Wissenschaft in Europa
der Woche vom 29. 10. bis 04. 11. 2002

     
EuroBionet: Klagenfurt im Luftgütetest
Umwelterziehung für Schüler ist wesentlicher Bestandteil
Klagenfurt/Stuttgart (pte) - Als einzige Stadt Österreichs ist der Siedlungsraum Klagenfurt im Projekt EuroBionet der Universität Hohenheim/Stuttgart ausgewählt worden. Das europaweit durchgeführte EuroBionet wird am 5. November nach zweijähriger Laufzeit beendet. Neben der Luftgüte-Messung durch Bioindikator-Pflanzen wurden rund 50 Vorträge an Schulen durchgeführt.
"Das Interesse bei den Schülern war sehr groß. Die Vorträge erstreckten sich auch auf Schulen außerhalb Klagenfurts", so Hans-Jürgen Gutsche, vom der Umweltschutz-Abteilung des Magistrat Klagenfurt zu pte. "Die direkte Konfrontation der Schüler mit den negativen Folgen der Luftbelastung führte vielfach zu einer persönlichen Betroffenheit der Jugendlichen", erklärt Gutsche. Gerade dies sei ein Ziel des Forschungsprojektes an sich, meint Andreas Klumpp, vom Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie an der Universität Hohenheim, der das europäische Projekt initiiert hat. "Die Betroffenheit bildet eine Grundlage für die Auseinandersetzung der Thematik", argumentiert Klumpp. "Gerade bei den Ozonmessungen waren die Mißbildungen der Pflanzen extrem ausgeprägt", so Gutsche. Die festgestellten Schädigungen der Pflanzen seien größer als die technischen Messwerte.
Klagenfurt führt bereits seit 15 Jahren Lufthygienestudien durch. Gemessen wird an 25 Stellen auf Stickoxide, Schwefel, Staub und seit einigen Jahren auch Ozon. Insgesamt wurden acht Biondikatoren-Stationen ausgewählt. "Um lokale Belastungsunterschiede zu erfassen, erfolgte die Auswahl der Standorte unter verschiedenen Beurteilungskriterien wie etwa Nähe zu Verkehrsknotenpunkte oder auch Standorte mit geringer Belastung", erklärt Gutsche das Projekt. Die Anzucht und Aufzucht der Indikator-Pflanzen erfolgen durch die Park- und Grünanlagen im eigenen Gewächshaus. Die Betreuung und Pflege sowie Bonitur und Probenahme erfolgten gemeinsam mit der Abteilung Umweltschutz. Für die Öffentlichkeit waren die Auswertungen und Verlauf des Projektes jederzeit zu verfolgen: Im "Grünen Würfel", der am Heiligengeist-Platz, mitten im Zentrum von Klagenfurt aufgestellt wurde, war der Informationspavillon untergebracht. Auch diese Konzeption wurde gemeinsam mit der Universität Hohenheim geplant.
"Beim EuroBionet wurde erstmalig auch vorgezeigt, dass Umweltprojekte keine öffentlichen Gelder beanspruchen", erklärt Gutsche. Der Stadt Klagenfurt sind außer geringfügige Personalkosten keine weiteren Kosten erwachsen. Das Projekt wurde durch Sponsoring finanziert.
   
Mehr Biogas aus Klärschlamm
Bonn (alphagalileo) - Mehr als 10 000 Kläranlagen tun in Deutschland ihren Dienst. Aufwendig reinigen sie das Schmutzwasser aus Haushalten, Fabriken, und Gaststätten. Das saubere Wasser wird wieder in Flüsse und Seen eingeleitet. Zurück bleibt nur der Klärschlamm ein Gemisch aus anorganischen und organischen Stoffen. Doch wohin mit diesen Rückständen? Bislang wird der Schlamm in der Landwirtschaft als Dünger genutzt, zur Energiegewinnung verbrannt oder auf Deponien entsorgt. Ab 2005 will der Gesetzgeber jedoch das Deponieren organischer Abfälle untersagen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Sinterwerkstoffe IKTS haben gemeinsam mit der Ingenieurgesellschaft für Wasser und Entsorgung mbH und der Dr. Hielscher GmbH ein Verfahren entwickelt, das die Menge an Klärschlamm deutlich vermindert. Noch vor der Faulung wird ein Teil des Schlamms mit Ultraschall behandelt und mechanisch zerkleinert. Der Schlamm liefert mehr Biogas und lässt sich besser entwässern.
»Der Ultraschall erzeugt im Schlamm Bläschen, die implodieren. So werden seine Bestandteile zerkleinert«, erläutert Dr. Hannelore Friedrich, Leiterin des Bereichs Umweltverfahrenstechnik am IKTS, das Prinzip. Diese Kavitation verändert die Struktur der Schlammflocken: Aus Mikroorganismen freigesetzte und aktivierte Enzyme beschleunigen und verbessern den Abbau organischer Stoffe. Dies erhöht zudem die Gasausbeute um bis zu 45 Prozent. »Das neue Verfahren hilft, die Betriebskosten von Kläranlagen deutlich zu senken«, betont die Wissenschaftlerin. »Nach weniger als vier Jahren haben sich die damit verbundenen Investitionen bereits amortisiert.«
»Die Betreiber brauchen weniger Energie und Zusatzstoffe, um den Klärschlamm zu entwässern. Die Faulzeiten verkürzen sich. So werden Kapazitäten frei und in den Faultürmen können zusätzlich andere organische Abfälle vergärt werden. Das erhöht die Gasproduktion des Klärwerkes nochmals. Außerdem bleibt weniger Schlamm zurück, der entsorgt werden muss.« Das mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis ausgezeichnete Verfahren hat sich in der Praxis bereits bewährt: Mit großem Erfolg nutzen elf deutsche und eine österreichische Kläranlage das als Klärschlamm-Teilstrom-Desintegration mit Hochleistungsultraschall bezeichnete Verfahren. Sogar nach Japan wurde bereits eine Lizenz verkauft. »Auch Betreiber von Kläranlagen in England, den USA, Kanada und Australien sind an diesem Verfahren interessiert«, berichtet Dr. Friedrich. Das System wird bereits über die neugegründete IWE.Tec GmbH, Radebeul vermarktet.
   
