Wien (oenb) – Als "historischen Durchbruch" bezeichnete die Vize-Gouverneurin der Oesterreichischen
Nationalbank, Dr. Gertrude Tumpel-Gugerell, die Einigung, die Ende Oktober 2002 in Brüssel von den Europäischen
Staats- und Regierungschefs bezüglich der Finanzierung der Erweiterung der Europäischen Union erzielt
worden ist. Damit sei die Basis für die Umsetzung des größten europäischen Integrationsprojekts
des Jahrzehnts gelegt.
Im Rahmen der diesjährigen Ost-West-Konferenz der Oesterreichischen Nationalbank, die unter dem Titel "Strukturpolitische
Herausforderungen in Europa" stand, verwies Tumpel-Gugerell auf die Notwendigkeit, Strukturreformen zu einer
Verbesserung der Finanzmarktintegration, des Wettbewerbs und der Produktivitätsentwicklung der Europäischen
Volkswirtschaften durchzuführen. Hierbei gelte es einerseits, in jenen Bereichen aufzuholen, in denen die
USA Europa voraus seien, andererseits müsse man aber europäische Werte wie die soziale Sicherheit und
den sozialen Zusammenhalt bewahren und die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt Europas als einen wettbewerbspolitischen
Vorteil begreifen.
Als einen zentralen Bereich, in dem es zur Zeit große Reformdiskussionen gebe, die auch Auswirkungen auf
die neuen EU-Mitgliedstaaten haben werden, nannte Tumpel-Gugerell den Aufsichtsbereich im Finanzsektor. Die Regeln
von Basel II, die zur Zeit gerade finalisiert werden, werden im Rahmen einer EU-Richtlinie auch unmittelbare Rechtswirkung
in der Europäischen Union entfalten. Die Beitrittskandidaten müssten dies beim Aufbau und der Reform
ihres Finanzsektors bereits berücksichtigen. Eine effiziente und effektive Finanzaufsicht sei in Europa am
besten durch eine enge Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden gewährleistet, die im Hinblick auf
die Systemstabilität eine intensive Zusammenarbeit mit den Zentralbanken pflegen sollten.
Ein Schwerpunkt wurde bei der Konferenz auf die Frage gelegt, wie die Lissabon-Strategie umgesetzt werden könne,
um Europa bis 2010 zum weltweit wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum zu
machen. In diesem Zusammenhang wurden Strukturreformen im Steuersystem, im Unternehmenssektor und in Netzwerkindustrien
diskutiert, bevor sich eine Gesprächsrunde mit dem adäquaten Policy Mix in Europa auseinandersetzte.
"Die beste strukturpolitische Investition in die Zukunft", sagte die Vize-Gouverneurin der Oesterreichischen
Nationalbank, sei die Investition in die Ausbildung der Menschen". Am Qualifikationsgrad der Bevölkerung
werde sich die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft messen lassen. Aus diesem Grund müsse verstärkt
in die Verbesserung der Ausbildungssysteme, in Forschung und Entwicklung und in neue Technologien investiert werden.
Die Oesterreichische Nationalbank unterstreicht mit den jährlich stattfindenen Ost-Westkonferenzen den Analyseschwerpunkt,
den die OeNB in Richtung Mittel- und Osteuropa aufgebaut hat und der auch in Zukunft einen wichtigen Platz im Rahmen
des OeNB-Forschungsprogramms darstellen wird. |