Veronica Ferres: "Besondere Mutter-Tochter-Beziehung im Dritten Reich"
Wien (orf) - Im November einen Film zu drehen, der in allen vier Jahreszeiten spielt, ist nicht unbedingt
einfach: Aber auch das Thema von "Annas Heimkehr" - so der Titel der ORF-Koproduktion - beschäftigt
sich nicht mit leichter Kost. Die Gemeinschaftsproduktion von Endemol, Bayerischem Rundfunk, ARTE und ORF, bei
der Xaver Schwarzenberger Regie und Kamera führt, ist ein bewegendes Drama über die Zivilcourage eines
bayerischen Kindermädchens in der NS-Zeit. Veronica Ferres, deutsche Filmschauspielerin und diesjährige
Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen, spielt Anna Schweighofer, die während des Zweiten Weltkriegs die
Tochter ihrer ehemaligen jüdischen Arbeitgeber vor den Nazis rettet, indem sie die kleine Franziska Goldberg
als ihr eigenes uneheliches Kind ausgibt. Mit allen Mitteln kämpft die junge Frau, auch gegen die eigene Familie,
drei Jahre lang um das Leben des kleinen Mädchens - 2003 im ORF zu sehen.
Eine ungewöhnliche Charakterrolle mit viel Verantwortung
"Es ist ein neuer Ansatzpunkt, die Thematik des Dritten Reichs zu erzählen. Aber das NS-Thema
ist nicht das Hauptthema dieses Films. Vielmehr geht es hier um eine besondere Mutter-Tochter-Beziehung",
erzählt Veronica Ferres im Rahmen eines Pressetermins bei den Dreharbeiten im Südtiroler Vinschgau. "Anna
ist eine deutsche Hausangestellte in einem jüdischen Haushalt im Dritten Reich. Sie hat die Tochter ihrer
ehemaligen Arbeitgeber, die kleine Franzi, großgezogen und als die Eltern von den Nazis deportiert werden,
gelingt es Anna, das Kind zu verstecken. Plötzlich steht sie mit einer kleinen Ziehtochter da: Sie verleugnet
ihre Vergangenheit und geht in ihr Heimatdorf zurück, obwohl sie mit ihrer Familie gebrochen und geschworen
hatte, nie wieder zurückzukehren", so Ferres über die Handlung des Films. In der Rolle der Anna
sieht die vielseitige Schauspielerin eine besondere Herausforderung: "Das ist eine ungewöhnliche Charakterrolle,
die viel Verantwortung mit sich bringt und besonderer Vorbereitung bedarf. Die Verantwortung sieht Ferres darin,
etwas zu produzieren, das "als Warnung für weitere Generationen verstanden werden soll. 'Annas Heimkehr'
ist ein Film in Erinnerung an jene Menschen, die damals gestorben sind, für ganze Generationen, die zerstört
wurden. Es ist ein Film gegen das Vergessen. Man darf niemals vergessen. Diese Anna gab es damals nicht, aber es
hat sicher viele Annas gegeben, die auch den Mut hatten, sich in einer solchen Zeit für einen normalen humanitären
Umgang einzusetzen. Deshalb ist die Anna im Film auch keine Heldin für mich." Dass ihr Herz an diesem
Projekt hängt, betont Ferres mehrfach. "Ich bin auf der Suche nach solchen Stoffen, die einen politischen
und humanitären Hintergrund haben. Leider gibt es viel zu wenig davon." Für Regisseur und Kameramann
Xaver Schwarzenberger, mit dem die Ferres schon zum fünften Mal zusammenarbeitet, ist "Annas Heimkehr"
"... eine moralische Demonstration, wie Menschen sein könnten und auch waren. Und es gibt sicher viele
Definitionen dafür, dass ein Mensch ein Mensch ist, in diesem Fall ist es jemand, der nicht davonläuft."
Drei Gründe, warum ‚Annas Heimkehr" ein sehenswerter Film wird, sind für den Regisseur, "dass
er menschlich berührend, glaubwürdig und glaubhaft ist und nicht zuletzt einen Wert vermittelt, ohne
zu belehren".
Ferres: "Ein Film voller Entbehrungen" - fünf Kilo abgenommen
Auch wenn das Thema sehr ernst ist und die Arbeitsbedingungen Härte erfordern, machen die Dreharbeiten
Veronica Ferres Spaß: "Der Film spielt in allen Jahrszeiten, was auch bedeutet, dass ich - wie zuletzt
- bei vier Grad Celsius im dünnen Kleidchen Sommerszenen drehen muss. Da spürt man die Naturgewalt und
die Entbehrungen." Dies zu spüren ist ihr sehr wichtig: "'Annas Heimkehr' ist ein Film voller Entbehrungen:
Anna muss ihre eigenen Bedürfnisse verleugnen, um das Kind durchzubringen. Und so habe ich, wie in jedem Film,
auch hier einen Tick entwickelt, den ich durchziehe. Ich esse kaum etwas, und was ich esse, ist sehr gesund. Das
ist mir wichtig, um die Entbehrungen der Zeit zu spüren. Und ich will, dass man diese Entbehrungen in meinem
Gesicht sieht." Der Erfolg ist Veronica Ferres bereits anzusehen: Sie hat schon fünf Kilo abgenommen,
langsam treten ihre Wangenknochen stärker hervor. Abgesehen von der interessanten Geschichte und Rolle wollte
Veronica Ferres auch wieder mal mit Xaver Schwarzenberger zusammenarbeiten: "Für mich ist er ein Traum
von Regisseur", streut sie ihm Rosen. Für Schwarzenberger war die Ferres von Anfang an die "Traumbesetzung".
