Wien (pr&d) - Richtungsweisend: Magnetfelder im Gehirn verbessern Epilepsie-Therapie
Elektrische Signale der Nerven im Gehirn verursachen schwache magnetische Felder, die sich mittels Magnetencephalographie
messen lassen. Inwieweit diese Methode das direkte Messen elektrischer Nervenaktivität in der Diagnose und
Behandlung von Epilepsie ergänzen kann, wurde nun im Rahmen eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF untersucht.
Die Ergebnisse sind auch vor dem Hintergrund steigender Kosten des Gesundheitssystems wichtig, denn die Vorteile
der Messung magnetischer Felder schlagen mit den 30-fachen Gerätekosten gegenüber der Messung elektrischer
Signale zu Buche.
Bis zu drei Prozent der europäischen Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens an Epilepsie. In Österreich
leiden derzeit 64.000 Personen an dieser Erkrankung. Typische Ursache für das Leiden sind ungewöhnliche
Aktivitäten in den Nervenzellen bestimmter Hirnregionen. Diese lassen sich mit Hilfe der seit über 70
Jahren bekannten Oberflächen-Elektroencephalographie (EEG) und seit einiger Zeit auch mit der wesentlich jüngeren
Magnetencephalographie (MEG) messen. Nun hat Prof. Christoph Baumgartner von der Universitätsklinik für
Neurologie am AKH Wien mit Unterstützung des FWF untersucht, wie sich die Kombination beider Methoden auf
die Lokalisierung der betroffenen Hirnregionen auswirkt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die überaktiven
Hirnregionen durch die Kombination nicht nur besser lokalisiert werden können, sondern auch, dass risikoreiche
invasive Messmethoden - bei denen Elektroden in das Hirn eingeführt werden - weniger häufig als bisher
notwendig sind.
Hirnchirurgie erfordert höchste Präzision
Die Lokalisierung der überaktiven Bereiche des Gehirns ist für die Behandlung der Epilepsie dann
ausschlaggebend, wenn Medikamente nicht wirken. Dazu der Projektleiter Prof. Baumgartner: "Obwohl die heute
verfügbaren Medikamente sehr effektiv sind, kann man zwanzig Prozent der Patienten so nicht helfen. Für
den Großteil der Betroffenen stellen chirurgische Eingriffe eine wirksame Alternative dar. Die betroffenen
Hirnregionen werden dabei entfernt. Damit eine so erzielte Anfallsfreiheit nicht auf Kosten neurologischer Ausfallerscheinungen
geht, muss der betroffene Bereich vor jedem Eingriff genauestens lokalisiert werden."
Dafür steht neben anderen Messverfahren auch das Oberflächen-EEG als nicht invasive Methode zur Verfügung.
Die Genauigkeit der EEG-Messungen wird aber dadurch eingeschränkt, dass die Kopfhaut und der Schädelknochen
als Isolatoren wirken. Zusätzlich ist ein externer Referenzwert zur Interpretation der elektrischen Signale
notwendig. Dieser unterliegt oftmals äußeren Störeinflüssen. Infolge dieser Probleme wird
das genaue lokalisieren überaktiver Hirnregionen erschwert.
Implantation oder Kombination
Derzeit müssen daher zur Absicherung der Ergebnisse Messelektroden direkt in das Gehirn implantiert werden,
um so die räumliche Auflösung zu erhöhen. "Eine Alternative zu diesem für die Patienten
sehr belastenden und auch risikoreichen Eingriff kann die Ergänzung des EEG mit dem MEG sein. Beide Methoden
beruhen zwar auf dem gleichen physiologischen Vorgang - Änderungen des Ladungspotenzials von Nervenfaserendungen
-, doch messen sie unterschiedliche Effekte und können sich so ergänzen", führt Prof. Baumgartner
aus.
Teil des FWF-Projekts war die Entwicklung eines biophysikalischen Modells, das es erlaubt, die Messergebnisse in
Verbindung mit räumlichen Daten des Gehirns aus der Magnetresonanztomographie zu bringen. So können die
betroffenen Hirnregionen mit der notwendigen Präzision lokalisiert werden. Zu den Kosten dieser verbesserten
Patientenversorgung erklärt Prof. Baumgartner: "Ein MEG-Gerät kostet derzeit 1,5 Mio. Euro. Ein
modernes EEG-Gerät ist schon ab 30.000 Euro zu haben. Auch aus Kostengründen ist es wichtig, die Vorteile
des MEG genau zu definieren, so dass ein optimaler Einsatz gewährleistet ist." Prof. Georg Wick, Präsident
des FWF, ergänzt: "Aufgabe der Grundlagenforschung - und damit des FWF - ist auch die Untersuchung innovativer
Ideen und Technologien auf ihr spezifisches Anwendungspotenzial. Gerade in einer technologieintensiven Gesellschaft
wie der unseren kommt der Grundlagenforschung hier eine wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe zu." |