Thema Nationalratswahl – 11. November 2002

 Brief aus Knittelfeld
 SPÖ: "Offener Brief an alle, die ÖVP und FPÖ vertraut haben"
Alfred Gusenbauer, Gertraud Knoll, Josef Broukal und Wolfgang Petritsch appellieren an jene Wähler, die von ÖVP und FPÖ getäuscht wurden
Wien (sk) - SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat am Sonntag (10. 11.) Nachmittag in Knittelfeld einen offenen Brief "an alle, die ÖVP und FPÖ vertraut haben" und deren Vertrauen in den vergangenen zweieinhalb Jahren enttäuscht wurde, unterzeichnet. Neben Gusenbauer haben auch Wolfgang Petritsch, Josef Broukal und Gertraud Knoll den Brief unterschrieben. Im Folgenden der offene Brief, der am Montag (11. 11.) als Inserat in den großen Tageszeitungen erscheint wird, im Wortlaut.
Am 24. November stehen Sie vor einer wichtigen Entscheidung für Sie und Ihre Kinder. Vor drei Jahren haben FPÖ und ÖVP eine Koalition gebildet und uns allen ein besseres Leben versprochen.
Die FPÖ hat immer behauptet: "Wir sind die Partei des kleinen Mannes". Bitte fragen Sie sich jetzt: Hat die FPÖ an den "kleinen Mann" gedacht? Anstatt auf die Menschen zu setzen, will sie die teuersten Kampfflugzeuge kaufen. Sie hat die Steuern erhöht, anstatt die Ausgaben zu senken. Und sie hat den sozialen Zusammenhalt untergraben, der unser Land ausgezeichnet hat.
Und jetzt, drei Jahre später? Wir stehen vor gebrochenen Versprechen und unerfüllten Erwartungen. Vor Chaos statt Stabilität. Wir haben eine Regierung, die die Augen vor der Wirklichkeit und den Problemen verschließt.
Schwarz-Blau hat uns eine Rekordarbeitslosigkeit beschert, besonders unter den Jugendlichen; Steuererhöhungen von 1.300 Euro für jede Familie; gekürzte Pensionen, die künftig noch vom Auf und Ab der Börsenkurse abhängig sein sollen; und Ambulanzgebühren, die ein Zwei-Klassen-Gesundheitssystem schaffen.
Wir sollten aber nicht überrascht sein. Denn die ÖVP war immer die Partei der Eliten. Die Partei jener, die darüber befinden, wer einen Job bekommt, wer ihn behält und wie viel er verdient. Fragen Sie sich selbst: Stehen Wolfgang Schüssel und die ÖVP wirklich auf Ihrer Seite? Und bedenken Sie: Die FPÖ hat darauf vergessen, wer ihr die Macht geliehen hat. Keine dieser beiden Parteien verdient Ihre Stimme.
Wir hingegen haben erkannt, dass wir Ihr Vertrauen verloren haben. Wir hören auf die Menschen. Wir haben gelernt und wir wissen sehr genau, dass wir uns nicht alles leisten können. Wir verpflichten uns zu sparen und sparen dort, wo es sinnvoll ist. Und daher haben wir drei Prioritäten gesetzt: neue Jobs, gesicherte Pensionen und einen freien Zugang zur besten Gesundheitsversorgung.
Statt in Kampfflugzeuge werden wir in Jobs für die Jugend investieren, in Arbeitsplätze für die Frauen, in Arbeit für alle. Wir garantieren: beste Gesundheitsversorgung, sichere und stabile Pensionen. Steuerentlastungen für jene, die es am meisten brauchen. Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsinitiativen.
Wir sind das Team für Sie. Wir haben eine klare Vision für Österreich. Wir wollen ein Land, in dem es faire Chancen für alle gibt. Wo die Wirtschaft wieder blüht und der soziale Zusammenhalt gesichert ist. Weil jeder Mensch zählt.
Wenn Sie am 24. November zur Wahl gehen, denken Sie an die gebrochenen Versprechen, denken Sie an die Zukunft. Die SPÖ ist bereit, mit Ihnen und Ihrer Familie den Weg in eine bessere Zukunft einzuschlagen.
   
 Rauch-Kallat: Menschen fallen auf offenen SPÖ-Brief nicht herein
Gusenbauer gab beste Warnung vor SP-Bundeskanzler ab - bewusste Unwahrheiten im Offenen Brief - warnendes Beispiel Rot-Grün
Wien (övp-pk) - "Die Menschen sind nicht so dumm, dass sie nach den Erfahrungen mit der sozialistischen Politik in den letzten dreißig Jahren und nach dem rot-grünen Debakel in Deutschland auf die Versprechungen im Offenen Brief der SPÖ hineinfallen", sagte ÖVP-Generalsekretärin Abg.z.NR Maria Rauch-Kallat am Sonntag (10. 11.). Wenn Alfred Gusenbauer die Österreicherinnen und Österreicher in Kreisky'scher Manier nun auffordere, ein Stück des Weges mit der SPÖ zu gehen, "dann ist das die beste Warnung, vor einem sozialistischen Bundeskanzler, die es gibt, denn die Menschen wissen sehr genau, was von der Ära Kreisky übrig geblieben ist, nämlich Schulden und Arbeitslose", so Rauch-Kallat.
Neben haltlosen Versprechungen gebe es im Offenen Brief der SPÖ wieder einmal bewusste Unwahrheiten, "mit denen man den Menschen Angst machen will". Natürlich seien die Pensionen nicht gekürzt worden, wie das die Sozialisten in ihrem Brief behaupteten, "sondern sie werden um 2 Prozent und damit um das gesetzliche Maximum erhöht, - aber mit Pensionslügen der Sozialisten haben die Österreicherinnen und Österreicher ihre Erfahrungen ja bereits gemacht", verwies die ÖVP-Generalsekretärin auf den Pensionistenbrief von Franz Vranitzky aus dem Jahr 1995.
Auch in Deutschland habe Rot-Grün vor der Wahl viel versprochen, "nach der Wahl jedoch gab es ein böses Erwachen. Und wenn man sich anschaut, was die Sozialisten in Österreich vor der Wahl alles versprechen, dann ist der Grund dafür wohl die alte sozialistische Devise: 'Weil der Mensch zahlt'."
Heute schaue die Realität in Deutschland so aus, "dass es aufgrund der rot-grünen Koalitionsbeschlüsse eine monatliche Mehrbelastung von 299,50 Euro oder 4.121,--Schilling für einen privaten Haushalt mit einem Brutto-Monatseinkommen von 2.500 Euro gibt, und diese Berechnung stammt nicht von der ÖVP, sondern ist im "Spiegel" vom 28.10.2002 nachzulesen, der beileibe kein konservatives Magazin ist", so die ÖVP-Generalsekretärin, die daran erinnerte, dass Deutschland unter Rot-Grün "heute Schlusslicht bei Wirtschaft und Arbeit in Europa ist".