Highspeed-Werkstoff für den Datentransfer
Bonn (alphagalileo) - Es erscheint widersinnig: Datenübertragung über tausende von Kilometern funktioniert schnell und fehlerfrei. Im Kleinen dagegen - auf dem Board - hapert es. »Board und Stecker im Computer verringern die mögliche Rechnergeschwindigkeit«, erklärt Dr. Michael Popall vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg. Grund ist die konventionelle Fertigungstechnik: Die Chips können nicht direkt miteinander oder mit dem Board vernetzt werden. Zudem kann es bei den vielen Chips auf engem Raum gerade bei höherfrequenten Signalen zum Übersprechen, also zu Störungen kommen. Schnellere und störungsfreie Wege für den PC-internen und -externen Datentransport fanden 16 Partner aus Industrie und Forschung im europäischen Verbundprojekt DONDODEM. Für ihre Entwicklungen erhalten sie den Wissenschaftspreis des Stifterverbands.
Basis für den schnelleren Datentransfer sind ORMOCER®e, eine sehr leistungsfähige Materialklasse, deren Eigenschaften sich durch chemical design gezielt einstellen lassen. Für den Einsatz in der Aufbau- und Verbindungstechnik wurden ORMOCER®e entwickelt, die eine hohe optische Transparenz besitzen und daher Licht verlustarm leiten. Sie isolieren elektrisch sehr gut und sind thermisch wie chemisch ausreichend robust. Damit halten sie den Fertigungstechniken der Mikroelektronik und Leiterplattentechnik stand.. »Über mehrere Schritte entstehen in Mehrlagentechnik leistungsfähige 3-D-Leiterbahnnetze auf kostengünstigen Polymerplatten«, fasst Popall zusammen. Im Projekt wurden Leiterbahnenbreiten und vertikale Durchkontaktierungen erzielt, die kleiner als 50 Mikrometer sind. So entstand eines der kleinsten PentiumTM-Multi-Chip-Module der Welt: ein Demonstrator, dessen kompakte Mehrlagentechnik die Basis für Schaltungen in Mobiltelefonen, Notebooks oder Organizern sein kann.
Mit ORMOCER®-Mehrlagen lassen sich auch äußerst kompakte opto-elektrische Boards fertigen - inklusive Ein- und Auskoppeln der optischen Datenströme. Dies geschieht mittels diffraktiver / refraktiver Optiken und optischer Wellenleiter, die aus mehrlagigen ORMOCER®en aufgebaut werden. Parallel erfolgten erste Entwicklungen, um die neuen Materialien in der Hochfrequenztechnik zu nutzen, beispielsweise für den Einsatz in Handys oder als Radarabstandsmesser. Auch die Bluetooth-Technologie, bei der verschiedenste elektronische Geräte über Funk miteinander kommunizieren, soll mithilfe der preiswerten und kompakten Schaltungen unterstützt und vorangebracht werden.
   
