EU-Agrarministerrat: Tabak, Olivenöl, Baumwolle und Zucker im Mittelpunkt  

erstellt am
15. 10. 03

Gespräche über geplante Entkoppelung der Stützungen
Brüssel/Luxemburg (aiz.info) - Die Reformen der Marktordnungen für Olivenöl, Baumwolle und Tabak werden voraussichtlich im Frühjahr 2004 abgeschlossen werden. In einer ersten Aussprache im EU-Agrarministerrat am Montag (13. 10.) in Luxemburg zeichneten sich trotz Vorbehalte einiger betroffener Länder keine größeren Widerstände gegen eine Entkopplung der Prämien ab. Insgesamt geht es dabei laut APA um eine Änderung des EU-Subventionssystems mit einem Volumen von insgesamt EUR 4,7 Mrd. für alle vier Bereiche. Bei den Tabakbauern herrscht jedoch Endzeitstimmung. Besorgte Stimmen der Tabak-Lobbyisten werden laut, doch auch Italien warnt davor, den Kampf gegen den Tabakkonsum mit dem Tabakanbau zu vermengen. Das Ende des europäischen Tabakanbaus und die Verstärkung der Importe aus Drittländern könne jedenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Olivenöl: Erzeugerländer mit 60%iger Entkoppelung mehr oder weniger einverstanden
Beim Olivenöl sind selbst die Erzeugerländer mit einer Entkoppelung in Höhe von 60% der Prämien mehr oder weniger einverstanden. Die EU ist bei der Produktion von Olivenöl sehr wettbewerbsfähig. Exporterstattungen werden schon lange nicht mehr gezahlt. Bei der Debatte im EU-Agrarministerrat wurden von einigen Mitgliedsstaaten lediglich technische Probleme angesprochen, wie etwa die Anerkennung von Olivenölpflanzungen nach 1998. Agrarkommissar Franz Fischler räumte hier schon Flexibilität ein und erklärte, neue Olivenölpflanzungen ab 1998 seien prämienberechtigt, wenn sie im Rahmen von Programmen stattgefunden hätten.

Baumwolle: Griechenland und Spanien fürchten um strukturschwache Regionen
Etwas schärfer sind die Auseinandersetzungen bei der Baumwolle. Griechenland und Spanien gehen davon aus, dass durch eine 60%ige Entkoppelung der Prämien der Anbau von Baumwolle in den zumeist sehr strukturschwachen Regionen deutlich eingeschränkt werde - mit schwerwiegenden Folgen für den Arbeitsmarkt. Italien und Portugal stellten sich an die Seite der beiden Baumwolle produzierenden Mitgliedsstaaten. Auch Österreich und Finnland zeigten im Ministerrat Verständnis gegenüber den Bedenken der europäischen Baumwollproduzenten gegenüber einer Entkoppelung. Die anderen Mitgliedsstaaten bezogen sich auf die WTO-Ministerkonferenz in Cancun und betonten, wie wichtig es sei, gerade für Baumwolle, welche in vielen Entwicklungsländern eine bedeutende Rolle spiele, produktionsabhängige Subventionen abzubauen.

Tabak: Alemanno sieht großen Klärungsbedarf mit Erzeugern
Die Kommission kündigte formelle Reformvorschläge für Olivenöl, Tabak und Baumwolle für den 18.10.2003 an. Das Europäische Parlament hat für diese drei Gesetzesvorhaben bereits Berichterstatter benannt und will im März 2004 seine Stellungnahme dazu abgeben. Der italienische Ratspräsident Giovanni Alemanno signalisierte am Rande des Luxemburger Rates in dieser Woche, er habe kein großes Interesse, beim Tabak die Diskussion schnell voran zu treiben. Alemanno sieht vielmehr dagegen noch einen großen Klärungsbedarf mit den Tabakerzeugern. Allerdings geht mit Beginn des Jahres 2004 die Ratspräsidentschaft auf Irland über.

Italien: Nicht Kampf gegen den Tabakkonsum mit Tabakanbau vermengen
Bei vielen Tabakbauern herrscht jedenfalls schon vor einer Entscheidung Endzeitstimmung, und man sieht das Ende einer jahrhundertealten Tradition herannahen. Insgesamt ist die Situation folgende: Bisher stützte Brüssel den Tabakanbau in der EU jährlich mit rund EUR 900 Mio., weshalb Kritik nicht nur von Anti-Raucher-Initiativen geäußert wurde. Auch der Europäische Rechnungshof rügte wiederholt, dass mit Geldern der europäischen Steuerzahler gleichzeitig Kampagnen gegen das Rauchen und Beihilfen für den Tabak-Anbau finanziert werden.

Die Tabak-Interessen weisen solche Argumente als "Heuchelei" zurück. Die Reform werde viele Tabakanbauer in der EU in den Ruin treiben, das Verhalten der Raucher aber nicht beeinflussen, betont beispielsweise Günter Hechler, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Tabakpflanzer. In Deutschland produzieren nach seinen Angaben an die 1.020 Tabakbauern vor allem in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg jährlich 11.000 Tonnen Qualitätstabak. Dies seien 4% der Menge, die im Lande verbraucht wird. "Wenn wir nichts mehr produzieren, importieren die Hersteller halt etwas mehr", meint Hechner. Doch viele Betriebe könnten bei einem Ende der Brüsseler Beihilfen im Jahre 2013 nicht weiterbestehen. Die von der EU-Kommission angeregte Umstellung auf andere Kulturen seien "reine Theorie". Selbst Italien, das derzeit den EU-Vorsitz innehat, warnte bereits davor, den "Kampf gegen den Tabakkonsum mit dem Anbau von Tabak zu vermengen" und dadurch Arbeitsplätze zu gefährden.

Zucker: Marktordnungsvorschlag für Mitte 2004 fraglich, WTO-Panel abwarten
Über Zucker soll beim Novemberrat in Brüssel diskutiert werden. Allerdings ist fraglich, ob die Kommission bis Mitte des kommenden Jahres einen Vorschlag für eine Reform der Zuckermarktordnung vorlegen wird. Im Juni 2004 wird das Europäische Parlament neu gewählt und im Herbst 2004 wird die Kommission abtreten. Außerdem halten es viele für sinnvoll, zunächst einmal das laufende WTO-Panel gegen die EU-Zuckermarktordnung abzuwarten. Dort könnte entschieden werden, dass die EU wegen ihrer hohen Stützpreise keinen Zucker mehr für den Weltmarkt produzieren darf. In der EU schon vor dem Ausgang des Panels einen Vorschlag für eine Preissenkung von Zucker zu unterbreiten, könnte als vorzeitiges Schuldeingeständnis betrachtet werden. Eine Entscheidung zur EU-Zuckermarktordnung muss jedoch im Laufe des Jahres 2005 gefällt werden, weil das heutige Regime am 01.07.2006 ausläuft.
     
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