Die Hauptthemen: EU-Verfassung, UN-Reform, Entwicklungspolitik
Wien (pk) - Seinen zweiten Sitzungstag dieser Woche leitete der Nationalrat am Donnerstag (23. 10.) mit
einer Fragestunde ein, in der die Bundesministerin für Auswärtige Angelegenheiten Dr. FERRERO-WALDNER
den Abgeordneten Rede und Antwort stand. Die Ministerin gab Auskunft über die regionale Partnerschaft mit
den vor ihrem EU-Beitritt stehenden Nachbarstaaten, erläuterte ihr Eintreten für einen Kommissar pro
EU-Mitgliedsland und eine Euratom-Revisionskonferenz sowie über ihre Vorstellungen für die Reform der
UNO. Darüber hinaus berichtete sie von ihrem Einsatz für kriegstraumatisierte Kinder und beantwortete
kritische Fragen der Opposition zur Entwicklungszusammenarbeit mit Hinweisen auf Erfolge der neuen Kohärenz-Klausel
im EZA-Gesetz. Schließlich erfuhren die Abgeordneten, dass die in Wien ansässigen internationalen Organisationen
insgesamt einen Beitrag von 1 % oder 529 Mill. Euro zur jährlichen regionalen Wertschöpfung beitragen.
Abgeordneter Dr. EINEM (S): Weshalb halten Sie nach wie vor am Konzept der Strategischen – nunmehr Regionalen -
Partnerschaft mit EU-Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa fest?
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Bundesministerin für Auswärtige Angelegenheiten Dr. FERRERO-WALDNER führte aus, dass sich die regionale
Partnerschaft bereits bewährt habe; die wirtschaftliche, kulturelle und politische Kooperation sei in bester
Fahrt. Es handle sich nicht um eine Initiative der "Kleinen" gegen die "Großen", sondern
um die Vertretung der Nachbarländer, zu denen auch ein großes Land, nämlich Polen, gehöre,
wie die Ministerin auf eine Zusatzfrage hinzufügte.
Bei der Regierungskonferenz, wie schon vorher im Konvent, spiele die regionale Partnerschaft eine wesentliche Rolle,
etwa beim gemeinsamen Eintreten, dafür dass jedes Mitgliedsland einen stimmberechtigten Kommissar hat, erfuhr
Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V).
Die von Abgeordneter Dr. PARTIK-PABLE (F) angesprochene Frage eines EU-Beitritts der Türkei beantwortete die
Ministerin mit einem Hinweis darauf, dass die Entscheidung über die politischen Kriterien beim Europäischen
Rat in Kopenhagen Ende nächsten Jahres getroffen werden sollen.
Das Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit Tschechien sei deshalb noch nicht in den Ministerrat eingebracht
worden, weil man auf die Arbeitsmarktlage Bedacht nehmen müsse, teilte die Außenministerin Abgeordneter
Mag. LUNACEK (G) mit.
Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V): Welche Erfolge für die österreichische Position zur Regierungskonferenz
über einen Verfassungsvertrag für Europa konnten seit der letzten Hauptausschusssitzung erreicht werden?
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Bundesministerin Dr. FERRERO-WALDNER informierte darüber, dass alle Fragen, die den einzelnen Staaten wesentlich
sind, angesprochen und diskutiert werden können. Es herrsche unter anderem Konsens darüber, den Legislativrat
als nicht zweckmäßig anzusehen. Die wichtige politische Bedeutung der Rotation bei der Präsidentschaft
sei im Konvent nicht ausreichend beachtet worden, sagte die Ministerin und betonte, es sei wichtig, die förmliche
und tatsächliche Gleichheit der Mitgliedsländer zu garantieren. Der symbolische Wert dieser Frage sei
nicht zu unterschätzen, sagte Ferrero-Waldner.
Bei der engeren und strukturierteren Zusammenarbeit in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
(Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. BÖSCH, F) sah die Ministerin eine sehr gute Entwicklung. Sie plädiert
für eine grundsätzlich offene Zusammenarbeit, an der alle teilnehmen können. Die Kriterien dafür
sollen jetzt festgelegt werden.