Neue Stammzellen-Technik gegen Blutkrebs
Spenderzellen erhalten Schutz gegen Chemotherapeutika
London (pte) - Britische Wissenschaftler haben eine neue Stammzellen-Technik entwickelt. Die Technik, von ihren Entwicklern am Paterson Institute in Manchester als so genannter "genetischer Chemo-Schutz" bezeichnet, schützt die Stammzellen des Spenders. Transplantierte Stammzellen können durch eine hochdosierte Chemotherapie, wie diese z.B. bei einer Leukämie im Zuge der Behandlung durchgeführt wird, angegriffen und zerstört werden. Die neue Technik soll dies verhindern. Den Angaben der Forscher zufolge sollen die vorläufigen Ergebnisse am Tiermodell vielversprechend verlaufen sein.
Stammzellen-Transplantate können zur Behandlung von Blutkrebs wie Leukämie und Lymphomen, Krebs des lymphatischen Systems, eingesetzt werden. Dabei werden dem Patienten Stammzellen transplantiert, um eine Immunreaktion gegen die Krankheit zu zeigen. Zumeist folgt der Transplantation eine hochdosierte Chemotherapie, um Krebszellen zu zerstören. Aber die Chemotherapie kann auch Stammzellen angreifen. Um dieses Problem zu umgehen, isolierte das Team um Raj Chopra Stammzellen, züchtete diese im Labor und nutzte einen Virus, um in dieses das Gen Atlase einzubringen. Dadurch wurden die Stammzellen auf die toxischen Nebenwirkungen der Chemotherapeutika resistent, berichten die Forscher in einem Bericht der BBC.
Im Mäuseversuch zerstörten Chemotherapeutika Krebszellen und viele der tiereigenen Stammzellen. Die transplantierten Spender-Stammzellen überlebten und stärkten das Immunsystem, um gegen den Krebs anzukämpfen. Mit steigendem Anteil der transplantierten Zellen verbesserte sich die Immunreaktion, erklärten die Forscher. Die transplantierten Zellen vermehrten sich und "füllten die Gräben, die durch die zerstörten natürlichen Stammzellen entstanden waren." Trotz des Erfolgs im Tierversuch sind Versuche am Menschen noch Jahre entfernt. Auch der Einsatz von Stammzellen ist umstritten - versprechen ja humane embryonale Stammzellen den größten Erfolg.
   
Scharfe Bilder für die Traumfabrik
Bonn (alphagalileo) - Special Effects aus dem Computer sind in heutigen Filmproduktionen fast alltäglich. Allerdings bereiten digitale Bilder Probleme, wenn sie in hoher Qualität auf die Kinoleinwand projiziert werden sollen. Der Grund: Die meisten Projektoren arbeiten nach wie vor mit dem bewährten 35-mm-Film. Damit das Kinopublikum lebensechte Trolle oder Zauberer bestaunen kann, müssen die im Computer hergestellten Sequenzen Bild für Bild auf Filmstreifen gebannt werden. Einen digitalen Laserfilmbelichter entwickelten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg in enger Kooperation mit der Firma ARRI. Der ARRILASER belichtet Computerbilder in bislang unübertroffener Qualität auf klassisches Filmmaterial aus. Für ihre entscheidenden Beiträge erhalten Manfred Knothe, Ulrich Klocke, Wolfgang Riedel und Helmut Wolf einen der diesjährigen Joseph-von-Fraunhofer-Preise.
»Wir wählten einen roten, einen grünen und einen blauen Festkörperlaser«, erläutert Wolfgang Riedel. »Sie ermöglichen ein extrem stabiles und wartungsarmes System und besitzen eine höhere Lebensdauer als die in anderen Filmbelichtern eingesetzten Gaslaser. Mit Festkörperlasern erreichen wir nicht nur eine fünfmal kürzere Belichtungszeit, sondern auch höchste Bildqualität - selbst bei sehr feinkörnigem Filmmaterial.« Auf Knopfdruck übertragen die Laserstrahlen die Bilddaten auf den Film - stets in der richtigen Intensität an der richtigen Stelle. Dafür wird der Laserstrahl durch ein System aus Linsen, Spiegeln, Modulatoren und einem schnell rotierenden Umlenkprisma geführt. Sensoren überprüfen ständig die Strahlparameter und Intensitäten der Laser, Aktuatoren korrigieren sie. Mit vier Millionen Bildpunkten pro Sekunde entstehen farblich brillante Bilder. Der Zeitgewinn ist enorm: Statt in sieben Wochen lässt sich ein neunzigminütiger Kinofilm mit dem ARRILASER in einer Woche belichten.
In nur zwei Jahren konnte sich der Kinofilmbelichter in der Filmindustrie durchsetzen: Etwa achtzig Stück hat ARRI inzwischen weltweit verkauft. Aber nicht nur das: Im März 2002 wurden seine Entwickler mit einem der wissenschaftlich-technischen Preise der Academy of Motion Picture Arts and Sciences ausgezeichnet. Franz Kraus und Johannes Steurer von ARRI sowie Wolfgang Riedel vom IPM erhielten den Scientific and Engineering Award für diese hervorragende technische Leistung, die entscheidend zum Fortschritt der Filmindustrie beiträgt. Der Erfolg des ARRILASERs zeigt, wie fruchtbar eine intensive Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung sein kann.