Präsident Khol lud zu Gedenkfeier für Leopold Kunschak
Wien (pk) - Nationalratspräsident Andreas Khol lud am Dienstag (21. 10.) zu
einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 50. Todestages von Leopold Kunschak ins Hohe Haus. An der Feierstunde
nahm ein ebenso zahlreiches wie prominentes Publikum teil, darunter der Zweite Präsident des Nationalrates
Heinz Fischer, der ehemalige Vizekanzler und Außenminister Alois Mock, die ehemaligen Zweiten Präsidenten
des Nationalrates Marga Hubinek und Robert Lichal, Bundesratspräsident a.D. Alfred Gerstl und Staatssekretär
Reinhart Waneck.
Khol begrüßte alle, die "hier im Geiste Leopold Kunschaks versammelt sind", namentlich die
Mitglieder der Familie Kunschaks. Leopold Kunschak sei, so Khol, ein Politiker aus christlicher Verantwortung,
ein Mann der Sozialenzykliken gewesen. Jeder Christ, erinnerte Khol an eine Aussage Kardinal Ratzingers, der politisch
tätig ist, müsse sich an der christlichen Soziallehre schulen, und Kunschak sei ein kämpferischer
Politiker der christlichen Soziallehre gewesen, ein "ganz großer Mann, dessen wir in Dankbarkeit gedenken".
Abgeordneter Werner Fasslabend, der Obmann des Leopold Kunschak-Vereines, ging sodann auf die Vita Kunschaks ein.
Dieser sei 60 Jahre politisch tätig gewesen, selbst schon zu einer Zeit, da er altersmäßig noch
gar nicht dazu befugt gewesen wäre. Er habe die 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt
und versucht, die Probleme der Industrialisierung aus der christlichen Soziallehre heraus zu bewältigen, so
Fasslabend, der auf vier bleibende Verdienste Kunschaks verwies.
Er habe die Arbeiter im Rahmen der christlichsozialen Bewegung organisiert und so eine Aufsplitterung der Partei
verhindert. Sein Konzept sei dabei kein distantes gewesen, wie jenes der Sozialdemokratie, sondern ein integratives,
indem er die Arbeiterschaft als den 5. Stand begriff. Die Geschichte der ÖVP, dessen erster Obmann Kunschak
auch war, wäre ohne ihn nicht denkbar, meinte Fasslabend.
Der Redner würdigte zudem Kunschaks Rolle beim Verfassen des christlichsozialen Arbeiterprogramms von 1896
und hob hervor, dass Kunschak stets an die soziale Reform geglaubt habe. Das sei damals fraglos der schwierigste
Weg gewesen, doch half Kunschak damit, Österreich viel zu ersparen. Schließlich habe Kunschak Wesentliches
zu einer Wertekultur beigetragen, erklärte Fasslabend. Kunschak habe mit seinen Ideen dieses Land maßgeblich
mitgestaltet und mit der Sozialpartnerschaft den Grundstein zum harmonischen Dialog in der Gesellschaft gelegt,
schloss Fasslabend.
Zudem sprachen noch Gerhard Kastelic, der Bundesobmann der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten, und
Matthias Tschirf, der Wiener Landesobmann des ÖAAB.
Leopold Kunschak (1871-1953)
Leopold Kunschak, wurde am 11. November 1871 in Wien geboren. Aus kleinen Verhältnissen stammend,
konnte er lediglich sechs Klassen Volksschule absolvieren, ehe er den Beruf des Sattlers erlernte. Als solcher
fand er 1889 Arbeit in der Simmeringer Waggonfabrik. Ob seines familiären Hintergrundes schloss sich Kunschak
zwar der Arbeiterbewegung, aber nicht deren sozialdemokratischem Zweig an. Er wurde zu einem der Gründerväter
der christlichsozialen Arbeiterbewegung, die quasi an der Wiege des ÖAAB stand. In der Monarchie war freilich
selbst dieses Engagement suspekt, und so verlor Kunschak alsbald seinen Arbeitsplatz. Er nutzte diese erzwungene
Umorientierung und wurde Redakteur der "Freiheit", aus der 1900 die "Christlichsoziale Arbeiterzeitung"
hervorging.
Parallel dazu vollzog sich sein Aufstieg innerhalb der christlichsozialen Partei. Alsbald deren führender
Funktionär, zog er 1904 in den Wiener Gemeinderat und nach den ersten Wahlen nach dem freien, geheimen, gleichen
und direkten Wahlrecht im Jahre 1907 auch in das Abgeordnetenhaus des Reichsrates ein. Die aufgeheizte Stimmung
jener Jahre ging freilich auch an Kunschak nicht vorbei, als etwa 1913 sein Bruder Paul den sozialdemokratischen
Spitzenpolitiker Franz Schuhmeier ermordete. Im gleichen Jahr aber wurde Leopold Kunschak Landesrat in Niederösterreich.
Nach dem Untergang der Donaumonarchie zählte Kunschak zu den Mitbegründern der Ersten Republik und blieb
bis 1934 Nationalratsabgeordneter. In Zeiten eines sich immer mehr polarisierenden politischen Klimas war Kunschak
einer der wenigen Mahner zu Besonnenheit und Ausgleich. Mit dieser Haltung konnte er sich nach 1930 in seiner eigenen
Partei nicht mehr durchsetzen und trat dadurch immer mehr in den Hintergrund. Im Ständestaat hatte Kunschak
keine offizielle Funktion inne.
Trotz seines mittlerweile recht hohen Alters erlitt auch Kunschak die Verfolgung durch den Nationalsozialismus.
Zweimal befand sich Kunschak in Haft. Umso größer war 1945 sein Wunsch, am Wiederaufbau der Republik
mitzuwirken. Unter Bürgermeister Theodor Körner avancierte er zum Vizebürgermeister und Landeshauptmannstellvertreter
von Wien, dabei eifrig bemüht, die Kriegsschäden und -folgen so schnell wie möglich zu beseitigen.
Auch die neu gegründete ÖVP trug seinem Ruf Rechnung und nominierte ihn im Dezember 1945 zum Nationalratspräsidenten.
In dieser Funktion saß er gleich der ersten Bundesversammlung der Zweiten Republik vor, bei der der bisherige
Kanzler Karl Renner als neuer Bundespräsident vereidigt wurde.
Nachdem Kunschak Anfang 1946 aus seinen Wiener Ämtern ausgeschieden war, konzentrierte er sich ganz auf seine
Funktion als Nationalratspräsident und wurde dementsprechend eindrucksvoll 1949 auf seinem Posten bestätigt.
Sein großes Ziel aber, Österreich durch einen Staatsvertrag frei zu sehen, konnte Kunschak nicht mehr
erleben. Er starb als amtierender Nationalratspräsident im März 1953 kurz nach den dritten Nationalratswahlen
der Zweiten Republik. Fünf Tage später wurde Felix Hurdes zu seinem Nachfolger gewählt.
An Leopold Kunschak erinnert heute nicht nur der nach ihm benannte Platz in Hernals und eine Gedenktafel an seinem
Wohnhaus in der Hernalser Hauptstraße, sondern auch ein eigener Leopold-Kunschak-Preis. Im Empfangssalon
des Parlaments hängt überdies ein Bild des ersten Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik,
das von Robert Fuchs geschaffen wurde. |