Leitl fordert europäisches Wachstumsprogramm gegen Konjunkturkrise
Schlechtere BIP-Prognosen und Untätigkeit der EZB zwingen zum Handeln
Wien (pwk) - „Nachdem die EU-Kommission ihre BIP-Prognose für die EU nach unten revidiert hat und die EZB trotz der schwachen wirtschaftlichen Situation untätig geblieben ist, müssen die Europäer dringend ein europäisches Wachstumsprogramm auf die Beine stellen“, fordert der Präsident der Europäischen Wirtschaftskammern (Eurochambres), Christoph Leitl. Gemäß der am Mittwoch (13. 11.) vorgestellten Herbstprognose der Kommission wird die Wirtschaftsleistung der EU 2002 nur um 1,0 statt der im Frühjahr prognostizierten 1,4 Prozent zulegen. Für Österreich wird ein BIP-Zuwachs von mageren 0,7 prognostiziert.
„Jetzt in Katerstimmung zu verfallen und in Wehklagen über die schwache Konjunktur auszubrechen, bringt aber nichts. Vielmehr sind Aktivitäten gefragt“, sagte Leitl. Dabei habe jeder seinen Teil der Verantwortung zu übernehmen. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) nicht wie die Federal Reserve die Zinsen gesenkt hat, sei „sehr enttäuschend“. Er gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass sich die europäischen Zentralbanker noch heuer zu der dringend erforderlichen Rücknahme der Leitzinsen durchringen werden, sagte Leitl. Eine Zinssenkung würde nicht nur nachfrage- und wirtschaftsbelebend wirken, sondern auch den Zinsaufwand der Unternehmen verringern und der öffentlichen Hand beim Abbau der Finanzschuld helfen.

Von der Europäischen Union erwarten sich die Europäischen Wirtschaftskammern eine europäische Exportinitiative, die unter anderem in der Förderung von Exportclustern besteht. Leitl: „Ziel muss sein, die EU-Exporte in Drittstaaten von derzeit 10 Prozent auf 20 Prozent der Gesamtausfuhren zu erhöhen.“ Ein weiterer Schwerpunkt eines Europäischen Wachstumspakts müsse in der Verstärkung der Anstrengungen beim Infrastrukturausbau liegen, was auch im Hinblick auf die anstehende EU-Erweiterung notwendig sei. „Damit würde nicht nur die Anbindung an die künftigen EU-Mitglieder und damit der Wirtschaftsstandort in Europa verbessert werden. Von einer derartigen Aktion würden auch wichtige Impulse für brachliegende Kapazitäten der Bauwirtschaft ausgehen“, sagte Leitl. Zudem wäre es wünschenswert, dass ein erheblicher Teil der Mittel aus dem 6. Forschungsrahmenprogramm bereits 2003 vergeben wird.

Auch die europäischen Sozialpartner selbst müssen einen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft leisten, indem sie sich an einer produktivitäts-orientierten Lohn- und Einkommenspolitik orientieren. Und nicht zuletzt sei es an der Zeit, dass die EU-Staaten die Umsetzung der Lissabonner Reformagenda beschleunigen, statt sich wie bisher hinter Partikularinteressen zu verstecken, so Leitl abschließend.