Gemeinsam haben die beiden für das Projekt gekämpft: "Wir sind schon gute zwei Jahre dran",
erzählt Schwarzenberger. "Ich wollte diesen Film schon wesentlich früher machen, er war sogar schon
lange vor dem Hofer-Film im Gespräch. Leider war die Finanzierung kompliziert, aber letztendlich ist es gelungen."
Aus Südtirol wird Bayern
Noch bis Anfang Dezember dauern die Dreharbeiten zu "Annas Heimkehr":
Bis zum 21. November wird noch in Glurns und Umgebung gedreht, wo schon große Fernsehproduktionen wie der
Vierteiler "Verkaufte Heimat" von Karin Brandauer und Gernot Friedel, aber auch einige Schlachtenszenen
von Schwarzenbergers Andreas-Hofer-Film entstanden. "Wir sind mit unserer Produktion hierher gekommen, weil
in Bayern kein Dorf zu finden war, das nicht hergerichtet ist und somit auch nicht die Zeit der frühen vierziger
Jahre vermitteln kann. Außerdem ist es ein bisschen billiger, hier zu drehen. Es war eine ökonomische
und künstlerische Entscheidung, aus Südtirol Bayern zu machen", begründet Schwarzenberger die
Wahl des Drehorts. Nach dem Südtirol-Dreh geht es zurück nach München, wo bereits zu Beginn der
Dreharbeiten schon einmal gefilmt wurde.
ORF-Sendetermin 2003
An der Seite von Veronica Ferres verkörpert die zehnjährige Julia Krombach, die aus einem speziellen
Kindercasting erfolgreich hervorging, Annas jüdische Ziehtochter Franzi. In weiteren Hauptrollen stehen in
"Annas Heimkehr" Julia Stemberger, Herbert Knaup, Erni Mangold, Karl Markovics, Jens Harzer ("Tod"
bei den Salzburger Festspielen 2002), Tommy Schwimmer und Veronika Fitz noch bis 2. Dezember vor der Kamera. Im
ORF wird der Fernsehfilm, zu dem Herbert Knopp - seines Zeichens Autor, ehemaliger Filmproduzent und Dramaturg
- das Drehbuch verfasst hat, 2003 zu sehen sein.
"Annas Heimkehr" ist eine Endemol-Filmproduktion in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk, ARTE und
ORF, gefördert mit Mitteln des FFF Bayern.
Mehr zum Inhalt
München, 1942: Anna Schweighofer (Veronica Ferres) ist zu Besuch bei ihren ehemaligen Dienstgebern, der jüdischen
Familie Goldberg (Andrea Eckert, Götz Spielmann). Deren Koffer sind gepackt, die Flucht nach England steht
unmittelbar bevor. Während Anna die zehnjährige Tochter der Goldbergs, Franziska (Julia Krombach), ins
Bett bringt und sie in den Schlaf singt, dringt die Gestapo in die Wohnung ein, verhaftet Herrn und Frau Goldberg.
Anna gelingt es, Franziska und sich selbst in Sicherheit zu bringen. Am nächsten Tag fahren die beiden in
Annas Heimatdorf Drachselreuth. Dort gibt sie Franziska als ihre eigene, außereheliche Tochter aus, eine
Geschichte von der sie hofft, man würde sie ihr umso eher glauben, als Anna seit Jahren den Kontakt zu ihrer
Familie vollständig abgebrochen hat, weil sie mit ihrem Bruder Toni (Herbert Knaup) nicht um das Erbe streiten
wollte. Der ist, als Besitzer des einzigen Wirtshauses, zum Bürgermeister und Ortsgruppenleiter aufgestiegen.
Und natürlich will er von Anna, die er eher widerwillig und vor allem auf Fürsprache seiner Frau Helene
Julia Stemberger) aufnimmt, immer wieder wissen, wer denn nun der Vater des Kindes sei. Dies umso mehr, als sich
Franzi, die sich nur mühevoll in das neue Leben einfindet, sehr oft recht seltsam benimmt. Anna, in ständiger
Angst, dass Franzis wahre Identität entdeckt wird, kann ihre Familie zunächst mit Lügen hinhalten
und Toni schließlich sogar dazu bringen, einen Pass mit dem Nachweis arischer Abstammung für Franzi
zu organisieren. Aber auch Sturmbannführer Brunner (Karl Markovics), der Anna aus früheren Tagen kennt
- damals war er Aushilfskellner und hat sich in Anna verliebt - forscht intensiver nach Franzis Herkunft, als Anna
lieb sein kann. Als dann noch Annas früherer Verlobter Kurt (Jens Harzer) auf Kriegsurlaub nach Hause kommt
und argwöhnt, Franzi könnte seine Tochter sein, scheint es kaum noch möglich, das wackelige Lügengebäude
aufrecht zu halten. Das Leben von Anna und Franzi steht auf dem Spiel: Doch Anna kämpft mit allen ihr zur
Verfügung stehenden Mitteln. |