetzen. Es müsse eine wahrnehmbare gemeinsame EU-Politik nach außen geben, forderte er und wurde darin auch von Konventsmitglied Farnleitner unterstützt. Dieser machte darauf aufmerksam, dass die EU-Staaten etwa die größten Zahler der UNO und des Internationalen Währungsfonds seien und bei einem gemeinsamen Auftreten eine viel stärkere Position hätten. Abgeordnete Lichtenberger wandte ein, dass die EU derzeit nicht als eine Stimme vernehmbar sei.

Für 22. Oktober ist eine weitere Sitzung des Hauptausschusses anberaumt. Wie Nationalratspräsident Heinz Fischer ankündigte, werden sich die Abgeordneten dabei mit Fragen beschäftigen, die Thema beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 24. und 25. Oktober in Brüssel sein werden. An der Sitzung, in der es u.a. um die Themen EU-Erweiterung und Transitvertrag gehen wird, werden auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Verkehrsminister Mathias Reichhold teilnehmen.