Schwarzböck warnt vor Experimenten in der Agrarpolitik 
Bauern brauchen erfahrene Verhandler und stabile Rahmenbedingungen
Wien (aiz.info) - "Die österreichische Landwirtschaft hat in den letzten Jahren eine Reihe von Reformen bewältigt. Sie steht nunmehr vor noch größeren Herausforderungen wie der EU-Erweiterung, den WTO-Verhandlungen und der EU-Agrarreform. In dieser Situation brauchen unsere Bauern verlässliche Rahmenbedingungen und erfahrene Verhandler, aber ganz sicher keine agrarpolitischen Experimente, die durch eine rot-grüne Regierung nach der Nationalratswahl drohen." Dies stellte der Vorsitzende der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, Rudolf Schwarzböck, am Montag (04. 11.) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch in Wien fest. Schwarzböck wandte sich in diesem Zusammenhang gegen Radikalreformen in der EU-Agrarpolitik, aber auch gegen nationale Alleingänge bei Tierschutz-, Umwelt- und Hygienestandards.

Stabile Rahmenbedingungen, aber keine "gmahte Wiesn"
Den jüngsten Beschlüssen der EU-Staats- und Regierungschefs müssten nunmehr engagierte Verhandlungen über die kontinuierliche Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik folgen, so der Präsident. Die Brüsseler Beschlüsse über die Finanzierung der EU-Erweiterung würden für "stabile finanzielle Rahmenbedingungen" im Agrarbereich sorgen. Konkret würden die Agrar-Direktzahlungen für die Landwirte bis Ende 2006 in ihrer Gesamthöhe unangetastet bleiben. Ab der folgenden Finanzperiode 2007 bis 2013 sollten die Agrarausgaben dann - bei einem Inflationsausgleich von 1% - auf dem Stand von 2006 begrenzt bleiben, erläuterte Schwarzböck. Somit würden die EU-Agrarausgaben von rund EUR 45 Mrd. im Jahr 2006 auf EUR 48,5 Mrd. im Jahr 2013 steigen, wobei aus dieser Summe auch die Direktzahlungen an die Landwirte der Beitrittsländer zu zahlen seien. Diese Fixierung werde klarerweise auch der heimischen Landwirtschaft etwas abverlangen, eine "gmahte Wiesn" sei dieser Beschluss für die Bauern daher nicht, aber angesichts der Alternativen spreche man von einem vertretbaren Ergebnis.

Der Präsident ging in diesem Zusammenhang mit den Kritikern der "hohen EU-Agrar- förderungen" hart ins Gericht: Erstens solle endlich zur Kenntnis genommen werden, dass der Anteil des Agrarbudgets am Gesamtbudget der Europäischen Union deswegen annährend 50% ausmache, da es sich hier um einen der wenigen Politikbereiche handle, der auf EU-Ebene geregelt und entschieden werde. Der Anteil der Landwirtschaft am gesamten EU-Budgetkuchen (inklusive nationaler Budgets) mache aber nicht einmal 2% aus, stellte Schwarzböck fest. Zweitens solle ihm endlich jemand erklären, mit welchem Recht etwa Deutschland seine gescheiterte Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik mit Agrargeldern (die man auch den Beitrittsländern vorenthalten wollte) zu sanieren trachte und mit welchem Recht der EU-Nettoempfänger Großbritannien seine Forderung nach Beibehaltung eines Beitragsrabatts vertrete.

Solidarität mit Beitrittsländern
Weiters legte der Präsident ein klares Bekenntnis zur EU-Erweiterung ab und stellte dabei die Vorgangsweise jener politischen Mitbewerber in Frage, die sich zwar als Erweiterungsbefürworter ausgeben würden, aber gleichzeitig verlangten, dass dieses große Friedens- und Stabilitätsprojekt nichts kosten dürfe. Gleichzeitig rief Schwarzböck in Erinnerung, dass Österreichs Bauernvertretung - so wie die EU-Kommission - immer für die schrittweise Einführung von Direktzahlungen an die Landwirte der Kandidatenländer eingetreten sei, wogegen Vertreter der SPÖ und der Arbeiterkammer diesbezüglich Solidarität mit Osteuropa vermissen ließen.

Gegen Radikalreform, für Weiterentwicklung
Für die Beitrittsländer seien mit den Brüsseler Beschlüssen die Direktzahlungen gesichert. Außerdem wüssten die Beitrittsländer nunmehr, mit welcher Agrarpolitik sie ab dem Beitrittstag zu rechnen hätten. In die Entscheidung, was nach 2006 geschehe, seien sie fairerweise eingebunden, erklärte Schwarzböck. Er verwies auf die jüngsten Erklärungen der EU-Kommission, wonach geplant sei, die Vorschläge zum Midterm-Review ohne gravierende Änderungen in Legislativvorschläge zu gießen und diese Ende dieses Jahres zu präsentieren. So gesehen ändere sich auch an der Haltung der österreichischen Bauernvertretung nichts, eine Radikalreform werde weiterhin abgelehnt.

"Klasse statt Masse" bereits bisher praktiziert
"Das Ziel der EU-Kommission, dem Prinzip 'Klasse statt Masse' zum Durchbruch zu verhelfen, teilen wir vollinhaltlich und wir haben es in Österreich bereits bisher erfolgreich umgesetzt", unterstrich Schwarzböck und verwies auf die Spitzenstellung des heimischen Biolandbaues im EU-Vergleich und auf die hohe Beteiligung am Umweltprogramm ÖPUL. Wogegen man aber weiterhin auftrete, das sei beispielsweise die Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion, weil damit die gesellschaftliche Akzeptanz der Agrarförderungen verloren gehen könnte. Auch die zeitliche Degression der Ausgleichszahlungen werde abgelehnt. Wenn man alle Betriebe von EUR 5.000,- bis 200.000,- förderungsmäßig über einen Kamm schere, so sei dies nicht verständlich, wogegen die Staffelung nach Betriebsgrößen fair und nachvollziehbar sei.

Faire Wettbewerbsbedingungen notwendig
Angesichts der kommenden großen Herausforderungen verlange die heimische Bauernschaft faire Wettbewerbsbedingungen. Dies bedeute beispielsweise EU-weit einheitliche Produktionsstandards, diese müssten klarerweise auch für Agrarprodukte gelten, die von den Beitrittsländern auf den Binnenmarkt gebracht werden. Weiters sprach sich der Präsident für die europaweite Zulassung und unionsweit harmonische Besteuerung von Landmaschinen und Tierarzneimitteln sowie für flexible Regelungen für Saisoniers und Erntehelfer, die Senkung des fiktiven Ausgedinges und eine Neugestaltung der Investitionsförderung im Rahmen der ländlichen Entwicklung aus. Erneut forderte er die Senkung des Agrardieselpreises auf das Niveau von Heizöl extraleicht, um endlich Wettbewerbsgleichheit mit Bauern in anderen EU-Ländern zu erreichen.

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit trage auch eine Verwaltungsvereinfachung bei, damit könnte sofort begonnen werden, hier müsse nicht auf die große EU-Agrarreform gewartet werden. Zur Absicherung der Finanzierbarkeit von Leistungsabgeltungen für die Landwirte müsse - analog zum 40-Milliarden-Schilling-Paket nach dem EU-Beitritt - das 3-Milliarden-Euro-Paket außer Streit gestellt werden, verlangte Schwarzböck. Er erinnerte abschließend daran, dass die Landwirtschaft einen großen Beitrag zum Klimaschutz erbringe und mit einer forcierten Biomassenutzung für Energiezwecke und dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen könnte.