Die Entscheidung werde nicht heißen "Euratom" oder "ein Kommissar pro Land", versicherte
die Außenministerin Abgeordneter Dr. LICHTENBERGER (G). Ferrero-Waldner sah eine gute Entwicklung für
einen Kommissar pro Land und Österreich trete für eine Revisionskonferenz zu Euratom ein (zudem Zusatzfrage
der Abgeordneten Mag. Sima, S).
Abgeordnete Mag. LUNACEK (G): Wie beurteilen Sie aus entwicklungspolitischer Sicht Investitionen in Aktien der
im Goldbergbau tätigen Firmen Black Hawk und Newmont?
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Die AUSSENMINISTERIN unterstrich die Kohärenz in der Entwicklungspolitik als ein ihr persönlich sehr
wichtiges Anliegen, das im neuen EZA-Gesetz auch gesetzlich fixiert sei und die Bundesverwaltung binde. Privater
Aktienbesitz unterliege dieser Bindung jedoch nicht, hielt die Ressortleiterin - auch auf eine diesbezügliche
Zusatzfrage der Abgeordneten BAYR (S) - fest.
Als Initiativen für eine kohärente Entwicklungspolitik nannte die Ministerin Maßnahmen zugunsten
von Studenten aus der Dritten Welt, ihren Beitrag zum Projekt "Alles außer Waffen" und das neue
Umweltförderungsgesetz mit Prinzipien für Umweltprojekte in Entwicklungsländern (Zusatzfragen der
Abgeordneten HAUBNER, V, und WATTAUL, F).
Abgeordneter SCHEIBNER (F): Inwiefern kann Österreich zu einer friedlichen Beilegung des Nahostkonflikts beitragen?
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Bundesministerin Dr. FERRERO-WALDNER wies darauf hin, dass sich Österreich in der EU für die Umsetzung
der Road Map einsetze, und hielt in diesem Zusammenhang einen Zeitplan und einen Monitoringmechanismus für
wesentlich. Auf bilateraler Ebene sei es wichtig gewesen, die Beziehungen mit Israel zu normalisieren, dies habe
die Situation verbessert. In der Entwicklungspolitik helfe Österreich im Bereich von Gesundheitsdienstleistungen,
engagiere sich für Flüchtlinge und wolle sie eine Wasserentsalzungsanlage im Gaza-Streifen unterstützen.
Die jüngsten israelischen Militäraktionen seien entschieden abzulehnen, sagte die Außenministerin
in ihrer Antwort auf eine Zusatzfrage.
Die Frage der Abgeordneten Mag. LUNACEK (G), warum Österreich nicht - wie vor Jahrzehnten üblich - eigene
Initiativen starte, beantwortete die Ressortchefin mit dem Hinweis darauf, dass sich die Nahost-Politik heute in
der EU, gemeinsam mit den USA, Russland und den Vereinten Nationen abspiele. Sie hoffe sehr, dass die jüngste
Initiative von NGOs und europäischen Parteien, die nicht an der Regierung sind, einen Beitrag zum Friedensprozess
leisten werde.
Die Meldung, Staatssekretär Morak habe bei seinem Israelbesuch über die Äußerung seines Gesprächspartners,
des Ministers Olmert, Arafat solle entfernt werden, geschwiegen, sei nicht korrekt, sagte die Außenministerin
(Zusatzfrage der Abgeordneten Mag. MUTTONEN, S).
Abgeordneter Dr. CAP (S): Hat sich die von Ihnen im Irakkonflikt verfolgte Politik der Mitte angesichts der Tatsache,
dass bislang keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, als Fehler erwiesen?
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Bundesministerin Dr. FERRERO-WALDNER: "Keinesfalls!" - Die letzten Entwicklungen zeigten, wie richtig
die österreichische Haltung gewesen sei. Sie fühle sich in den zentralen Elementen ihrer Position bestätigt.
