Wien (fwf) - Lebensgewohnheiten, körperliches und geistiges Wohlbefinden sowie finanzielle und familiäre
Hintergründe älterer MitbürgerInnen sind Kernthemen der europäischen Studie SHARE (Survey of
Health, Ageing and Retirement in Europe). Seit Anfang 2003 kann auch eine österreichische Projektgruppe an
der im Vorjahr gestarteten, multinationalen und -disziplinären Langzeitforschung teilnehmen - dank Unterstützung
des Wissenschaftsfonds FWF.
Die auf über vier Jahre geplante Befragungsstudie SHARE wird in mindestens sechs Wissenschaftsdisziplinen*
Personen ab dem 50. Lebensjahr interviewen und die gewonnenen Erkenntnisse analysieren. Von besonderem Interesse
sind dabei Details über Gesundheit, Mobilität, Erwerbstätigkeit, Einkommen und Spargewohnheiten.
Die in 2-jährigem Abstand wiederholte Befragung derselben Personen zu sozialen und wirtschaftlichen Belangen
wird die Beobachtung des Alterungsprozesses ermöglichen. Dank Durchführung der Interviews in mehreren
Nationen kann zusätzlich ein Vergleich europäischer Sozialsysteme angestellt werden.
Ältere Menschen - auch Thema der Sozialpolitik
"Sicherheit im Alter, ob finanziell oder gesundheitlich, ist bedingt durch den steigenden Anteil der
älteren Bevölkerungsschicht ein brennendes Thema in Gesellschaft und Politik. Mit Hilfe von SHARE werden
wir analysieren, ob z. B. die ÖsterreicherInnen durch ihre Spargewohnheiten Abstriche ausgleichen können,
die ihnen in der Pensionszahlung widerfahren. Oder ob der Sparwille groß genug ist, dass in Zukunft Privatpersonen
freiwillig für ihre Pension vorsorgen können. Auch die Rolle von Erwerbstätigkeit oder Steuern ist
dabei äußerst interessant", erklärt der österreichische Projektverantwortliche, Prof.
Rudolf Winter-Ebmer, der am Institut für Volkswirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz und
am Wiener Institut für Höhere Studien (IHS) tätig ist. "Auf Grundlage der wiederholten Datenerhebung
können dabei auch Tendenzen erkannt werden, die es erleichtern, soziale Systeme zu beurteilen und effizient
anzupassen."
Dem internationalen Vergleich des erhobenen Materials wird besondere Bedeutung zugemessen. Grund dafür ist
die Ähnlichkeit der Probleme, die mit der zunehmenden Überalterung der europäischen Bevölkerung
einhergehen, denen aber national unterschiedliche Lösungsansätze entgegenstehen. So können z. B.
insbesondere in Österreich und Deutschland familiäre und vor allem finanzielle Schwierigkeiten bei Pflegefällen
durch öffentliche Pflegeversicherungen abgefedert werden. Gerade im Hinblick auf höher werdende Pensions-
und Gesundheitsausgaben ist daher eine landesspezifische Kosten-Nutzen-Analyse der sozialpolitischen Instrumente
sinnvoll.
Komplexes Altern erfordert komplexe Forschung
Die Vielschichtigkeit des Alterungsprozesses wird bei SHARE durch entsprechende Interdisziplinarität
widergespiegelt. Prof. Winter-Ebmer erläutert deren Relevanz anhand eines Beispiels: "Phänomene
wie der so genannte Pensionsschock wirken sich bei den Betroffenen nicht nur unterschiedlich stark, sondern auch
in verschiedenen Lebensbereichen aus. Ein Vergleich der körperlichen und psychischen Gesundheit erwerbstätiger
PensionistInnen mit dem Wohlbefinden jener, die die sofort in den Ruhestand treten, kann viel über die Bedeutung
sozialer Strukturen und Netzwerke aussagen. Und genau solche Thematiken sind Teil von SHARE."
Derzeit sind WissenschafterInnen aus elf Nationen** und sechs Wissenschaftsdisziplinen in das europaweite Forschungsnetzwerk
eingebunden. Österreich ist auf den bereits angefahrenen Zug noch rechtzeitig aufgesprungen, und kann in diesem
Stadium das Forschungsdesign noch mitbestimmen. Die Gelder für das Linzer Forschungsteam fließen auf
Grund des späten Einstiegs allerdings nicht mehr aus dem 5. EU-Rahmenprogramm. Stattdessen werden sie vom
Wissenschaftsfonds FWF beigesteuert, der damit dazu beiträgt, eine Forschungslücke in Österreich
zu füllen.
Diese stellte sich bisher durch das Fehlen umfassender Kenntnisse über die Lebensumstände der älteren
Generationen dar. "In Zeiten von Pensionsreformen, Umstrukturierung des Gesundheitssystems und Änderungen
am Arbeitsmarkt wird es immer bedeutender, die Lebensgewohnheiten und -qualität unserer SeniorInnen zu kennen",
so Prof. Winter-Ebmer zur gesamtgesellschaftlichen Situation in Europa. Mit der Förderung solcher Projekte
leistet der FWF einen erheblichen Beitrag zur Wissensgenerierung in Bereichen, die auch für sozialpolitische
Entscheidungen höchste Relevanz haben.
* Demographie, Medizin, Ökonomie, Psychologie, Soziologie, Statistik
** Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande,
Österreich, Spanien, Schweden, Schweiz |