Thema Nationalratswahl – 20. November 2002

 Wirtschaftspolitik 
 Androsch schätzt Budgetsituation kritischer als zugegeben ein
Neue Regierung muss Status quo nach Schwarz-Blau erst überwinden - Kassasturz notwendig
Wien (sk) - Der Unternehmer und ehemalige Finanzminister Hannes Androsch erklärte am Dienstag (19. 11.) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer, dass eine neue Bundesregierung, um konkrete Antworten hinsichtlich Wirtschafts- und Beschäftigungsbelebung sowie einer Steuerreform geben zu können, an erster Stelle einen "Kassasturz" durchführen müsse. Androsch glaubt, dass die Budgetsituation in Österreich kritischer als von der Regierung zugegeben sei. Auch die Prognose der EU-Kommission zum Defizit für 2002 (prognostizierte 1,8 Prozent) hält der ehemalige Finanzminister noch für "viel zu optimistisch".

Ein Land wie Österreich könne sich zwar von der weltwirtschaftlichen Entwicklung nicht abkoppeln, räumte Androsch ein, es gebe aber nationale Spielräume, die man hinsichtlich Beschäftigung und Konjunktur bereits hätte nützen können. In Österreich habe die schwarz-blaue Regierung aber bereits drei Jahre verstreichen lassen. Es sei nicht zu leugnen, dass sich die Weltwirtschaft insgesamt verschlechtert habe, die schwarz-blaue Regierung habe dies anfangs jedoch versucht zu leugnen. Dadurch sei Österreich im EU-Vergleich "von der Überholspur auf die Kriechspur" gekommen.

Mann müsse deshalb den Status quo überwinden. Das betreffe jeden einzelnen Bereich, die Unternehmen, die Rahmenbedingungen, den Wirtschaftsstandort Österreich und die öffentlichen Finanzen, so Androsch weiter. Der Unternehmer kritisierte auch die Vernachlässigung der Forschungspolitik durch die schwarz-blaue Koalition. Die Politik der vergangenen 2,5 Jahre bedürfe insgesamt durch die nächste Regierung Korrekturen, "die sehr schwierig sein werden", sagte Androsch. Es sei eine "Gratwanderung" zu bewerkstelligen. Eine wichtige zu lösenden Frage sei etwa, wie man es bei einer stagnativen Konjunktur schaffe, solide finanzpolitische Maßnahmen zu treffen.

Patentrezepte gebe es keine, "die haben wir auch nicht", sagte Androsch. Er forderte, dass sich die Politik von "selbstdarstellerischer Symbolpolitik" verabschieden müsse, denn man könne vieles besser machen. Die Politik müsse "wieder Leadership zeigen" - etwa hinsichtlich der Lehrlingsausbildung oder der Situation alleinerziehender Mütter, müsse sich die Politik notwendiger neuer Modelle bedienen. Androsch forderte auch zum Ergreifen von diesbezüglichen Initiativen in den Unternehmen auf. Die Politik müsse hingegen etwa Maßnahmen zur Anhebung der Selbstständigenquote setzen. "Österreich habe eine zu geringe Selbstständigenquote, aber eine zu hohe Beamtenquote", sagte Androsch.

Als Maßnahe zur Sicherung des Pensionssystems müsse danach getrachtet werden, dass älterer Arbeitnehmer auch tatsächlich bis zum Pensionsantrittsalter von 61,5 Jahren in Beschäftigung gehalten werden könnten, betonte Androsch. Um dieses Ziel zu erreichen, schlug er etwa "gesünderes Älter werden", die Schaffung "längerer und flexiblerer Lebensarbeitszeiträume" oder das Überdenken der derzeitigen Schutzbestimmungen, die oft für die Einstellung älterer Arbeitnehmer ein Hindernis bedeuten würden, vor.

Ähnliche Überlegungen seien auch für die Sicherung des Gesundheitssystems zu tätigen. Dringend notwendige und in den vergangenen 2,5 Jahren aufgeschobenen Reformen müssten rasch angegangen werden. "Wenn man nichts dagegen tut, wird es noch viel ärger", zog Androsch den Vergleich zu einem Arzt, der für seinen Patienten eine gewisse Diagnose erstellt habe.

Androsch machte abschließend deutlich, dass sich die Politik trauen müsse, eine Fülle "angeblicher heißer Eisen" endlich anzugehen. Das Verständnis unter der Bevölkerung dafür, glaubt Androsch, sei vorhanden - die Leute seien der "inhaltlichen Phrasendrescherei längst müde".
   
 Stummvoll: Hannes Androsch hat völlig Recht - Die Leute sind der SPÖ-
Phrasen müde

Schüssel-Stummvoll mit langfristigen Vorschlägen - Gusenbauer mit Androsch, aber ohne Regierungserfahrung
Wien (övp-pk) - "Hannes Androsch hat völlig Recht mit seiner heutigen Aussage, wonach 'Die Leute der inhaltlosen Phrasen müde sind' - und zwar jenen der SPÖ", sagte ÖVP-Finanzsprecher Dr. Günter Stummvoll am Dienstag (19. 11.) zu den jüngsten wirtschaftspolitischen Aussagen von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Hannes Androsch. Es sei für eine ehemals staatstragende Partei "beschämend, ihn welch substanzloser Aufzählung von Gemeinplätzen und Floskeln ohne Inhalt" sich ihr Vorsitzender - der über keinerlei Regierungserfahrung verfügt - ergehen würden, so Stummvoll.
"Die SPÖ verspricht den Menschen alles, ohne jemals zu erklären, wie sie die Dinge finanzieren will. Fast kommt man sich vor wie in Alfred Gusenbauers vorweihnachtlichem Wunschkonzert", sagte Stummvoll. Realistisch seien die wenigen konkreten Vorstellungen, die sich im SPÖ-Sammelsurium der Beliebigkeiten finden würden, nicht. "Während Kanzler Schüssel und Finanzminister Grasser ein langfristiges Programm für die österreichische Wirtschaft mit konkreten Entlastungs- und Strukturmaßnahmen vorlegen, muss die SPÖ mit Hannes Androsch Rückgriffe auf ihr Personal und die Politik der 70er Jahre machen", so Stummvoll.
   
 Schweitzer: "Die rote Nehmerphilosophie - Kürzung der Leistungen oder Erhöhung der Zahlungen"
SPÖ bedeutet Stillstand und Belastungen
Wien (fpd) - "Hannes Androsch hat heute in seiner Pressekonferenz genau das gefordert, was jetzt gerade in Deutschland passiert. Und Alfred Gusenbauer sitzt daneben und tut so, als hätte er damit nichts zu tun", sagte FPÖ-Klubobmann Mag. Karl Schweitzer zur heutigen gemeinsamen Pressekonferenz von Androsch und Gusenbauer.
Seit heute sei endgültig klar, was sozialistische Politik bedeute und was die Österreicher im Falle einer sozialistischen Regierungsbeteiligung erwarte: "Kürzung der Leistungen oder Erhöhung der Zahlungen - das ist die rote Nehmerphilosophie", brachte es Schweitzer auf den Punkt. "Wo Rot regiert, wird abkassiert."
Daß die SPÖ für Reformen zu haben sei, nehme ihr nach der heutigen Pressekonferenz niemand mehr ab, betonte Schweitzer. "Die SPÖ bedeutet Stillstand und Belastungen - wir stehen für Reformen." Letztlich sei es auch egal, mit wem die SPÖ im Falle des Falles eine Koalition eingehe. "Ob rotschwarzer Stillstand, ob rotgrünes Chaos - draufzahlen muß der Bürger. Denn in dessen Tasche greifen beide Modelle."