Sie habe keine Politik "zwischen den Stühlen" betrieben, wie der Anfragesteller in einer Zusatzfrage
meinte, sondern dem UN-Generalsekretariat Folge geleistet und daran gut getan, sagte die Ressortleiterin. Medienberichten
könne entnommen werden, dass sich auch die deutsche Regierung einer Position der Mitte zwischen den USA und
Paris annähere. "Wir waren schon dort", sagte die Außenministerin pointiert (dazu auch Zusatzfragen
der Abgeordneten Ing. WINKLER, V, und Dr. LICHTENBERGER, G).
Im Hinblick auf den Iran und Syrien, die F-Abgeordneter SCHEIBNER ansprach, sagte die Ministerin, sie hoffe, dass
der Besuch der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens tatsächlich eine Entspannung
gebracht habe und der Iran die vereinbarten Maßnahmen umsetzt - das wäre ein großer Erfolg der
EU. Anderenfalls drohe die Gefahr einer Eskalation.
Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V): Was sind die für die österreichische Außenpolitik wichtigsten
Ergebnisse Ihrer Vorsitzführung im Human Security Network?
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Die AUSSENMINISTERIN berichtete von ihrem Engagement für individuelle Sicherheit, insbesondere für Kinder
in bewaffneten Konflikten und für die Menschenrechtserziehung. Zu diesem Thema wurde ein Handbuch verfasst,
das für die ganze Welt geeignet sei, mittlerweile gut aufgenommen wurde und in viele Sprachen, darunter Arabisch,
Chinesisch und Spanisch, übersetzt wurde (dazu auch eine Zusatzfrage der Abgeordneten ACHLEITNER, F). Ihr
persönliches Engagement galt kriegstraumatisierten Kindern. Sie kooperiere mit Slowenien und Albanien am Aufbau
eines diesbezüglichen Hilfszentrums und habe schwerverletzte und schwer erkrankte Kinder aus dem Kriegsgebiet
im Irak über Kuwait in österreichische Spitäler gebracht.
Die Kritik des UNHCR am österreichischen Asylgesetz, die Abgeordnete HAGENHOFER (S) zur Sprache brachte, betreffe
nicht ihren Zuständigkeitsbereich, sondern den des Innenministers, erklärte die Außenministerin.
Abgeordnete Mag. LUNACEK (G): Konnten die elf verletzten irakischen Kinder, die am 15. Mai 2003 in österreichische
ärztliche Behandlung übergeben wurden, wieder in ihre Heimat zurückkehren?
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Bundesministerin Dr. FERRERO-WALDNER berichtete vom Transport der 11 schwer verletzten und schwer kranken Kinder,
die in vier österreichischen Spitälern sehr komplizierten, aber sehr erfolgreichen Behandlungen unterzogen
werden mussten. Zwei der Kinder befinden sich noch in Graz, ein weiteres Kind sei noch in Wien in Spitalsbehandlung.
Für die Zusatzfrage, ob es nicht besser gewesen wäre, das für diesen Transport verwendete Geld im
Irak einzusetzen und so wesentlich mehr Kindern zu helfen, zeigte die Ressortleiterin kein Verständnis. "Es
gab während des Krieges keine Möglichkeit, in den Irak zu gelangen. Diese Kinder und Jugendlichen wären
zum Teil gestorben", sagte die Außenministerin. Es sei vertretbar gewesen, die verletzten Kinder zu
fotografieren, um den Österreichern zu zeigen, dass Kindern geholfen werde, sagte die Außenministerin
auf eine diesbezügliche - kritische - Zusatzfrage des Abgeordneten Mag. POSCH (S).
Die Wiederaufbaukonferenz für den Irak in Madrid habe große Bedeutung, führte die Ministerin aus
und sah die internationale Staatengemeinschaft zur Hilfe für den Irak aufgerufen. Voraussetzung dafür
sei die Gewährleistung der Sicherheit, denn nur dann werde es möglich sein, NGOs in den Irak zu schicken.
Abgeordneter WALCH (F) erfuhr vom Projekt eines Zentrums für kriegstraumatisierte Kinder, das Österreich
gemeinsam mit Slowenien und Albanien aufbaue.
Abgeordneter WITTAUER (F): Was sind die für die internationale Position Österreichs wichtigsten Schwerpunkte
der diesjährigen UN-Generalversammlung?
