»Der Sarg erlebt als Werbeträger ein Revival«  

erstellt am
13. 10. 03

Studie zu Selbstbild und Außendarstellung von Bestattern
Bonn (alphagalileo) - Wie hat sich die Selbsteinschätzung von Bestattungsunternehmern in den letzten Jahrzehnten verändert; wie warben sie Anfang des 20. Jahrhunderts für ihre Dienste, wie heute? Dagmar Hänel, Volkskundlerin an der Universität Bonn, ist diesen Fragen in ihrer Doktorarbeit nachgegangen. Ihr Ergebnis: Die beiden Weltkriege bedeuteten für den Umgang mit dem Tod eine tiefe Zäsur, in deren Folge Begriffe wie „Leiche“ und „Tod“, aber auch Bilder des Sargs aus den Werbeanzeigen der Bestatter verschwanden. Heute, knapp 60 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, scheint der Sarg als Werbeträger aber ein vorsichtiges Revival zu erleben.


Werbeanzeige von 1914, Foto: Universität Bonn

Die Anzeige war ganzseitig, die Angebotspalette beeindruckend: „Großes Lager in Metall-, Eichen-, Tannen-, Pitch-Pine-, Versand- und Verbrennungssärgen“, hieß es da. Und: „Meine Särge sind nach eigenem Verfahren (gesetzlich geschützt) gedichtet.“ Dazu eine detaillierte Zeichnung des Top-Modells, stimmungsvoll dekoriert mit mehrarmigen Kerzenleuchtern.

Als ginge es um Regal „Hans“, Schreibtisch „Franz“ oder Schrank „Petra“, so nüchtern warben 1914 Bestattungsinstitute und Sarghersteller für ihre Produkte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Annoncen schlichter; die Abbildung eines Leichenwagens trat an Stelle des Sarges, danach die stilisierte Fassade des Bestattungsunternehmens und schließlich einfach ein schlichtes Kreuz. „Der Tote wurde hinter immer weiteren Hüllen versteckt“, erklärt Dr. Dagmar Hänel vom Volkskundlichen Seminar der Universität Bonn: Die Leiche verschwand im Sarg, der Sarg hinter den Blechwänden des Autos, dann hinter dicken Gebäudemauern. Zugleich wurden die Anzeigen kleiner; Begriffe wie „Leiche“ und „Tod“ wurden mehr und mehr tabu. „Der zweite Weltkrieg war die große Zensur“, so die Volkskundlerin; „dass man den Tod seitdem zunehmend versteckt, hat sicher etwas mit den traumatischen Erfahrungen in dieser Zeit zu tun.“ Inzwischen beobachtet sie immerhin ein „vorsichtiges Revival“ des Sargs als Werbeträger; hatten ihn die Unternehmer zwischenzeitlich aus ihren Schaufenstern komplett verbannt, taucht er dort nun so langsam wieder auf.

Man definiert sich als „Helfer der Lebenden“
„Wenn unsere Gesellschaft das Sterben zunehmend tabuisiert“, fragt Dr. Hänel, „wie gehen dann diejenigen damit um, die von Berufs wegen mit dem Tod zu tun haben?“ Für ihre Doktorarbeit „Selbstbild und Selbstdarstellung von Bestattungs-unter-nehmern“ hat sie 15 Bestatter aus Münster, Dortmund und dem ländlichen Umland interviewt, Frauen wie Männer, Junge ebenso wie Ältere. Die Befragten sollten ihren Arbeitsalltag und einen typischen Bestattungsfall schildern – mit erstaunlich einheitlichem Ergebnis: „Nach den Interviews zu schließen, führen Bestatter den ganzen Tag über nur Beratungsgespräche und spenden den Hinterbliebenen Trost“, so Hänel. „Auf die eigentliche Bestattung kamen die Befragten von sich aus gar nicht zu sprechen.“ Weil der Tod so sehr tabuisiert werde, seien die Bestatter ständig versucht, ihren Beruf positiv zu legitimieren. „Sie definieren sich als Helfer der Lebenden, nicht als jemanden, der die Leiche entsorgt.“

Regeln für den „guten Bestatter“
Wie sehr sich das Selbstbild der „Funeralmeister“ und „Thanatopraktiker“ gewandelt hat, zeigt auch ein Blick in die Zeitschrift des Bundesverbands Deutscher Bestatter (BDB), „Das Bestattungsgewerbe“. Das monatlich erscheinende Blatt existiert seit 1949, sein Vorgänger gar seit 1913; nur zwischen 1941 und 1949 gibt es wegen Papiermangels eine Lücke. Volkskundlerin Hänel hat alle Ausgaben gesichtet und die wichtigsten Artikel hinsichtlich Wortwahl und Inhalt analysiert. „Der Verband versucht, ein Idealbild des ‚guten Bestatters‘ zu definieren und an seine rund 3.000 Mitglieder weiter zu vermitteln“, sagt sie. „Vor dem zweiten Weltkrieg war ein guter Bestatter vor allem eines: ein guter Kaufmann.“ Dieser Aspekt falle heute in der Zeitschrift fast komplett weg – dass Bestatter mit ihrem Beruf Geld verdienen wollen und sollen, wird zumindest öffentlich nicht mehr gesagt. Stattdessen sähen sich Bestatter vor allem als Helfer und Dienstleister in einem besonders sensiblen Bereich.

Branche entdeckt die Ökologie
Neuerdings hat auch das Thema „Ökologie“ die Branche erreicht – schließlich soll der Sarg beim Verrotten nicht noch harmlose Bodenbewohner mit in den Tod reißen. Immer häufiger sind daher DIN-Normen zur umweltgerechten Materialauswahl Thema der Verbandszeitschrift – oder, wie jüngst auf der BDB-Web-Page „www.bestatter.de“, zur ökologischen Feuerbestattung „nach ISO 14001“.
     
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