Bünker: Vom evangelischen Amtsverständnis her für Evangelische möglich - Vorbehalte
gegen ein politisches Engagement theologisch nicht argumentierbar
Wien (epd Ö) - „Rund um den Wechsel von Gertraud Knoll von der Kirche in die Politik war die
Meinung zu hören, sie hätte damit die Kirche und ihre kirchlichen Funktionen missbraucht. Dahinter stehen
offenkundig Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Kirche und Politik, die mit evangelischem Selbstverständnis
schlicht nichts zu tun haben.“ Das schreibt der evangelische Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker in seiner Kolumne
der Wochenzeitung „Die Furche“ (vom 06. 11., Anm.). Sowohl vom Kirchen- wie vom Amtsverständnis
her sei für Evangelische ein Wechsel zwischen Kirche und Politik möglich. Vielmehr könne er sogar
„Ausdruck einer recht verstandenen Zwei-Reiche Lehre im Sinne Luthers sein.
Vorbehalte gegen ein politisches Engagement von Vertretern der evangelischen Kirche können nicht theologisch
begründet werden, meint Bünker, der diese Stimmen als „typisch österreichisch“ bewertet. Ihre Wurzeln,
so das Mitglieder der evangelisch-lutherischen Kirchenleitung, liegen in der Geschichte Österreichs. Bünker:
„Offensichtlich bedienen sich manche gerne dieser historischen Mottenkiste und zeigen sich an einer sachlichen
Diskussion wenig interessiert. Sonst müsste ja folgerichtig die Frage gestellt werden, ob alle Lehrerinnen
und Lehrer, die in die Politik gingen, damit das österreichische Schulsystem missbraucht haben?“
Bünker erinnert an den evangelischen Pfarrer Heinrich Albertz, der als Politiker bekannt wurde. Albertz war
Pfarrer der Bekennenden Kirche und trat früh der SPD bei. Durch sein Engagement für Flüchtlinge
und Heimatvertriebene kam er in die Politik, wurde Flüchtlingsminister und Mitglied im Bundesvorstand seiner
Partei. Am Höhepunkt seiner politischen Karriere war Albertz Bürgermeister von Berlin. Nach seinem Rücktritt
im Jahr 1967 – Albertz hatte die politische Verantwortung übernommen, nachdem der Demonstrant Benno Ohne-sorg
von der Polizei erschossen wurde – war er auf eigenen Antrag wieder als Pfarrer in Berlin tätig. „Albertz
war unbequem, nicht nur dem politischen Gegner, auch seiner Kirche und vor allem seiner eigenen Partei“, schreibt
Bünker. |