Umwelt- und Gesundheitsexperten diskutieren über Ursachen und Maßnahmen
Wien (pte) - Sind Patienten laut Laborbefund gesund, klagen aber über ständige Kopf- schmerzen,
tränende Augen oder Hautausschläge, kann die Diagnose auf Chemikalien- Unverträglichkeit lauten.
Diese Krankheit kann durch Spuren von Chemikalien im Wohn- oder Arbeitsumfeld ausgelöst werden. Mehrere tausend
Europäer sind von der noch verhältnismäßig unerforschten Krankheit betroffen. Das Umweltministerium
veranstaltet daher am Donnerstag (14. 11.) erstmals ein Expertenforum in Österreich,
um den Erfahrungsaustausch zu vertiefen und mögliche Maßnahmen und Strategien gegen die Multiple Chemikalien-Sensitivität
(MCS) zu beraten. Veranstalter sind neben dem Umweltministerium das Forschungszentrum Seibersdorf sowie die Organisation
"Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt". Teilnehmende Experten sind Wissenschafter,
Ärzte, Betroffene, Berater und Behörden aus Österreich, Deutschland und Dänemark.
Bislang scheint festzustehen, dass es sich bei MCS um eine erworbene Erkrankung handelt, die mit umweltbedingter
Chemikalienbelastung im Zusammenhang entsteht. Dabei können nicht nur einmalige hohe Konzentrationen - wie
etwa bei Chemieunfällen - zur Krankheit führen. Bereits kleine Dosen, die über lange Zeiträume
kontinuierlich wirken, sind ausreichend. Als klassische Beispiele gelten Wohnraumgifte wie Formaldehyd in Spanplatten,
Lösungsmittel in Klebern und bestimmte Inhaltsstoffe in Holzschutzmitteln, aber auch Zigarettenrauch oder
Bestandteile von Nahrungsmitteln. Berufsgruppen, die über lange Zeiträume mit Chemikalien in Kontakt
kommen, wie beispielsweise Laborpersonal oder Druckereiarbeiter, können ebenfalls gehäuft Symptome zeigen.
Charakteristisch für MCS ist, dass die Symptome nicht nur ein Organ betreffen, sondern multiple Wirkung haben,
also gleich mehrere Organsysteme betreffen. Wie eine Allergie ist MCS nicht kurierbar. Ihre Symptome können
zwar gelindert werden, der Ausbruch der Krankheit kann aber nicht mehr rückgängig gemacht werden. Expertenschätzungen
zufolge gibt es in Deutschland derzeit 54.000 MCS-Fälle, in Österreich mehrere Tausend. Die Tendenz ist
laut einer Aussendung des Umweltministeriums steigend.
In Europa ist MCS ein in weiten Kreisen unbekanntes Krankheitsbild. Experten sind sich uneinig, ob MCS primär
als psychosomatische bzw. psychiatrische oder rein körperliche Störung mit eventueller genetischer Beteiligung
zu sehen ist. Auf Grund der großen Unsicherheiten über die genauen Ursachen, über Diagnose- und
Therapiemöglichkeiten ist es für Ärzte oft schwierig, den Patienten wirksam zu helfen.
EU-weit sind derzeit schätzungsweise rund 50.000 bis 60.000 verschiedene Chemikalien auf dem Markt. Bei vielen
dieser Stoffe ist die langfristige Wirkung für den Menschen noch nicht vollständig erforscht. Österreich
drängt daher im Rahmen der neuen EU-Chemiepolitik darauf, dass in Zukunft nur mehr Stoffe zugelassen werden
dürfen, deren Wirkungsweise ausreichend dokumentiert ist. Chemikalien mit bestimmten negativen Eigenschaften
oder allgemein schlecht untersuchte Stoffe sollen gar nicht mehr auf den Markt gelangen. Ein dementsprechender
Vorschlag soll von der EU-Kommission in den nächsten Wochen vorgelegt werden. |