Bonn (alphagalieo) - Frauen gehen Konflikten auch sprachlich aus dem Weg und versuchen eher als Männer,
aus hitzigen Wortgefechten den Dampf zu nehmen – alles Unsinn, meint Ruth-Maria Roth von der Universität Bonn.
In einer Studie hat die Anglistin das gängige Bild der Linguisten als Klischee entlarvt. Für ihre Arbeit
wurde sie nun mit dem Queen’s Prize der Universität ausgezeichnet. Der jährlich vergebene Preis wurde
im Jahr 1965 von Königin Elizabeth II. für hervorragende Forschungsarbeiten im Fach Anglistik gestiftet.
In ihrer Examensarbeit befragte Ruth-Maria Roth mehr als 200 britische Studentinnen und Studenten, wie sie auf
Beleidigungen reagieren würden. Ihr Ergebnis: Zwar konterten die männlichen Probanden die Anfeindungen
insgesamt häufiger als ihre Kommilitoninnen. Diejenigen Frauen, die zur verbalen Gegenattacke bliesen, taten
das jedoch weit bissiger und scheuten dabei auch vor Kraftausdrücken nicht zurück.
In einem Fragebogen hatte Roth zunächst 116 Studierende der University of Exeter mit acht verschiedenen Beleidigungs-Situationen
konfrontiert. Die Befragten sollten frei formulieren, wie sie jeweils reagieren würden. Mit den Antworten
konstruierte die Anglistin dann einen zweiten Fragebogen zum Ankreuzen, den sie 126 anderen Studierenden vorlegte.
Der Vergleich der Ergebnisse belegte, dass die Antworten auf Bogen 1 wirklich repräsentativ waren.
Handfeste Gegenbeleidigungen
Die befragten Studentinnen gaben in gut einem Fünftel der Fälle an, sie würden die Beleidigung nicht
im Raum stehen lassen, sondern verbal in irgendeiner Form kontern. Bei den Männern lag dieser Anteil sogar
bei 35 Prozent. Wenn „frau“ aber attackiert, dann richtig: Ein Viertel von ihnen griff zu einer handfesten Gegenbeleidigung
(„fuckshit“, „arsehole“, „bastard“). Von den befragten Studenten äußerten sich lediglich 15 Prozent
ähnlich explizit; stattdessen erwiderten sie den Verbalangriff subtiler – beispielsweise, indem sie ironisch
antworteten oder der Beleidigung durch einen Scherz die Spitze nahmen.
Zeichen der Emanzipation?
Ob ihre Ergebnisse darauf schließen lassen, dass die Emanzipation nun auch den weiblichen Sprachgebrauch
erreicht hat, hält die 26-Jährige für zweifelhaft. „Zunächst einmal hat die Methode, verbale
Reaktionen mittels Fragebögen abklopfen zu wollen, ihre Schwächen: Wie will man entscheiden, ob die Teilnehmer
in Realität wirklich so reagiert hätten?“ Dieses Dilemma lasse sich aber bei linguistischen Fragestellungen
oft nur schwer auflösen – Roths Betreuer Professor Dr. Klaus P. Schneider vom Englischen Seminar der Universität
Bonn hält die Arbeit dessen ungeachtet für „die beste, die mir je über den Schreibtisch gegangen
ist.“ Das Thema „Beleidigungen“ habe die Linguistik bislang zudem völlig ignoriert.
Bei genauerem Hinsehen könnte die Tendenz mancher Studentinnen, wirklich hart zurückzuschlagen, sogar
gerade dafür sprechen, dass sie sich unterlegen fühlen. Daher sehen sie sich vielleicht gezwungen, ihre
Machtposition durch eine unmissverständlich offensive Antwort zu verbessern. Ruth-Maria Roth: „Die Fähigkeit,
eine Beleidigung ironisch zu parieren oder sogar abtropfen zu lassen, ist doch meist viel souveräner.“ |