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Ministerin Dr. FERRERO-WALDNER bezeichnete die Reform der UNO als Hauptschwerpunkt der Generalversammlung, wobei
die Reform des Sicherheitsrates im Zentrum stehe. In diesem Zusammenhang erinnerte die Ressortleiterin an ihr früheres
Eintreten für eine Erweiterung des Sicherheitsrates. Eine wesentliche Rolle soll der Sicherheitsrat weiterhin
in der Konfliktprävention, aber auch in der Terrorbekämpfung spielen.
Die Kritik der Abgeordneten Mag. LUNACEK (G), sie habe keine Initiativen für einen gemeinsamen EU-Sitz im
Sicherheitsrat gesetzt, wies die Außenministerin zurück und erinnerte daran, dass sie den österreichischen
UN-Botschafter beauftragt habe, an den diesbezüglichen Diskussionen aktiv teilzunehmen. Auch in der Frage
des Vetorechts habe sich Österreich klar eingebracht, erfuhr Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S).
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten DONABAUER (V) zur Reform der UNO beantwortete die Ministerin, indem sie
über die Einsetzung eines hohen Komitees durch den Generalsekretär berichtete und Vorschläge der
Gruppe der "Eminent Personalities" für die nächste Generalversammlung in Aussicht stellte.
Österreich wird an diesen Diskussionen konstruktiv teilnehmen, versicherte die Ressortleiterin.
Abgeordnete BAYR (S): Wie wichtig sind Ihnen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere im Hinblick
auf die Tätigkeit der neuen EZA-Agentur ein breiter parlamentarischer Konsens und Transparenz?
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Die AUSSENMINISTERIN betonte ihr Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit dem Parlament und unterstrich ihre
Bereitschaft zur Transparenz. Einmal mehr sprach sie ihr Bedauern darüber aus, dass die letzte EZA-Gesetz-Novelle
nicht von allen Parteien mitgetragen wurde, und listete Abgeordnetem BÖHM (V) die Vorteile der Austrian Developement
Agency (ADA) auf. Sie wird bilaterale EZA-Projekte umsetzen, noch enger mit der EU zusammenarbeiten und NGOs die
Möglichkeit geben, zusätzliche EU-Mittel für EZA-Projekte zu erhalten. Die Kosten für den Betrieb
der ADA stammen primär aus dem Budget, erfuhr Abgeordneter Mag. MAINONI (F).
Die Kritik der G-Abgeordneten Mag. LUNACEK, dass es die Ministerin bei der EZA-Novelle nicht geschafft habe, alle
EZA-Agenden in der ADA zusammenzuführen, wies die Ressortleiterin zurück. Auf der Grundlage des sehr
schönen Kohärenz-Paragrafen im neuen EZA-Gesetz konnte schon sehr viel zustande gebracht werden.
Abgeordnete FELZMANN (V): Welche Bedeutung für Österreich messen Sie als Außenministerin dem UN-Sitz
Wien zu?
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Außenminister Dr. FERRERO-WALDNER betonte den hohen Stellenwert des Wiener Sitzes der Vereinten Nationen,
des dritten Hauptsitzes des UN-Sekretariats. Sie freue sich darüber, dass neue Organisationen nach Wien kommen,
etwa das europäische Institut für Weltraumpolitik und bezifferte den positiven Steuereffekt - trotz der
Steuerprivilegien für die Mitglieder internationaler Organisation - mit 52 Mill. €, den direkten und indirekten
Beschäftigungseffekt mit 10.200 Arbeitsplätzen und den Wertschöpfungsbeitrag der internationalen
Organisationen in der Region mit 529 Mill. € oder 1 %. (Zusatzfrage des Abgeordneten NEUDECK, F).
Den Abgeordneten Mag. LUNACEK (G) und HEINZL (S), die über geringe Beiträge Österreichs zur UN-Organisation
klagten, riet die Ministerin, sich das konsolidierte UN-Budget anzuschauen. Überdies sei im Jahr 2004 mehr
Geld für die UN-Organisation vorgesehen. |